SATURNIA - Metamorphose nach 20 Jahren

21. August 2018

Saturnia

SATURNIA - Metamorphose nach 20 Jahren

Saturnia, das Ein-Mann-Projekt des Luís Simões, stand mit seinen bisherigen sechs Studioalben für einen sanften, hypnotischen, wie in Watte verpackten, tranceartigen Psychedelic. Nun, gut 20 Jahre nach der Gründung, hat sich der Portugiese dazu entschieden, aus Saturnia eine echte Band zu machen. André Silva (Keyboards) und Nuno Oliveira (Drums) sind ab sofort feste Begleiter des Multiinstrumentalisten. In dieser Besetzung hat das Trio jetzt auch „The Seance Tapes“ eingespielt: Zwölf Tracks aus dem Backkatalog in neuen Band-Versionen. Gegenüber eclipsed erläutert Simões die Hintergründe.

eclipsed: Gleich zuerst die offensichtliche Frage: 20 Jahre lang hast du Saturnia im Alleingang geführt. Warum jetzt die Entscheidung, daraus eine richtige Band zu machen?

Luís Simões: Schon vor 20 Jahren war es meine ursprüngliche Vorstellung, mit mehreren Leuten etwas auf die Beine zu stellen, so etwas wie ein „Acid Orchester“. Doch die Realität sah etwas anders aus. Mein Wunsch, möglichst schnell auf musikalische Entdeckungsreisen zu gehen, war einfach zu stark, als dass ich auf eine Band warten konnte. Das führte dazu, dass ich allein im Studio werkelte. Ab einem gewissen Punkt, ab dem „Muzak“-Album in 2007, wurde meine Musik organischer, bekam einen eher traditionellen Bandcharakter. Das war eine Folge daraus, dass ich mich mehr auf meine Wurzeln besann, die eindeutig im Rock liegen. Es ist also eine natürliche Konsequenz, endlich eine richtige Band aus Saturnia zu machen.

eclipsed: Wie hast du André Silva und Nuno Oliveira kennengelernt?

Simões: André habe ich 2013 getroffen, als ich für ein paar Liveshows mit der portugiesischen Metalband Sacred Sin aufgetreten bin. Er hat eine tolle Technik und einen guten Geschmack. Später haben wir bemerkt, dass wir einige gemeinsame Freunde haben. Er hat auch tatsächlich schon in 2000 eines der ersten Saturnia-Konzerte überhaupt gesehen. Er ist also schon länger Teil der Saturnia-„Mafia“. Und Nuno Oliveira war einfach da. Die beiden haben instinktiv verstanden, worum es bei Saturnia geht.

eclipsed: Wirst Du zukünftig weiterhin der Anführer sein, der die Richtung vorgibt? Welchen Beitrag werden André Silva und Nuno Oliveira leisten?

Simões: Auf der kreativen Seite wird sich nichts ändern. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich künstlerisch als Komponist, Designer, Musiker und Produzent mit Saturnia erreicht habe. Und genau das möchte ich auch weiterentwickeln. Aber ich möchte auch mit noch mehr anderen Musikern zusammenarbeiten. Da entwickelt sich dann eine größere Dynamik und mit den richtigen Leuten wird die Musik einfach vollwertiger. Der Beitrag der anderen Musiker wird sich aber eher auf den spielerischen Aspekt beschränken. Ich möchte einen hochglanzpolierten Weg einschlagen, der sich aber natürlich und real anfühlt. So wie ein gutes Orchester mit jemanden wie Herbert von Karajan als Dirigent. 

eclipsed: Wie liefen die Aufnahmen zum neuen Album „The Seance Tapes“, für das ihr alte Saturnia-Tracks neu aufgenommen habt?

Simões: Ich hatte das Gefühl, dass an diesem Punkt in meiner Karriere entweder eine Compilation oder ein Livealbum an der Reihe sein müsste. Aber beides fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Also habe ich ein Zwischending gewählt. Wir haben unter Livebedingungen im Studio eine Compilation aufgenommen. Ich habe ein paar Hinweise gegeben. Wir haben die Songs ein paar Wochen geprobt und dabei alles aufgenommen. Die besten Sachen haben wir dann zusammengestellt. Dann wurde abgemischt und gemastert. Schon war das Album fertig. So einfach ist das. Mein Leben hat in den letzten Jahren eine neue Richtung angenommen. Ich habe einige wichtige Menschen in meiner Familie verloren. Meine Existenzgrundlage hat sich neu ausgerichtet. Ich wollte jetzt eine Kollektion zusammenstellen, die das repräsentiert, was ich wirklich war und bin. Wenn Gott mich einst fragt „Wer bist du?“, dann werde ich ihm „The Seance Tapes“ vorspielen.   

eclipsed: Worin bestehen für dich die Unterschiede zwischen den alten und den neuen Versionen?

Simões: Bei den alten Songs von den ersten drei Alben sind die Unterschiede deutlicher, denn diese Songs sind über die Jahre doch gealtert und haben sich inzwischen fortentwickelt. Außerdem habe ich sie damals auf eine Art produziert, die mir heute nicht mehr zusagt. Meine Herangehensweise war damals eben eine andere. Bei Sachen wie „Gemini“ oder „The Twilight Bong“ vom Debüt oder „Chrysalis“ von „The Glitter Odd“ und „Sunflower“ von „Hydrophonic Gardening“, die alle eher Lo-Fi-Alben waren, sind die neuen Aufnahmen geradezu fantastisch verglichen mit den alten Versionen. Bei den Stücken von den neueren Alben wie „Alpha Omega Alpha“ und „The Real High“ sind die Unterschiede nicht so gravierend. Einfach weil die Herangehensweise schon damals so war, wie sie heute ist. Auf jeden Fall bin ich aber der Meinung, dass die Songs heute so klingen, wie ich sie schon damals im Kopf hatte. Es ist für mich schön zu sehen, dass auf „The Seance Tapes“ das alte Material wunderbar zu den neueren Stücken passt und dass alles nach so vielen Jahren immer noch so gut klingt.

eclipsed: Du hattest bisher sechs Studioalben veröffentlicht und auf „The Seance Tapes“ sind genau zwei Stücke von jedem Album drauf. Zeigt das deinen Sinn für Harmonie und Gleichberechtigung?

Simões: Es war wirklich schwer für mich, die Setlist auf dem Album zusammenzustellen. Sachen wie „I Am Utopia“, „Mindrama“ oder „A Burnt Offering“ waren klar, aber bei anderen Stücken musste ich dann doch überlegen. Da standen einige in Konkurrenz zueinander. Irgendwann war mir dann klar, dass ich genau zwei Stücke von jedem Album haben wollte. Das ergibt für mich einfach mathematisch und magisch einen perfekten Sinn. Und das ist dann wohl tatsächlich der Ausdruck meines Wunsches nach Harmonie und Balance. 

eclipsed: Bislang war der Saturnia-Sound sanft und hypnotisch. Spiegelt das deinen Charakter wider?

Simões: Ja, das spiegelt mich wider, aber nur einen Teil von mir. Einen philosophischen und intellektuellen Weg, den ich vor vielen Jahren eingeschlagen habe. Ich habe aber auch eine harte Seite und die ist auch auf „The Seance Tapes“ eingefangen. Da rockt es an manchen Stellen doch ganz gehörig. Wie jeder Mensch habe ich auch mehrere Seiten. So ist nun mal das Leben. Du kannst das eine nicht ohne das andere haben.

eclipsed: Wird es mit der Band nun als Trio eine stilistische Veränderung geben?

Simões: Wer weiß? Es gibt immer viele Dinge, die um mich herum schweben und die ich realisieren möchte. Ich versuche, nicht so viel zu planen, sondern die Dinge einfach laufen zu lassen. Alles verändert sich. Ich suche aber nicht gezielt nach Veränderungen. Ich möchte einfach genug kreativen Freiraum lassen, damit sich die Musik ihren Weg auf natürliche Weise suchen kann. Wie das Wasser.

eclipsed: Für Saturnia geht nun also ein neues Kapitel auf. Gute Gelegenheit ein Resümee der vergangenen 20 Jahre zu ziehen.

Simões: Mit elf Jahren habe ich angefangen Musik zu machen. Es ist toll, dass ich das noch immer machen kann. Ich mag nach wie vor alles, was ich bislang erschaffen habe und ich bin zufrieden und dankbar, dass ich so weit als Künstler gekommen bin. Musiker zu sein ist nicht einfach und ich weiß, dass ich auch Glück gehabt habe, all diese Alben veröffentlichen zu können, egal ob mit Saturnia oder anderen Projekten. Du hast recht. Saturnia geht nun in eine neue Phase und „The Seance Tapes“ ist der Anfang davon. Aber diese neue Phase trägt die Vergangenheit in ihrem Herzen. Sie ist kein Bruch mit der Vergangenheit.

eclipsed: Was sind die Highlights deines Backkatalogs? Gibt es Dinge, die du nicht mehr magst?

Simões: Die Highlights sind womöglich die Tracks, die es jetzt neu auf „The Seance Tapes“ geschafft haben. Diese stehen für mich und Saturnia. Wie schon gesagt: Ich mag alle Alben und Songs und bin stolz darauf. Ich würde heute hier und da ein paar Dinge ändern. Aber es ist ungesund über so etwas nachzudenken. All die Musik wurde zu ihrer Zeit auf ehrliche Art mit Inspiration, Hingabe und mit den besten zur Verfügung stehenden Mitteln produziert. Punkt. Ich denke, all das Material hat den Zahn der Zeit überstanden. Und wenn es doch etwas veraltet klingt, dann hat es immer noch Charme, weil ich all meine Leidenschaft da rein gesteckt habe.

*** Interview: Bernd Sievers