A PERFECT CIRCLE - Rüssel aus der Schüssel

26. März 2018

A Perfect Circle

Vierzehn Jahre zwischen zwei Alben – das sind Dimensionen, die man sich als Band erst einmal leisten können muss. Die ein gesundes Selbstbewusstsein erfordern, aber auch ergebene Fans, die eine Engelsgeduld aufbringen. Wie bei dem Duo Billy Howerdel und Maynard James Keenan, das den kreativen Nukleus von A Perfect Circle bildet, und bei dem der Faktor Zeit keine Rolle zu spielen scheint: Songs werden erst veröffentlicht, wenn sie wirklich perfekt sind. Wenn die künstlerische Vision bis zum Letzten ausgereizt ist und die Presse mal wieder richtig vorgeführt wurde. Ein anstrengendes Vorspiel für ein großes Album mit dem Titel „Eat The Elephant“. Das gehört bei A Perfect Circle einfach dazu…

Das Berliner Soho Haus am letzten Februarnachmittag. Draußen herrschen ein eisiger Wind und Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. In der Interviewsuite von Billy Howerdel ist die Heizung defekt. Der gebürtige New Yorker, der seit den frühen Neunzigern in Los Angeles lebt, fröstelt sichtlich. Er ist zudem irritiert von den zahlreichen Personen, die dieser Unterhaltung beiwohnen: eine Vertreterin des Managements in seinem Rücken, ein Repräsentant des Labels, der auf sein Laptop einhämmert, und eine freie Promoterin, deren Mobiltelefon in voller Lautstärke klingelt. Howerdel, ohnehin ein schüchterner Vertreter seiner Zunft, der leise und bedächtig spricht, verdreht die Augen. So hat er sich seine ersten Pressetermine seit 2004 – damals zum Album „Emotive“ – garantiert nicht vorgestellt. „Ich hätte nie gedacht, dass diese Auszeit so lang ausfällt“, setzt er an und wirkt mit seinem kahlen Schädel, seiner hageren Gestalt und seiner traurigen Miene geradezu mitleiderregend. „Eigentlich wollten wir uns damals nur kurz um unsere anderen Projekte kümmern – um Tool, Puscifer und Ashes Divide – und möglichst schnell weitermachen. Doch das hat sich bis 2010 hinausgezögert, und dann waren es weitere sieben Jahre, bis die neuen Stücke endlich standen.“

Am neuen Material, daraus macht Howerdel kein Geheimnis, hat er lang geschuftet. Erneut hat er alles alleine gemacht: die gesamte Musik komponiert und mehrfach überarbeitet. Auch war die Verpflichtung von Dave Sardy als erster externer Produzent der Bandgeschichte keine große Hilfe. „Es hat alles nur noch länger gedauert“, stöhnt der 47-Jährige.

Jobsharing

Immerhin: Der Aufwand hat sich gelohnt. Die zwölf Stücke – und das ist immer ein gutes Zeichen – sind ganz anders, als die Öffentlichkeit es erwartet hat. Sei es, weil A Perfect Circle in erster Linie auf Klavier, Streicher und eher hintergründige statt alles dominierende Gitarren setzen. Weil sie auch mal in Jazz und Trip-Hop vorstoßen und etwas gleichermaßen Erwachsenes, Reifes wie manisch Intensives besitzen. „Ich bin nicht der beste Gitarrist der Welt. Zudem habe ich mich zuletzt viel mit Filmmusiken befasst. Von daher bin ich die neuen Stücke mit Keyboards als Hauptinstrument angegangen und habe mich von Bands wie Massive Attack oder Portishead inspirieren lassen. Es ist also ein anderer Ansatz, aber es ist immer noch A Perfect Circle, weil es dieselben zwei Leute sind, die hier zusammenarbeiten.“

Wobei der Rest der Band – Gitarrist/Keyboarder James Iha (ex-The Smashing Pumpkins), Schlagzeuger Jeff Friedl (Puscifer) und Bassist Matt McJunkins (Eagles Of Death Metal) – nur ausführendes Organ ist. Die Rollenverteilung ist klar: Howerdel liefert die Musik und übernimmt die Produktion, Keenan steuert die Texte und das Visuelle – Plattencover, Videos et cetera – bei. Folglich weigert sich Howerdel vehement, eine Erklärung für den seltsamen Albumtitel „Eat The Elephant“ zu liefern, der nicht umgangssprachlich, sondern eine Eigenerfindung, sprich ein reiner Fantasiebegriff ist. Da winkt er ebenso ab wie bei der Gothic/Cyborg-Version von Riff Raff, die das Cover ziert und nicht etwa einen Elefanten in Händen hält, sondern einen schleimigen rotblauen Oktopus. „Wir haben einen Deal, der besagt, dass sich jeder um seinen Bereich kümmert und nichts, was der jeweils andere tut, hinterfragt. Nur so kann man eine gleichberechtigte Partnerschaft haben, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Daran halte ich mich. Ich frage ihn nie, was dieses oder jenes bedeuten könnte. Ich lasse ihn einfach machen. Deshalb funktioniert unsere Zusammenarbeit. Deshalb sind wir immer noch hier. Alles, was das betrifft, musst du Maynard fragen.“

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