ISAAC VACUUM - Bis an die Grenze

25. September 2017

Isaac Vacuum

Es gibt sie noch: die echten Geheimtipps, auch aus Deutschland! Isaac Vacuum aus Krefeld gehören definitiv dazu. Die Einflüsse des Quartetts sind vielfältig, obgleich sie auf dem Debüt „Lords“ allesamt eine prächtige Symbiose eingehen. Das schwer groovende Grundgerüst verbindet die Band mit modernen Djent-, Sludge- und sogar Stoner-Elementen. Aus dem Postrock entlehnt sind diverse atmosphärische Parts und Soundscapes. Hinzu kommen das teilweise jazzig-schwebende Schlagzeugspiel sowie die Tatsache, dass man mit Stefan Huths Touch Guitar und diversen Effekten (auch live) weitere höchst interessante Facetten ins Spiel bringen kann. Kurz vor ihrem Auftritt am 29.9. beim Euroblast-Festival in Köln sprachen wir mit Stefan Huth.

eclipsed: Stefan, mit „Lords“ deckt ihr eine relativ große stilistische Bandbreite ab. Wie würdest du euch selbst einordnen? In der Tradition welcher Bands seht ihr euch?

Stefan Huth: Natürlich bedient man sich immer stilistisch etwas an der Musik die man persönlich gerne hört und mag. Jeder von uns hat verschiedene Vorlieben und musikalische Hintergründe. Die technisch vertrackte Seite kommt eher vom Progressive Rock, wobei wir auch gerne ausufern und Soundscapes improvisieren, die man dann eher dem Postrock oder manchmal sogar der Drone- oder Ambience-Musik zuordnen kann. Demnach haben wir dem Kind einfach den Namen „Post.Prog.Rock“ gegeben. Im Endeffekt würde ich uns als Rockband bezeichnen – Punkt! Direkte Vorbilder haben wir nicht, allerdings dürften Mastodon, Opeth oder Russian Circles Bands sein, bei denen wir wirklich alle auf einen Nenner kommen. Aber auch King Crimson, Tool und die Seattle-Szene haben Spuren bei uns hinterlassen.

eclipsed: Fühlt ihr euch mit dem Begriff „progressive“ überhaupt wohl? Was bedeutet dir/euch dieser Begriff? Ist dieses Label vielleicht sogar ein Stigma, mit dem man eher Nachteile hat?

Huth: „Progressive“ steht für uns im Prinzip dafür, dass wir musikalisch machen können was wir wollen ohne irgendwelche Stile oder Klischees zu bedienen. In diesem Sinne fühlen wir uns natürlich sehr wohl damit. Viele Leute verbinden mit progressiver Musik jedoch seelenlose Frickelei und Musik, die nur für Musiker interessant ist. Sowas wird bei vielen Veranstaltern dann immer schnell in eine Schublade gesteckt. Die Veranstalter, die es ernst meinen, hören dann aber doch richtig hin. Demnach würde ich es nicht wirklich als Stigma bezeichnen.

eclipsed: Welcher Musiker bringt welche Einflüsse in die Music von Isaac Vacuum ein?

Huth: Ein großer Pluspunkt bei uns ist, dass sich hier gefestigte Musiker zusammengefunden haben, die jeder für sich schon einen eigenen Sound mitbringen. Unser Gitarrist und Sänger Dan kommt aus der Heavy-Rock-Ecke und ist großer Fan der Grunge- und Sludge-Szene. Er ist derjenige, der darauf achtet, nicht allzu sehr von der Songdienlichkeit abzuschweifen. Philipp (Gitarre/Backings) sorgt dafür, dass es entweder sphärisch oder ganz im Gegenteil tief schmatzig wird und ordentlich schiebt. Grob gesagt würde ich ihn als den Metaller in der Band bezeichnen. Michel (Schlagzeug) steht total auf Meshuggah, ist Jazzstudent und mag auch gerne mal vertrackte elektronische Musik. Ich (Touch Guitars) bin mit King Crimson und viel Progmetal groß geworden und habe auch Fusion und Jazz gemacht. Demnach sind Michel und ich eher der technische Gegenpol zu Dan und Phil. Man mag denken, dass es sehr schwer ist, das alles unter einen Hut zu bringen. Es ist jedoch einfacher als gedacht, weil jeder genau seinen Stil einbringen kann. Irgendwie passt es dann einfach zusammen.

eclipsed: Wie schwierig ist die Live-Umsetzung der verschiedenen Soundschichten, die ihr zusammenbringt?

Huth: Wenn die Sounds einmal sauber ausgetüftelt sind ist das gar nicht allzu schwer. Uns ist wichtig, dass wirklich alles was wir spielen auch live ist. Dies vorab zu realisieren kann aber durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen und da sind wir sehr pingelig. Manche Leute bezeichnen uns als absolute „Sound- und Gear-Nerds“ - was wir leider auch nicht ganz abstreiten können. (lacht) Wir sind sehr detailverliebt und achten darauf, dass wir frequenztechnisch gut zusammen harmonieren. Da kann es im Song schon mal vorkommen, dass wir die Bass-/Gitarrenrolle tauschen oder eine Gitarre dauerhaft nach oben oktaviert ist. Ich habe schon öfters vom Publikum gehört, dass es total interessant ist, immer wieder neu herauszufinden wer genau was spielt.

eclipsed: Soundeffekte spielen ebenfalls eine nicht ganz unwichtige Rolle bei euch. In welcher Tradition seht ihr euch in dieser Hinsicht?

Huth: Tatsächlich drehen wir gerne mal an dem einen oder anderen Knöpfchen. (lacht) Mit „Off“ und „Post Scriptum“ haben wir auch einige Soundcollagen auf „Lords“ die aus vollständigen Improvisationen mit sehr vielen Effekten zusammengeschnitten wurden. Sofern es da wirklich eine Tradition gibt würde ich sie mit Brian Eno oder Robert Fripp in Verbindung bringen oder vielleicht mit modernen Filmkomponisten.

eclipsed: Beschäftigt man sich näher mit euren Texten, so fällt auch hier eine eher intellektuelle Schlagseite auf. Worum geht´s? Welche Themen sind euch wichtig?

Huth: Mit „Lords“ ist ein Album entstanden, welches erschreckend gut in unsere Zeit passt. Es verändert sich auf der Welt momentan eine ganze Menge, vieles ist im Wandel, manches bröckelt. Einige Menschen haben Angst davor, andere wiederum nutzen diesen Umstand aus. Das sind hochspannende Themen, gesellschaftlich wie psychologisch, und bietet unendlich viel Stoff, den man in lyrischer Form verarbeiten kann. Wir schreiben allerdings niemals explizit politisch oder religiös, sondern lassen Aussagen auch gerne mal so im Raum stehen, ohne sie aufzulösen. Interpretationsspielraum ist wichtig um einen Song individuell wirken lassen zu können.

eclipsed: Wer hat das Albumcover gestaltet und in welcher Beziehung steht es zum Albumtitel oder zum Bandnamen?

Huth: Das Albumcover basiert auf „Hybris“, der Arbeit eines befreundeten Künstlers Gerhard Hahn, die unser Haus- und Hof-Fotograf Nils Voges für uns fotografisch festgehalten hat. Das Werk wurde in filigraner Arbeit aus tausenden von kleinen Tonfragmenten zusammengesetzt, die zusammen einen fast zwei Meter hohen, gewaltigen und bedrohlich wirkenden Babelturm ergeben. Die Parallelen zu uns und unserer Musik sind offensichtlich: Groß, sperrig und irgendwie schwer einzuordnen. (lacht)

eclipsed: Der Name Isaac Vacuum bedeutet was?

Huth: Die Idee war es eine Kunstfigur zu erschaffen, die den Kontrast zwischen menschlichen Emotionen und wissenschaftlicher Rationalität zusammenbringt. Das scheint auf jeden Fall zu polarisieren. Der Name selbst ist aber pure Lautmalerei.

eclipsed: Wie läuft das Songwriting bei euch ab? Proberaum oder Einzelkämpfer?

Huth: Ganz einfach, ab in den Proberaum, Ideen einbringen, jammen und das Ganze mitschneiden. Das funktioniert bei uns super. Nach der Bandgründung 2014 haben wir ein Jahr nur improvisiert, danach die Ideen ordentlich katalogisiert (nach Stimmung/Tempo etc.) und zu guter Letzt arrangiert. Sobald das Arrangement steht, kümmert sich Dan um die Texte. Fast alles was auf „Lords“ zu hören ist stammt aus diesen Sessions und es gibt noch ganz viel mehr davon.

eclipsed: Ihr seid eine typische „Do It Yourself Band“. Wie kräftezehrend ist das, wenn man einen gewissen Anspruch hat, das Ganze aber im Prinzip als „Hobby ohne Bezahlung“ ausgeht?

Huth: Wir sind mit „Lords“ schon ganz schön an unsere Grenzen gegangen. Da, wie bei den meisten Bands, das Budget begrenzt war, mussten wir so viel wie möglich selbst machen. Bis auf die Drum-Aufnahmen, für die wir uns in das Le Fink Studio eingemietet haben, habe ich alle Instrumente bei mir im Homestudio oder in Proberäumen von befreundeten Bands aufgenommen. Mit Phil und Dan haben wir zwei Designer in der Band, die sich um Artwork und CI gekümmert und Fotoshootings organisiert haben. Da wir alle noch „normalen“ Jobs nachgehen, war es wirklich sehr kräftezehrend. Hätten wir uns kein abschließendes Datum gesetzt, wären wir wahrscheinlich immer noch dran. Wir sind aber extrem zufrieden mit dem Ergebnis und haben auch sehr positives Feedback und Unterstützung bekommen. Es ist einfach der Spaß und die Leidenschaft an der Musik weshalb wir das überhaupt machen. Momentan steht das Booking für 2018 auf dem Plan, wo wir auch alle an einem Strang ziehen. Es ist natürlich zweifelsohne immer noch Nischen-Musik. Wir würden gerne mehr Konzerte spielen, stoßen dabei aber leider oft an die Grenzen unserer Kapazitäten und Möglichkeiten. Momentan sind wir deshalb auf der Suche nach einem geeigneten Booker, der uns hilft, diese Nischen zu finden und auszufüllen.

eclipsed: Wie wichtig ist das Internet für eine Band wie Isaac Vacuum?

Huth: Sehr wichtig. Angefangen vom Marketing über Instagram, Facebook und Co., läuft natürlich auch 90% des Bookings nur noch online ab. Glücklicherweise kaufen vor allem Freunde progressiver Musik immer noch CDs. Es ist wirklich wichtig, kleine Bands dadurch zu unterstützen. Die jüngeren Generationen kennen das ja so gut wie gar nicht mehr. „Das gibt’s doch alles online“. Demnach ist es meiner Meinung nach wichtig sehr viel Präsenz zu zeigen. Sei es auf Youtube mit Musikvideos oder auf Streamingdiensten wie Apple Music oder Spotify. Man verdient da zwar so gut wie nichts, aber immerhin erhöht sich die Reichweite. Reviews von Online-Magazinen sind dafür auch ein gutes Mittel.

eclipsed: Dein Hauptinstrument ist die Touch Guitar. Wie bist du dazu gekommen? Welche Musiker haben dich in dieser Hinsicht beeinflusst? Welche Eigenschaften hat dieses Instrument, dass du es einer normalen E-Gitarre vorziehst?

Huth: Ich habe 1999 angefangen Tapping-Instrumente zu spielen. Ausschlaggebend waren für mich als King-Crimson-Anhänger natürlich Tony Levin und Trey Gunn. Mich hat einfach begeistert, dass man ähnlich wie beim Klavier, den Tonumfang von Bass und Gitarre abdecken kann. Und da man mit allen 10 Fingern auf dem Griffbrett nur mit der „Tapping“-Technik arbeitet, sogar beides gleichzeitig spielen kann.  Nach vielen Seminaren und Konzerten habe ich Markus Reuter von Tony Levin's Stick Men auf dem 2014er E-Tap-Seminar in Belgien kennengelernt und war begeistert von der Touch Guitar. Man merkt einfach, dass das Instrument von jemandem entwickelt wurde, der es auch live spielt und sich auch einen Kopf über die Technik gemacht hat. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen und ich arbeite für Markus und Touch Guitars und gebe Workshops und u.a. auch Showcases auf Stick-Men-Konzerten. So schnell kann das gehen.

*** Mike Borrink

Die aktuelle Playlist von Isaac-Vacuum-Touch-Gitarrist Stefan Huth:
1. Haken - Affinity
2. Ayreon – The Source
3. Amplifier - Trippin' With Dr. Faustus
4. Katatonia - The Fall Of Hearts
5. Agent Fresco - Destrier

Mehr Informationen:
www.isaacvacuum.com
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