JOE BONAMASSA - Keine Verzweiflungstat

16. März 2016

Joe Bonamassa

Wer den 38-jährigen Joe Bonamassa nur von seinen Konzerten kennt, wird überrascht sein wie (nach-)lässig der US-Amerikaner Backstage gekleidet ist. Der Bühnenanzugsträger („weil es gute Bluestradition ist, sich auf der Bühne anständig zu kleiden“) wirkt mit Baseballmütze, Jeans und T-Shirt durch und durch amerikanisch. Aber eines an ihm ist durchaus nicht ami-typisch: Joe verliert sich selten in Nettigkeitsfloskeln. „Have a nice day“ und „I’m fine“ gehören nicht zum Standardvokabular des Ausnahmegitarristen.

Auf die Frage vor dem Interview, wie es ihm heute geht, nachdem er vor dem Gig einige Tage zuvor in Dortmund vom Jetlag gezeichnet war, antwortet er: „Ich bin total müde, ich bin heute schon um vier Uhr wach geworden und konnte nicht mehr einschlafen.“ Der Glamourfaktor bei Joe Bonamassa hält sich also in Grenzen, erst auf der Bühne wird der Sänger und Gitarrist zum umjubelten Star. Zu dem Musiker, der den Bluesrock nicht nur in Deutschland aus einer Nische wieder zurück ins Rampenlicht geholt hat.

eclipsed: Bei „Blues Of Desperation“ wartest du mit einigen Neuigkeiten auf. Du hast die Band reichlich durcheinandergewirbelt bzw. neu formiert. So hast du dir neben Anton Fig mit Greg Morrow kurzerhand einen zweiten Schlagzeuger ins Studio geholt. Dazu kommen Bassist Michael Rhodes und Keyboarder Reese Wynans sowie Bläser und Backgroundsängerinnen. Außerdem hast du dich nicht auf die üblichen Marshall-Verstärker verlassen, sondern im Studio in Nashville Tweed-Fender-Amps aufbauen lassen. Warum?

Joe Bonamassa: Der Grund dafür ist sicher nicht, dass ich keine Lust mehr auf den typischen Marshall-Sound oder die früheren Musiker nicht mehr für gut genug befunden habe. Ich behaupte auch nicht, dass alles Neue besser ist als das Alte. Nur, nach etlichen Alben war es einfach an der Zeit, einiges anders anzugehen. Um keine Routine aufkommen zu lassen. Außerdem sind es nicht komplett neue Musiker, ich habe mit fast allen schon vorher live oder im Studio zusammengearbeitet.

eclipsed: Beim neuen Album fällt auf, dass sich der Stil ab der Mitte wandelt. Während die ersten Songs eher wie Arena-Bluesrock klingen, geht es etwa aber der zweiten Hälfte traditionell und bluesig zu. War das der Plan?

Bonamassa: Da steckte kein Plan hinter, das spiegelt eher das wider, was ich selber gerne höre. Das Album mit den großen Rocksongs zu beginnen mag ich einfach. Ich höre solche Songs auch auf anderen Alben immer gern am Anfang. Außerdem ist es doch klar, dass ein Bonamassa-Album nicht von Anfang bis Ende gleich ausgerichtet ist. Das wäre nicht ich, und ich hoffe, meine Fans erwarten das auch nicht von mir.

eclipsed: Ihr habt „Blues Of Desperation“ in fünf Tagen aufgenommen. Das spricht nicht nur für gute Musiker, sondern vor allem für eine gute Vorbereitung. Jetzt sage aber nicht, dass ihr dafür Monate gebraucht habt…

Bonamassa: Das hätte bei keinem von uns in den Zeitplan gepasst. Vorproduktion und Songwriting haben etwa dreieinhalb Wochen Zeit in Anspruch genommen. Das ist weder besonders schnell, noch außergewöhnlich für ein Album von mir.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 179 (April 2016).