Radikalität für die Massen - DEPECHE MODE zeigen erneut ihre spröde, avantgardistische Seite

25. Mai 2017

Depeche Mode

Wenn eine Band wie Depeche Mode ihre Bühne vom Stadion in ein intimes Auditorium verlegt, ist das eine besondere Situation. Am 17. März stellen Depeche Mode im Sendesaal des alten DDR-Funkhauses in der Berliner Nalepastraße vor einigen hundert Gästen Songs ihres neuen Albums „Spirit“ vor und garnieren diese mit älteren Stücken. Die Nähe, die die Band zulässt, ist höchst ungewöhnlich. Aber sie ist aufschlussreich.

Noch immer haftet Depeche Mode der Ruch einer Popgruppe an, der LKW-Ladungen von Teddybären vor die Füße geworfen wird. Dass es sich bei Sänger Dave Gahan, Gitarrist/Keyboarder Martin Gore und Keyboarder Andrew Fletcher um eingefleischte Avantgardisten handelt, die das seltene Glück hatten, in ihrer 35-jährigen Laufbahn zahlreiche Millionenseller zu landen, gerät dabei leicht aus dem Fokus. Schon früh hatten sich die englischen Elektroniker an Gruppen wie CAN, Kraftwerk, Suicide oder den Sparks orientiert. Die teilweise sehr radikalen, manchmal sogar noise-dominierten Single-B-Seiten sprechen eine andere Sprache als die Radiohits. Aber muss das Eine immer das Andere ausschließen? Spätestens seit „Black Celebration“ (1986) hatte jede ihrer Platten zumindest unterschwellig den Charakter von Konzeptalben, und auf „Violator“ (1990) ließen sie endgültig den Synth-Pop ihrer Anfangsjahre hinter sich.

Das jüngste Album „Spirit“ fokussiert sich deutlicher denn je auf politische und soziale Themen. Einen Tag nach dem nahbaren Auftritt bittet Andrew Fletcher in einem Berliner Edelhotel zur Audienz. Er thront an der Fensterfront einer riesigen Halle, es dauert eine halbe Ewigkeit, um von der Tür zu der Silhouette im Gegenlicht vorzudringen. In der Ecke des Zimmers wacht eine Vertreterin der Plattenfirma über den Verlauf des Gesprächs. Die Nähe in der Masse weicht der Distanz in der persönlichen Begegnung.

Lest mehr im eclipsed Nr. 191 (06-2017).