PHIL COLLINS - Der Rückzug vom Rückzug

22. Oktober 2015

Phil Collins

Genf im Juli 2015: Es ist der heißeste Tag des Jahres, und Philip David Charles Collins sitzt schwitzend in seiner Hotelsuite. Die Klimaanlage hat den Dienst quittiert und die Getränke sind lauwarm. Der 64-Jährige ist frisch aus Miami eingeflogen, nur um sich gleich vor Müdigkeit beim Rasieren zu schneiden. Eine fiese Wunde klafft auf seiner oberen rechten Wange. Und auch sonst versprüht er nicht gerade den Glamour eines Mannes, der 250 Millionen Alben verkauft hat: Collins trägt ein unprätentiöses Streifendhemd zu Buntfaltenhose, Slippern, kahlem Schädel und dicken Glasbausteinen, erweist sich aber gleichzeitig als humorvoller Gesprächspartner, der gerne über die Neuauflage von „Face Value“ und „Both Sides“ plaudert. Mit dem Release dieser Erfolgsalben startet die mit „Take A Look At Me Now“ überschriebene Retrospektive von Phil Collins’ Solowerk.

eclipsed: Die Stones, die Doors, Led Zeppelin oder auch Queen haben ihre Musik schon zigmal neu aufgelegt. Warum hat das bei dir so lange gedauert?

Phil Collins: Meine Plattenfirma wird mich umbringen, aber für mich ist dieses Remastering-Ding reine Geschäftemacherei, mit der ich nichts zu tun haben möchte. Deshalb habe ich mich dem bisher verweigert. Was mich zum Umdenken bewogen hat, ist eine Entwicklung, die gerade vonstatten geht: Meine Sachen werden von vielen jungen Leuten neu entdeckt. Was damit zusammenhängt, dass mich Promis wie Adele, Pharrell [Williams], Lorde oder Beyoncé als Haupteinfluss für ihren Sound benennen. Ein wunderbares Kompliment!

eclipsed: Also sind die Wiederveröffentlichungen eine Reaktion auf diese Renaissance?

Collins: Genau. Und ursprünglich wollte das Label die üblichen B-Seiten und Demos als Bonusmaterial benutzen. Nur sind die meisten meiner Demos ja schon als B-Seiten von Singles erschienen. Weshalb ich da lieber ein paar gute Livemitschnitte verwenden wollte. Kein Material von irgendwelchen DVDs, sondern unveröffentlichte Aufnahmen, die zeigen, was für eine tolle Band ich hatte. Außerdem haben wir alle Plattencover neu aufgenommen – mit demselben Motiv wie damals, aber mit meinem aktuellen Gesicht. Das zeigt, dass ich mir durchaus Gedanken über dieses Projekt gemacht habe.

eclipsed: Die Beatles-Remasters waren so erfolgreich, weil sie Momente offenbart haben, die vorher nicht zu hören waren. Hast du einen ähnlichen Ansatz verfolgt und ebenfalls die Originalmasterbänder hervorgeholt?

Collins: Nein, sie wurden nur remastert, nicht remixt. Ich habe das Nick Davis und Miles Showell von Abbey Road überlassen. Denn ich selbst habe kein Equipment mehr, mit dem ich Musik hören könnte. Ich höre nur noch im Auto oder am Computer. Von daher verlasse ich mich auf die Einschätzung von anderen, die aber alle sagen, wie toll die neuen Versionen klingen. Darunter ist auch ein Demo, das Eric Clapton und ich für „Face Value“ aufgenommen haben. Doch dann hat sich der Idiot in mir durchgesetzt, der alles perfekt haben will, und ich habe Joe Partridge gebeten, den Part neu aufzunehmen. Dabei hätte ich es so belassen sollen, wie es mit Eric war. Zum Glück hatte ich es noch auf einer alten Analogkassette, die jetzt neu bearbeitet wurde. Und bei den Sachen bin ich mir nicht sicher, wie sie klingen. Am Computer sind sie okay. Nur, jemand, der sie auf einer teuren Anlage hört, mag da anderer Meinung sein.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 175 (November 2015).