ROGER WATERS - Später Sieg

25. Mai 2017

Roger Waters Pink Floyd

Er sei müde und ausgepowert, hätte die letzten Tage schon zu viel geredet und müsse heute ein bisschen kürzer treten. Was die Managerin von Roger Waters da in bester Feldwebelmanier an die Vertreterin der New Yorker Plattenfirma weitergibt, zeugt von wenig Respekt gegenüber einem halben Dutzend Journalisten, das aus aller Welt in den Big Apple gereist ist, um das ehemalige Pink-Floyd-Mastermind zu sprechen. Alle Termine an einem verregneten Donnerstagmittag Ende April werden empfindlich gekürzt. Eine nonchalante Vorgehensweise, die den meisten Betroffenen nicht einmal mitgeteilt wird, um keinen Unmut aufkommen zu lassen.

Der Künstler selbst scheint daran nicht ganz unbeteiligt. Waters, ein grauer Panther mit weißem Dreitagebart trifft mit leichter Verspätung ein, schüttelt seinem Gegenüber zwar die Hand, fragt aber als Erstes, wie lange der Termin dauern wird. „25 Minuten“, heißt es. Es folgen ein zufriedenes Nicken und eine Erklärung: „Ich war gerade im Fitnessstudio und bin völlig fertig. Aber ich kann noch denken und reden.“ Dass andere mit Jetlag zu kämpfen haben und je einen Tag An- und Abreise hinter beziehungsweise vor sich haben, kommt dem 73-Jährigen nicht in den Sinn. Aber er gibt sich zumindest Mühe, ein konstruktives Gespräch zu führen.

eclipsed: Gestern hast du am „Times Talk“ in der Florence Gould Hall teilgenommen und Fragen von Fans beantwortet. Dabei hast du überraschend gelöst gewirkt. Ganz anders als in der Vergangenheit…

Roger Waters: (lacht) Weil mir das Spaß gemacht hat. Die Fragen waren toll und die Teilnehmer sehr interessiert.

eclipsed: Demnach bist du heute ein leichterer Gesprächspartner? Oder einfach altersmilde?

Waters: Ich bin mit mir selbst im Reinen, mehr denn je. Denn es ist doch so: Wir alle tragen einen unsichtbaren Richter mit uns herum, der auf unserer Schulter sitzt und ständig sagt: Tu dies nicht, tu das nicht. Der hat mich während meiner gesamten Karriere gequält, besonders nach der Trennung von Pink Floyd, die für mich eine riesige Zäsur darstellte, eine unglaublich wichtige Entscheidung war. Ich war 25 Jahre in der Band, oder wie lang auch immer, und hatte eine Menge Ballast im Gepäck. Mehr als ich alleine tragen konnte. Es hatte ein bisschen was von einer Hochzeit, die man verlässt, mit leeren Dosen an der Stoßstange, die einen Riesenkrach machen. (lacht)

eclipsed: So schlimm?

Waters: Oh, das kannst du dir gar nicht vorstellen…

eclipsed: Zumal du allein für die Trennung der Band verantwortlich gemacht wurdest?

Waters: Ja, das war sehr intensiv und sehr feindselig. Wahrscheinlich wird man mir nie vergeben – und das bei all der Arbeit, die ich geleistet habe, den tollen Songs, die ich geschrieben habe. Gerade was die anderen Jungs in der Band betrifft. Aber wir sterben ja langsam aus, also wen schert’s. Es hat mich nur eine Menge Zeit gekostet, um das loszuwerden und zu erkennen, wo die Probleme liegen, was die Leute an mir stört. All der Mist wie: Er hat uns keine eigenen Stücke schreiben lassen. Fickt euch! (lacht) Niemand hat euch vom Schreiben abgehalten, ihr Deppen. Das ist doch lächerlich. Und das wisst ihr auch. Aber egal, ich will das nicht vertiefen, weil es, wie du sicher merkst, ein Quell ewiger Freude ist. Im Ernst, ich habe genug davon, es hat mich krank gemacht. Ich war 20 Jahre in Therapie, um das hinter mir zu lassen, und ich tue mein Bestes, damit es so bleibt.

Lest mehr im eclipsed Nr. 191 (06-2017).