BRIAN ENO - Der Macher der Popkultur

18. Juni 2018

Brian Eno Roxy Music

BRIAN ENO - Der Macher der Popkultur

Gründungsmitglied von Roxy Music, Produzent von Bowie, U2 und Talking Heads, Erfinder des Ambient, Schöpfer aufwendiger Multimediainstallationen und rastloser Geist in Sachen Klanginnovationen: Brian Eno ist der Macher der Popkultur. Der Mann, der sie erneuert und vorantreibt. Der öffentlichkeitsscheu ist, kaum Interviews gibt und gerade seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hat – oder auch nicht, wie er beim Treffen mit eclipsed verrät.

Der Verfasser dieses Artikels hat schon einige skurrile Interviewsituationen erlebt. Mit Künstlern, die nicht wollten, nicht konnten oder nicht durften. Die abweisend, abwesend oder schlichtweg durchgeknallt waren. Mit Schlägen, Anwälten und Abbruch drohten. Die kurzzeitig ausrasteten oder keine Freigabe zur Veröffentlichung des Gesagten erteilen wollten. Das Erlebnis mit Brian Eno im Berliner Martin-Gropius-Bau indes hat noch eine ganz andere Dimension. Erst wird eclipsed von Manager Ray Hearn durch die Installation „Empty Formalism“ geführt, die nach ihrer Premiere an der Spree als Wanderausstellung um die Welt gehen soll. Eine meditative Aneinanderreihung von ständig variierenden Farben und Formen, kombiniert mit sphärischen Soundschleifen. Eine Konstellation, in der man sich regelrecht verlieren kann. Was allerdings nicht für Hearn gilt. Der nutzt den Moment, um klare Instruktionen und Verhaltensregeln auszugeben: Eno rede nicht über seine Produzentenjobs, nicht über Roxy Music und schon gar nicht über David Bowie. Bei entsprechenden Fragen würde er das Gespräch abbrechen. „Und worum soll es dann gehen?“, lautet unser perplexer Einwand. „Um das, was er gerade macht und was er noch vorhat.“

Ein Rat, der sich als wertvoll erweisen soll. Denn Eno ist kein einfacher Mensch und erst recht kein einfacher Gesprächspartner. Und er ist schon lange nicht mehr der mit Federboas bestückte Paradiesvogel von einst. Der kleine, kahlköpfige ältere Herr mit Designerbrille, elegantem schwarzen Zweireiher, Schiebermütze und weißem Dreitagebart erinnert an einen Universitätsprofessor. Und genauso spricht er auch: langsam, bedächtig, mit wohldosierten Anekdoten. Gleich zu Beginn der Audienz lässt er die sprichwörtliche Bombe platzen: „Ich verstehe, dass mich die Leute mit dem assoziieren, was mich bekannt gemacht hat. Trotzdem reagiere ich gereizt darauf, wenn sie nur über meine Arbeit mit irgendwelchen Rockstars reden. Gerade in England scheinen alle zu denken, ich wäre ein Musiker, der in seiner Freizeit Kunst produziert, als reines Hobby. Das stimmt nicht, und deshalb konzentriere ich mich auf Installationen. Meine erste habe ich schon 1968 angefertigt, vor fünfzig Jahren. Ich feiere also gerade ein Jubiläum.“

Das trieft vor Hohn und verdeutlicht vor allem eines: Eno fühlt sich missverstanden, auf etwas reduziert, das (aus seiner Sicht) nur einen winzigen Teil seiner Arbeit ausmacht, aber alles andere überlagert. Deshalb hält er sich in Sachen Produzententätigkeiten derzeit merklich zurück und konzentriert sich stattdessen auf seine Multimediakunst. Die, so betont er, bringe zwar nicht viel Geld ein, aber erstens habe er davon ohnehin genug, und zweitens sei ihm das Wichtigste das Ausleben seiner kreativen Visionen. Mit denen verfolge er aber auch eine gesellschaftliche Mission. Es handle sich schließlich um urbane Kokons, um Oasen der Ruhe in einer schnelllebigen, stressigen Welt: „Wir brauchen einen Gegenpol zur allgemeinen Hektik. Es passiert so viel, da müssen wir uns auch mal hinsetzen, durchatmen und alles sacken lassen. Das ist es, was die Leute bei meinen Installationen finden. Und es ist interessant, sie dabei zu beobachten. Ich bin immer wieder fasziniert, wie viele ihre Zeit mit etwas verbringen, bei dem kaum etwas passiert, im Vergleich zu gängiger Unterhaltung. Es gibt keine Handlung, keine Geschichte, keine verbindenden Elemente, das wird schon nach zwei oder drei Minuten klar. Trotzdem scheinen die Besucher damit glücklich zu sein.“

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