THE SHAKING SENSATIONS - Ohne Musik geht es nicht

THE SHAKING SENSATIONS - Ohne Musik geht es nicht

Sie waren ausgebrannt, leer, ziellos. Nach dem zweiten Album „Start Stop Worrying“ (2013) war die Motivation weiter Musik zu machen auf dem Nullpunkt angekommen. The Shaking Sensations waren in eine existenzielle Krise geraten. Doch nun legt das Quintett aus Kopenhagen mit „How Are We To Fight The Blight?“ eine neues famoses Postrock-Album vor. Voll mit New Artrock, der sich ganz den instrumentalen Walls Of Sound widmet und dabei Gegensätze wie ruhig-laut, schnell-langsam oder freundlich-düster vereint. Gitarrist Jeppe Nygaard Christensen erläutert eclipsed die Hintergründe.

eclipsed: Wie glücklich seid ihr, dass jetzt doch noch ein neues Album von euch erscheint?

Jeppe Nygaard Christensen: Wir sind sehr glücklich. Vor zwei Jahren haben wir nicht mehr gedacht, dass wir zusammen noch mal ein Album machen würden. Es ist eine große Erleichterung, dass das Album endlich draußen ist. Wir sind stolz darauf, wieder zurückgekommen zu sein und das mit einem Album, das wir für unser bestes und ambitioniertestes bis jetzt halten.  

eclipsed: Was ist mit der Band passiert, nachdem ihr 2013 euer zweites Album veröffentlicht habt?

Christensen: Unsere ersten beiden Alben und all die Touren haben uns ganz schön zugesetzt. Wenn du im Postrock aktiv bist – wie in jedem anderen Nischen-Genre auch – musst du einige Extrarunden drehen, um die Aufmerksamkeit der Leute auf dich zu ziehen. Wir haben uns den Arsch aufgerissen und waren erschöpft. Wir haben Freundschaften fürs Leben geschlossen, einige tolle Erfahrungen gemacht und wir hatten die Chance, Musik die wir lieben, aufzunehmen und zu veröffentlichen. Vielleicht waren wir auch einfach gesättigt. 

eclipsed: Was hat euch dann dazu bewegt, wieder ein Album zu produzieren?

Christensen: 2017 bekamen wir eine Einladung zu einem Festival. Erst dachten wir an einen einmaligen Auftritt. Doch als wir dann wieder zusammen probten, stellten wir schnell fest, dass es ohne gemeinsame Musik nicht geht. Wir waren getrennt für einige Zeit und lernten kennen, wie es außerhalb einer Band läuft. Wir haben das Studium beendet, geheiratet, Kinder bekommen. Wir haben auch festgestellt, dass sich die Welt weiterdreht und sich auf etwas Schlimmes zubewegt. Wir brauchten als Individuen auch ein Ventil, über das wir uns zu all dem Übel äußern können. Wir hatten uns bislang immer über Musik ausgedrückt. Und nun haben wir es wieder mit Musik gemacht. 

eclipsed: Im letzten Sommer habt ihr mit Mads Hantho einen zweiten Drummer offiziell in die Band aufgenommen. Welche Möglichkeiten eröffnen sich euch dadurch?

Christensen: Mads hat schon auf unserem ersten Album „East Of Youth“ 2011 mitgespielt. Über die Jahre wurde klar, dass das gemeinsame Schlagzeugspiel von Christian Wejs Sørensen, unserem ersten Drummer, und Mads zu einen Kernelement von The Shaking Sensations wurde. Das spürt man auch deutlich auf „How Are We To Fight The Blight?“. Dass Mads nun voll zur Band gehört, hat auch den einfachen Grund, dass er ein sehr guter Freund ist. Wir haben kein wirkliches Konzept für zwei Drummer. Am Anfang war Mads eher nur Perkussionist, der hier und da etwas ergänzte. Erst auf „Start Stop Worrying“ haben wir gemerkt, welches Potenzial in zwei Drummern liegt. Wir haben uns auch von anderen Bands mit zwei Drummern inspirieren lassen. Es gibt eine gewisse Freiheit im kreativen Prozess, nicht nur auf zwei Arme und zwei Beine hinter den Kesseln zurückgreifen zu können. 

eclipsed: Eure Version des Postrocks spielt mit den Gegensätzen aus ruhig und laut, schnell und langsam, düstern und freundlich. Geht ihr bewusst so vor?

Christensen: Uns geht es um Emotionen. Wir wollen ihnen Zeit und Raum zur Entfaltung geben. Darum geht es uns als Band, als Individuen und auch als Hörer. Jeder kann zu der Musik seine eigenen Visionen entwickeln. Unsere Musik beinhaltet direkt die Stimmung, in der wir waren, als wir die Musik geschaffen haben. In diesem Sinne ist es ein sehr persönliches Album. Es ist ein sehr intimer Raum, in den wir den Hörer einladen. Es ist uns sehr wichtig Kontraste zu erzeugen, Geschichten zu erzählen und Emotionen zu erzeugen. 

eclipsed: Wie entstehen eure Tracks?

Christensen: Es ist eine Mischung aus Jammen und Komponieren. Normalerweise haben wir einige Ideen, mit denen wir starten. Dazu kommt dann die Stimmung, die im Raum herrscht. Das entwickelt sich alles sehr langsam. An Riffs, Akkorden und Melodien arbeiten wir teilweise sehr lange, ohne dass wir sie in einen bestimmten Zusammenhang stellen. Plötzlich merken wir dann eines Tages, dass das genau die Dinge sind, nach denen wir gesucht haben. Wenn wir jammen, legen wir vorher gern einen Bereich fest, in dem wir uns bewegen. Es ist hilfreich, dabei ein paar Regeln zu haben. Manchmal ist es auch ganz lustig, genau das Gegenteil von dem zu tun, was wir eigentlich vorhatten. So entwickeln die Songs ein Eigenleben. 

eclipsed: Wie würdest du das neue Album mit seinen Vorgängern vergleichen?

Christensen: Wir waren wirklich noch sehr jung, als wir die ersten beiden Alben aufgenommen haben. Wir dachten nicht viel darüber nach. Das kann auch seinen Charme haben. Wir sind jetzt viel bessere Musiker geworden, was man dem Album meiner Meinung nach auch anhört. Die ersten beiden Alben haben wir in einer sorgenfreien und optimistischen Stimmung in sehr kurzer Zeit aufgenommen. Wir haben damals sehr viele Shows gespielt und uns nicht um eine Richtung oder ein Ziel gekümmert. Wir lieben die alten Alben nach wie vor. Sie repräsentieren einen Abschnitt in unserem Leben. Aber das neue Album ist definitiv das ambitionierteste Werk, das wir bisher produziert haben.   

eclipsed: Auf „How Are We To Flight The Blight?“ sinniert ihr nun über den aktuellen Zustand auf diesem Planeten. Was läuft eurer Meinung nach derzeit schief?

Christensen: Aus unserer Sicht befinden wir uns in einer großen Sch***. Wenn wir den Planeten vor dem Sterben durch den Klimawandel oder durch Kriege bewahren wollen, dann müssen wir uns als Individuen weiterentwickeln und selbst als Teil der Lösung betrachten. Unserer Meinung nach trifft die Menschheit falsche Entscheidungen. Aber noch ist es nicht zu spät. Wir können nicht darauf vertrauen, dass die Politiker es schon richten werden. Jeder Einzelne von uns muss Verantwortung übernehmen und sein Verhalten überdenken. Wir tendieren dazu, uns vor der Verantwortung zu drücken. Solange wir das tun, wird der Planet sterben. 

eclipsed: Auf der anderen Seite ist es ein sehr persönliches Album. Wie passt das zusammen?

Christensen: In dieser Welt zu leben, kann ganz schön hart sein. Sieht so die Welt aus, in der deine Kinder geboren werden sollen? Wir müssen unser eigenes Bewusstsein hinterfragen. Macht es einen Unterschied, wenn ich etwas tue? Jeder hat seine eigene Meinung dazu und dieses Album drückt unsere Meinung aus. Es beschreibt, wie wir mit solchen Fragen umgehen. Und wenn dieses Album andere Leute dazu bringt, auch darüber nachzudenken, dann tun manche vielleicht was.

eclipsed: Wie versucht ihr, diese Botschaft mit rein instrumentaler Musik zu vermitteln?

Christensen: Unsere Musik ist auch eine Selbsttherapie. Wir sind eine fünfköpfige Band und wir haben unterschiedliche Meinungen. Darüber diskutieren wir. Und so sind solche Ängste und Frustrationen automatisch Teil unserer Musik. Aber wir diktieren nicht, was der Hörer sich dabei denken soll. Das ist das Schöne an instrumentaler Musik. Außerdem geben die Songtitel, an denen wir übrigens eine Ewigkeit feilen, einen Hinweis. 

eclipsed: Seid ihr nun erwachsen geworden?

Christensen: Wir sind definitiv gereift. Die alten Alben gingen mehr um Nostalgie und darum, erwachsen zu werden. Das neue Album dreht sich um das Hier und Jetzt. Es ist nichts Nostalgisches an „How Are We To Fight The Blight?“.  

*** Interview: Bernd Sievers