RYLEY WALKER - Schmelztiegel Chicago

26. März 2015

Ryley Walker

Es passiert nicht so oft, dass man eine CD einlegt und alles stehen und liegen lässt, mit dem man gerade beschäftigt ist. Ryley Walkers „Primrose Green“ ist ein Kandidat für einen derartigen Kontrollverlust, denn ein solches Album hat es schon lange nicht mehr gegeben. Es baut aus alten Tugenden der freien Improvisation eine völlig neue Variante von Folk. Aber der junge Singer-Songwriter aus Chicago steht mit beiden Beinen auch in ganz unterschiedlichen Traditionen.

Auf dem feuchten, duftenden Boden von Kontrabass und Vibrafon breitet sich eine harfenklare Folkgitarre aus, über die sich gleich Beschwörungsformeln die Stimme legt. Die Musik suggeriert eine Begegnung von Van Morrison aus den Zeiten von „Astral Weeks“ mit Jeff Buckley in den Kulissen der Blue-Note-Alben von Andrew Hill, Eric Dolphy und Bobby Hutcherson von 1963/64. Kein Wunder, denn obgleich Walker sich dem US-Folk verpflichtet fühlt, hat er diese Songs mit Vertretern der Jazzavantgarde Chicagos, allen voran Cellist Fred Lonberg-Holm, Schlagzeuger Frank Rosaly und Vibrafonist Jason Adasiewicz, eingespielt.

„Die Musik kam mit der Band“, erzählt Walker, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. „Ich habe mir diese Folkthemen auf der Gitarre ausgedacht, aber die Jungs verstanden sofort, worum es mir ging, und fingen wie wild an zu improvisieren. Es ist ein Mischmasch der Musik, die ich liebe. Da ist ebenso viel Free Jazz wie Psychedelic Rock und Folk drin. Auch Van Morrison und Tim Buckley haben ja mit Westcoast-Jazzmusikern zusammengespielt. Diesen Sound wollte ich auf meiner Platte haben. Es würde mich langweilen, würde ich nur einen einzelnen Sound bedienen.“

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 169 (April 2015).