SMALLTAPE - Ein neuer Stern am Artrock-Himmel

24. August 2017

Smalltape

Mit seinem zweiten Album „The Ocean“ hat Philipp Nespital unter dem Namen Smalltape eine der besten deutschen Eigenproduktion der letzten Jahre im melancholischen Artrock-Sektor produziert. Seit dem Debüt „Circles“ sind satte sechs Jahre vergangen, in denen sich Nespital, der aus dem mecklenburgischen Neustrelitz stammt, enorm weiterentwickelt hat. Als Ergänzung zu unserem kurzen Heft-Feature gibt es hier ein ausführlicheres Interview mit dem 29-jährigen Multiinstrumentalisten, der auf „The Ocean“ u.a. für Gesang, Keyboards, Piano, Gitarre & Bass sowie Schlagzeug verantwortlich zeichnet.

eclipsed: Philipp, wenn dein Musikstil umschrieben wird, fällt immer wieder ein Name: Steven Wilson. Wie gehst du mit diesem Vergleich um?

Philipp Nespital: Ich selbst würde so etwas natürlich von mir aus nicht tun. Aber Steven Wilson ist auf jeden Fall in meiner musikalischen DNA, denn ich war als Teenie ein riesengroßer Porcupine-Tree-Fan. Derzeit höre ich ihn allerdings gar nicht mehr so häufig. Aber immer wieder mit ihm verglichen zu werden, ist natürlich schon so eine Art Ritterschlag.

eclipsed: Du hast sechs Jahre an „The Ocean“ gewerkelt. Sollte es von Anfang an ein Konzeptalbum werden?

Nespital: Die Komplexität steckt definitiv in den musikalischen Details. Ich bin aber kein Typ, der sich hinsetzt und sagt: „So, jetzt schreibe ich mal ein neues ,The Wall‘. Im Gegenteil: Die Herausforderung ist ja auch, dass jeder Songs auch für sich allein stehen kann. Ein perfekter Song ist mir wichtiger, als den ganz großen Bogen zu spannen. Als sich dann aber auch die textlichen Ideen zusammenfügten, war klar, dass ich den Weg zum Konzeptalbum gehen wollte. Wichtig ist, dass man in den ganzen Jahren immer einen kühlen Kopf behält. Das bedeutet, nicht immer an sich zu zweifeln, aber auch, nicht immer sofort alles toll zu finden, was man so verzapft. Das direkte Feedback, das man bekommt, wenn man z.B. zusammen mit einer Band im Proberaum steht, fällt bei so einem Projekt natürlich weg.

eclipsed: Du spielst einen Großteil der Instrumente selbst, dennoch sind auf „The Ocean“ diverse Gastmusiker zu hören.

Nespital: Ich wollte schon immer mal etwas für ein Streichquartett schreiben, denn das ist schon die hohe Schule des Komponierens. Das hat mich definitiv gereizt. Von daher mussten dafür schon mal neue Leute mit an Bord kommen. Der Saxofonist ist mir empfohlen worden und gleich beim ersten Improvisieren hat er mich so dermaßen umgehauen, dass ich ihn auch sofort aufgenommen habe. Live waren wir ab 2014 zunächst ein Duo, danach wurde immer mehr aufgestockt, aber immer auch mal wieder die Besetzung gewechselt. Ich hoffe aber, dass wir im Kern jetzt zusammenbleiben können und dass wir vielleicht auch das nächste Album in dieser Besetzung angehen können.

eclipsed: Vor allem in Sachen Produktion hast du dich im Vergleich zu „Circles“ enorm weiterentwickelt.

Nespital: Es wäre aber auch schlimm, wenn ich immer noch so wie damals klingen würde, denn seitdem ist bei mir ja einiges passiert. Ohne das Debüt jetzt kleinreden zu wollen: „Circles“ war letztendlich so eine Art „Reinfühlen“ in dieses Genre. In „The Ocean“ steckt nun so viel mehr drin, was man allein an der Zeit sieht, die ich für das gesamte Projekt investiert habe. „Circles“ wurde ja noch innerhalb weniger Monate geschrieben und aufgenommen. Ich höre immer noch verdammt viel Musik, das empfinde ich als sehr wichtig, denn nur so können die Ohren in Sachen Produktion geschult und weiterentwickelt werden.

eclipsed: Nähern wir uns mal der textlichen Seite von „The Ocean“. Etwas flapsig gefragt: Bist du mit Ende 20 schon in der Midlife-Crisis?

Nespital: (lacht) Frag mal meine Mutter! Als die mitbekommen hat, um was es auf dem Album, musste ich mir innerhalb der Familie schon ein paar Fragen anhören. Aber mal im Ernst: In der Midlife-Crises bin ich definitiv noch nicht, aber ich mache mir wirklich viele Gedanken um die Dinge, die um mich herum passieren. Was aber nicht heißen soll, dass auf „The Ocean“ alles autobiografisch wäre.

eclipsed: Das 15-minütige Instrumental „Kaventsmann“ sticht nicht nur aufgrund des deutschen Titels hervor.

Nespital: Viele meiner Songs tragen wie schon angedeutet eine gewissen Melancholie und Schwere in sich. Diese Nummer aber hatte von Anfang an so ein bisschen den Schalk in sich. Und irgendwann meinte dann mein Drummer zu mir: „Mensch, das ist aber mal so ein richtiger Kaventsmann!“ (das Wort bezeichnet in der Seemannssprache auch eine große Welle - d. Verf.)

eclipsed: Skizziere doch einmal deinen musikalischen Werdegang.

Nespital: Als ersten Einfluss muss ich da ganz klar meine Eltern erwähnen, die einen echt coolen Musikgeschmack hatten: Von den Beatles über Dream Theater bis hin zu Tschaikowski waren da einige tolle Sachen dabei. Ich wiederum habe meinen Vater später dann mit Jazz infiziert. Es wurde in meinem Elternhaus viel zusammen Musik gehört und auch darüber geredet, es gab gemeinsame Konzertbesuche. Im Nachhinein kann ich mich da echt glücklich schätzen. Ich hab dann mit vier Jahren angefangen Klavier zu spielen, aber erst der zweite Lehrer hat es dann geschafft, wir wirklich Spaß am Spielen zu vermitteln. Die Schul- und Jugendzeit war dann natürlich unglaublich prägend. Da hab ich so unendlich viele Sachen gehört und entdeckt, das war der Wahnsinn. Damals hab ich auch ziemlich viel Metal gehört, was ich auch heute noch spannend finde.

eclipsed: Wann kam der Jazz dazu?

Nespital: Als Teenie will man ja vor allem möglichst fett abrocken. Ich wollte zu der Zeit auch unbedingt Schlagzeuger werden, weil Mike Portnoy mein großes Idol war. Als ich dann aber mein erstes E.S.T.-Album (Esbjörn Svensson Trio, Svensson verunglückte am 14. Juni beim Tauchen tödlich – d. Verf.) von einem Freund geschenkt bekommen habe, ist mir erstmals bewusst geworden, dass Jazz doch noch mal ein ganz anderer Schnack ist. Mit 16 habe ich dann einen neuen Klavierlehrer bekommen, der mir auch Jazz und Improvisationen näher gebracht hat.

eclipsed: Wer hat dich als Produzent beeinflusst?

Nespital: Ganz klar Steven Wilson. Sein Stil hat mich absolut geprägt.

eclipsed: Was hältst du von „To The Bone“?

Nespital: Da möchte ich mir wirklich noch kein Urteil erlauben. Ich führe als Beispiel immer „Insurgentes“ an, das ich am Anfang ultra-enttäuschend fand. Nach sechs Durchläufen hat es dann aber so richtig „geknallt“ und seitdem ist das Album für mich unerreicht. Deshalb bin ich jetzt noch recht vorsichtig. Ich finde die Entwicklung hin zum Pop aber fast logisch, wenn man sich seine Entwicklung anschaut. Und das er richtig große Pop-Nummern schreiben kann, hat er ja in der Vergangenheit immer wieder schon bewiesen.

eclipsed: In wie fern hat dein Studium bzw. dein derzeitiger Job Einfluss auf Smalltape genommen?

Nespital: Ganz offiziell schimpft sich mein Job „Tonmeister für audiovisuelle Medien“. Ich habe in Potsdam, Babelsberg studiert und arbeite als Tonmeister für Sounddesign und Dialogschnitt im Filmgeschäft. Um klassisches „Sounddesign“ geht es bei „The Ocean“ zwar nicht, aber die Gestaltung von Klängen an sich spielt schon eine sehr wichtige Rolle. Und natürlich haben sich die letzten Jahre da schon auch ausgewirkt, vor allem auf die Produktion.

eclipsed: Einschlägige Prog-Labels konntest du von „The Ocean“ nicht überzeugen?

Nespital: Nein, leider nicht, wenngleich einige mir auch recht ausführliches Feedback gegeben haben. Aber für die war das alles irgendwie noch nicht ausgereift genug. Ich muss zugeben, dass mich das doch ein bisschen zurückgeworfen hat. Aber dann habe ich halt gesagt: „Scheiß drauf, dann mache ich halt alles selbst“. Für die Zukunft würde ich mir natürlich schon eine Zusammenarbeit wünschen. Vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif genug.

eclipsed: Welche Projekte stehen bei dir als nächstes an?

Nespital: Es wäre natürlich ein super-geiles Ding, wenn wir Smalltape auch mal häufiger live präsentieren könnten, aber vermutlich bleibt es da erst mal bei einzelnen Gigs. Ansonsten bin ich gerade mit meiner neuen Progrock-Band Mt. Amber im Studio, um unser Debütalbum aufzunehmen. Da sind mit Bassistin Alexandra Praet und Gitarrist Christopher Zitterbart auch Musiker dabei, die als Gäste auf „The Ocean“ zu hören sind und die mich auch bei Smalltape live unterstützen.

*** Mike Borrink

Mehr Informationen: smalltape.net | www.facebook.com/smalltape