Peter Green (1946–2020) - Der sanfte Gigant

11. September 2020

Peter Green Fleetwood Mac

Peter Green (1946–2020) - Der sanfte Gigant

Neben Jimi Hendrix und Eric Clapton war er in den 60ern der dritte große Virtuose der elektrischen Gitarre: Peter Green wurde bekannt bei John Mayalls Bluesbreakers, gründete Fleetwood Mac und schenkte der Welt Songklassiker wie „Albatross“ und „Oh Well“. 1970, nach wenig mehr als drei Jahren, verließ er die Band und tauchte danach nur noch sporadisch im Rampenlicht auf. Ein Nachruf auf ein psychisch labiles Genie, das zu den ganz Großen der klassischen Rock-Ära zählte.  

Nicht auszudenken, was aus diesem Mann mit seinen sensiblen Fingern geworden wäre, hätte er die begonnene Schlachterlehre zu Ende gebracht. Der Ausflug in die bürgerliche Arbeitswelt blieb jedoch ein kurzes Intermezzo im Leben des Peter Allen Greenbaum, denn der 15-Jährige legte das Schlachtermesser schon bald zur Seite, um sich fortan ganz der Gitarre zu widmen. Sie sollte ihn in lichte Höhen führen, aber auch in finsterste Abgründe.

Aus den frühen Jahren des 1946 in London geborenen jüngsten Kindes eines jüdischen Elternhauses sind ansonsten keine weiteren Auffälligkeiten überliefert – bis auf eine Pandemie der besonderen Art, deren Überträger, seien es Chuck Berry, Elvis Presley, Little Richard, Jerry Lee Lewis oder ihre Wegbereiter wie Muddy Waters, B. B. King, Howlin’ Wolf und Ray Charles, damals zahlreiche englische Teenager infizieren: der Rock ’n’ Roll. Schon mit zehn lernt Greenbaum erste Gitarrenakkorde. Als er die Schule hinter sich hat, schnuppert er zum ersten Mal Bühnenluft. Seinen Nachnamen hat er da bereits zu Green verkürzt. Nachdem er in diversen Amateurbands reüssiert hat, geraten die Dinge für den inzwischen 19-Jährigen schließlich im Sommer 1966 – Beatles, Stones, Kinks und Who bilden die Speerspitze des britischen Pop – in Bewegung: Bei der vom Keyboarder Peter Bardens gegründeten Band Peter B’s Looners lernt er den spindeldürren 1,96-Meter-Riesen Mick Fleetwood kennen. Green wird bald weiterziehen, mit Fleetwood soll sich sein Schicksal aber auf entscheidende Weise verbinden. 

Im August ’66 verlässt Eric Clapton die Band von John Mayall, und der sonst eher schüchterne, introvertierte Green drängt sich dem Bluesbreakers-Boss als Nachfolger auf. Er bekommt den Job, und es gelingt ihm, Mayalls Bluesgemeinde zu überzeugen. Sein Ton ist weniger spektakulär, seine Licks sind nicht ganz so schnell wie die von „Slowhand“, dafür pflegt er einen erstaunlich ausgereiften, gefühlvollen, melodischen Stil. Das Besondere an Greens Spiel: Er schattiert die Noten mit dezentem Vibrato sowie jeder Menge Sustain, sodass sie ewig nachklingen. Seine Licks versieht er mit feinsten dynamischen Nuancierungen und verfügt dabei über eine bemerkenswert geschmackvolle Intonation. Hinzu kommt sein Gespür für die richtige Note an der richtigen Stelle. Viele braucht er nicht. Auf „A Hard Road“ (1967), dem einzigen Album, das Green mit Mayall aufnimmt, glänzt er mit dem Instrumentalstück „The Supernatural“, in dem er seinen einzigartigen, an B. B. King geschulten Stil meisterhaft vorführt. King selbst wird nur wenige Jahre später über diesen weißen Jungen sagen: „Er hatte den lieblichsten Gitarrenton, den ich je gehört hatte, und war der Einzige, bei dem ich kalte Schweißausbrüche bekam.“

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