STEVEN WILSON - Frei, das heißt allein

20. Januar 2015

Steven Wilson

Vor zwei Jahren erklomm Steven Wilson den Prog-Olymp mit seiner Soloarbeit „The Raven That Refused To Sing“. Der umtriebige Engländer heimste szeneübergreifend überschwängliche Kritiken ein. Nun legt er mit „Hand. Cannot. Erase.“ nach. Einem genauso ambitionierten und vielschichtigen Werk wie der Vorgänger. Die Messlatte liegt indes hoch. Ob und wie Steven Wilson sie überwinden will und welche Richtung er einschlägt, erzählt er im großen Interview.

eclipsed: Steven, würdest du folgender Aussage zustimmen: Du wolltest der Progszene und all deinen Kritikern mit „The Raven“ zeigen, dass du jederzeit ein Progressive-Rock-Album machen kannst, wenn du das willst, und zwar ein großes?

Steven Wilson: Teilweise. „The Raven“ war ein Zeichen, dass ich ein klassisches Progressive-Rock-Album machen kann und dass ich es besser machen kann als irgendein anderer. Das klingt arrogant, aber ich denke, nachdem ich das nun getan habe, kann ich das nicht weiter machen.

eclipsed: „Hand. Cannot. Erase.“ klingt anders, es ist definitiv nicht „The Raven Part 2“...

Wilson: Genau. Einerseits erscheint das neue Album wie eine Fortsetzung von „The Raven“. Es gibt Songs im klassischen Sinn. Es gibt mehrere Tracks, die länger als zehn Minuten sind, ähnliche Arten der Dynamik, ähnliche Strukturelemente. Andererseits war jetzt die Idee, das Repertoire wieder auf eine breitere Basis zu stellen. Einflüsse aus Electronic, Pop, Ambient, dazu Death-Metal-Riffs, meine ganze musikalische Persönlichkeit eben. Dieses Album dreht sich um das Jetzt, um das 21. Jahrhundert. Selbst das Konzept ist in der Gegenwart verankert. Es ist ein Album über die Zeit, in der wir leben. Dieses Album erfordert einen moderneren Sound.

eclipsed: Versuchst du neue Ausdrucksformen zu finden, indem du in die Vergangenheit schaust?

Wilson: Nein, nicht bewusst. Wenn du so lange Musik gemacht hast wie ich, hast du eine Persönlichkeit entwickelt. Und das bedeutet, dass du immer Sachen machen wirst, in denen die Leute Dinge erkennen werden, die du schon vorher gemacht hast. Ich habe bestimmte lyrische Themen, gewisse Akkordfolgen und Melodien, auf die ich von Zeit zu Zeit zurückkomme. Mein musikalischer Charakter scheint eben immer wieder durch. Ich integriere Dinge, die ich liebe. Letztes Jahr habe ich „Perfect Life“ geschrieben. Jetzt kann ich raushören, wie oft ich damals das letzte Boards-Of-Canada-Album gehört haben muss. Es ist nur natürlich, dass dein Input deinen Output beeinflusst. Während „The Raven“ arbeitete ich an den King-Crimson-Alben. Mein Kopf war also voll von all den klassischen Progressive-Rock-Helden. Dieses Mal habe ich an XTC, Simple Minds und Tears For Fears gearbeitet. Ich habe Boards Of Canada und Aphex Twin gehört. Gleichzeitig arbeite ich auch am klassischen Prog. Das findet sich hier alles wieder. Hoffentlich klingt das alles auch nach mir.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 167 (Feb 2015).