VAN DER GRAAF GENERATOR - Ende offen

21. September 2016

Van Der Graaf Generator

Anders als sein düsteres Image und seine oft schwermütigen Kompositionen glauben machen, ist Peter Hammill ein meist gut gelaunter und stets zu Scherzen aufgelegter Gesprächspartner. Seine Freude, auch im fortgeschrittenen Alter von 67 Jahren mit seinen innovativen, stets experimentierfreudigen Mitstreitern – Keyboarder Hugh Banton (67) und Schlagzeuger Guy Evans (69) – weiter Platten aufzunehmen, ist im Interview deutlich spürbar. Und auch wenn er sich in den letzten Jahren verstärkt über die Tücken des Alters beklagt hat, ist seine Kreativität ungebrochen.

eclipsed: Das neue Album lotet wie seine Vorgänger neue Möglichkeiten eures Zusammenspiels als Trio aus. Dabei klingt es ganz anders als der eher kompakte Vorgänger „A Grounding In Numbers“…

Peter Hammill: Es ist keineswegs unser großes Ziel, uns mit jedem Album vollständig neu erfinden zu müssen und anders zu klingen als zuvor. Was wir allerdings durchaus anstreben ist, die Dinge jedes Mal ein wenig anders anzugehen und so nach neuen Richtungen zu suchen, in die sich unser Sound und unser Zusammenspiel entwickeln können. Für „Do Not Disturb“ gab es anders als bei den Vorgängern eine sehr lange Phase, in der wir ausschließlich komponiert haben. Ich schickte Guy und Hugh eine ganze Menge Demos zu, mit denen sie dann wiederum arbeiteten, bis wir uns auf die nun auf dem Album vorhandenen Stücke einigten. Als es soweit war, dass die Songs standen, nahmen wir uns eine ganze Woche Zeit, um intensiv gemeinsam zu proben, bevor wir auch nur eine einzige Note aufnahmen. Und es war, so ist zumindest mein Empfinden, gerade diese eher altmodische Art des Aufnehmens, die ein Album hervorgebracht hat, das sich von seinen Vorgängern doch ziemlich unterscheidet.

eclipsed: Ich höre auf dem Album in erster Linie ein Wiederaufflammen deiner alten Liebe für schöne Melodien heraus…

Hammill: Das trifft durchaus zu, ja. Andererseits gibt es natürlich eine Menge Riffs, die von verschiedenartiger Komplexität und Intensität sind, würde ich behaupten. Aber letztlich fühlen wir uns derzeit recht oft wohl in der Rolle eines melodischen Piano/Bass/Schlagzeug/Gesang-Trios.

eclipsed: Auf der anderen Seite ist „Do Not Disturb“ das Album seit eurem Comeback im Jahr 2005, das am stärksten im Progressive Rock verhaftet ist – auch wenn ich weiß, dass du diesen Ausdruck hasst…

Hammill: Ja, das tue ich, ich kann mit Etiketten einfach nicht viel anfangen. Aber es ist ja durchaus was Wahres daran. Und doch lege ich Wert auf die Feststellung, dass wir stets schnell zum Punkt kommen und keinen Song ausufern lassen. Die Songs sind doch alle recht kurz geraten. Du wirst auf dem Album kein Stück finden, das an der Zehn-Minuten-Grenze kratzt.

eclipsed: Nehmen wir einmal „Alfa Berlina“ als Beispiel für einen Song, in dem das eben Angesprochene – eine schöne Melodie und eine harsche, komplexe Struktur – aufeinandertrifft. Für mein Empfinden das Poppigste, was du seit deinem 1993 erschienenen Soloalbum „The Noise“ geschrieben hast.

Hammill: Bereits als junge Band Ende der 60er hatten wir keine Scheu davor, auch mal in Gefilde der Konkreten Musik vorzustoßen. Und so haben wir auch heute noch nicht das Gefühl, dass der Übergang vom vorpreschenden Lärm zur eleganten Pianomelodie ein allzu großer Sprung ist, den man auf jeden Fall vermeiden sollte. Man kann diese Dinge durchaus miteinander verbinden, ohne dass es gekünstelt oder gewollt wirkt. Es ist uns äußerst wichtig, dass die Dinge authentisch klingen. Auch das Stück „Brought To Book“ arbeitet mit diesem Kontrast: Es ist ein wirklich schöner Song, gleichzeitig hat er aber auch unheimlich komplexe Momente.

Lest mehr im eclipsed Nr. 184 (Oktober 2016).