Vor 40 Jahren: THE BAND verabschieden sich

23. November 2016

The Band

Fünf Musiker, die auf einer abgewetzten Ledergarnitur sitzen. Sie wissen mehr voneinander, als ihnen lieb ist. Sie haben zusammen Dinge erlebt, von denen gewöhnliche Menschen nicht einmal träumen würden, und dabei haben sie höchste Glücksgefühle genossen und in tiefste Abgründe geblickt. Sie haben vor Hunderttausenden von jubelnden Fans gespielt, von anderen sind sie gnadenlos ausgebuht worden. Sie haben sich die Nächte in düsteren Jukejoints vor einer Handvoll Zecher um die Ohren geschlagen und in Shopping Malls ihr Essen zusammengeklaut.

Die fünf Männer haben ihren eigenen Code. Ein Blick nur, ein kurzes Heben der Stimme, ein Zwinkern oder eine kleine Geste mit der Hand reichen, um sich wortlos zu verständigen. Sie sind nicht nur irgendeine Band, sie sind ein Bund, eine Familie, eine Einheit. Das vielleicht erklärt, warum keine Rockgruppe je so klang wie diese. The Band waren ein mächtiges Orchester, so viel größer als die Summe seiner nur fünf Instrumente.

Angefangen hatte dieses Leben auf der Straße, als sie noch Teenager waren (lediglich Garth Hudson war bereits über 20, als er zur Band stieß). Der kanadische Rockabilly-Sänger Ronnie Hawkins hatte sie in den späten 50er-Jahren zu diesem Leben verführt. Laut Robbie Robertson mit den Worten: „Du wirst nicht viel verdienen, aber du wirst mehr Mädchen haben als Frank Sinatra!“ Natürlich hatte er Recht behalten. Jetzt aber waren sie erwachsene Männer in ihren Dreißigern. Robertson: „Die Band ist 16 Jahre zusammen on the road gewesen. Acht Jahre davon in Bars, Spelunken und Dancehalls, acht Jahre in Stadien und Arenen. Die Straße war unsere Schule, sie hat uns gelehrt zu überleben. Sie hat uns alles beigebracht, was wir wissen. Die Straße hat viele von den Großen genommen. Hank Williams. Buddy Holly. Otis Redding. Janis. Jimi Hendrix. Elvis. Es ist ein gottverdammt unmögliches Leben.“ Es ging nicht mehr. Also machten sie Schluss.

American Music

Ihre Arbeit war getan. Im Sommer 1967, als sich alle anderen an den psychedelischen Eskapaden von „Sgt. Pepper“ berauschten, hatten sie zusammen mit ihrem Mentor Bob Dylan eine Rückbesinnung der jungen Rockmusik auf ihre Wurzeln eingeleitet. Die Sessions im legendären Big-Pink-Haus in Woodstock waren zur Geburtsstunde eines Genres geworden, das wir heute Americana nennen. Vor allem mit den beiden ersten eigenen Alben, „Music From Big Pink“ (1968) und „The Band“ (1969), hatten The Band für eine nachhaltige Erdung der amerikanischen Musik gesorgt und die US-Szene mit den Traditionen von Jazz, Blues und Country kurzgeschlossen. Darüber waren The Band mit Songklassikern wie „The Weight“, „Up On Cripple Creek“, „The Shape I’m In“ und „The Night They Drove Old Dixie Down“ zu Stars geworden. In den 70ern folgten weitere Alben, manche großartig, manche nicht ganz so großartig. Und dann war da eben noch Dylan: Nachdem sie mit ihm ab 1965 ihre Feuertaufe im Big Business bestanden hatten und anschließend im Keller von Big Pink in Exerzitien gegangen waren, fanden sie 1973 wieder zusammen. Zuerst bei der gemeinsamen Arbeit an Dylans Album „Planet Waves“, dann folgte die „Before The Flood“-Welttournee.

Lest mehr im eclipsed Nr. 186 (12-2016/01-2017).