SOUNDS OF NEW SOMA - Der Fluch der Akribik

28. Juni 2022

Sounds Of New Soma

SOUNDS OF NEW SOMA - Der Fluch der Akribik

Auf bislang zehn Alben verfolgten Sounds Of New Soma immer wieder neue Ansätze, um dem Krautrock eine für das 21. Jahrhundert passende, moderne Gestalt zu verleihen. Mit „Musique Bizarre“ gehen sie erneut neue Wege.

2013 taten sich Alexander Djelassi und Dirk Raupach in Krefeld zum Duo Sounds Of New Soma zusammen. Bereits 2014 erschien das Debütalbum „Beyond The Acid Dream“. Mit dem von Dirk Raupach 2012 gegründeten Tonzonen-Label stand auch gleich die bestens geeignete Veröffentlichungsplattform parat. Die Riege der bei Tonzonen unter Vertrag stehenden Bands wuchs stetig an, ebenso der Backkatalog von Sounds Of New Soma. Nun – so dachten sich Djelassi und Raupach – war es Zeit für eine noch engere Zusammenarbeit. „Musique Bizarre“, das elfte Album von Sounds Of New Soma, beginnt noch ganz idyllisch mit Meereswellen und Möwengeschrei. Doch was dann folgt, erklären die beiden im eclipsed-Interview.

eclipsed: Ihr wart also an der See. Wie warʼs? Hat es euch inspiriert?

Dirk Raupach: Sonnig, wenig Wolken, eine angenehme Brise. Vor allem ruhig, denn es war der geheime Treffpunkt mit Clumsy und Jokey, die beim letzten Track des Albums die Vocals beigesteuert haben. Definitiv inspirierend. 

Alexander Djelassi: Ja, es ist immer wieder schön entspannt und erholsam an der See.

eclipsed: Ihr habt schon bei früheren Alben ein Motto oder eine Idee für ein ganzes Album (z.B. nur ein einziger Longtrack bei „Trip“ oder das Thema Rolf-Ulrich Kaiser bei „Nachdenken über Rolf-Ulrich Kaiser“) ausprobiert. Wie seid ihr nun darauf gekommen, mit verschiedenen Musikern, die beim Tonzonen-Label unter Vertrag sind, das Album aufzunehmen?

Raupach: „Trip“ war mein Wunsch gewesen. Ein Track über knapp 45 Minuten Spielzeit. Ich mag so etwas sehr. „Musique Bizarre“ ist nun bereits unser elftes Album. Wir sind stets auf der Suche nach neuen Ideen und Herausforderungen. Das Konzept, dass uns andere Musiker Vorgaben liefern, die wir zu kompletten Songs strukturieren, hatten wir noch nicht. Wer wann wie und vor allem weshalb auf die Idee kam, weiß ich gar nicht mehr genau.

Djelassi: Die Idee zum Album hatten wir, wie so oft, im gemeinsamen Brainstorming entwickelt. Als Gegenpart zur Schönheit auf „La Grande Bellezza“ sollte mit diesem Doppelalbum etwas Bizarres und dennoch Nachvollziehbares folgen. Letztlich soll sich bei jedem Album im besten Fall eine stimmungsvolle Geschichte im Kopf des Hörers entwickeln.

eclipsed: Warum gerade diese Musiker? Habt ihr euch die Musiker ausgesucht? Oder haben sich die Musiker euch ausgesucht?

Raupach: Dass es Musiker vom Label sein sollen, war von vornherein klar. Wir verstehen uns als große homogene „Familie“ bei Tonzonen. Ich hatte die Idee vielen unserer Bands vorgetragen und freigestellt, wer sich beteiligen möchte. Bei manchen hat es leider aus Zeitgründen nicht geklappt, aber es haben sich etliche Musiker beteiligt. Dafür sind wir sehr dankbar.

eclipsed: Wie hat sich die Arbeit gestaltet? Wer hat wem Vorgaben gegeben?

Raupach: Die einzige Vorgabe, die wir den Musikern gegeben haben, war, dass sie völlig frei sind, was sie uns im Endeffekt zur Verfügung stellen. Das war total spannend, was uns dann nach und nach erreichte. Von obskuren Soundfiles bis hin zu halbfertigen Tracks war alles dabei. Eine Mischung aus Free Jazz, orientalischen Klängen, Space Rock und so weiter. Unsere Aufgabe war es, dass Ganze zu einer Einheit, zu einem Album mit Struktur zu formen.

Djelassi: Absolut. Alles war frei und spontan. Keine Vorgaben, was das Format, den Sound, die Struktur oder sonstiges angeht. Das jeweilige Ergebnis haben wir den beteiligten Musikern dann vorab zukommen lassen. Ausnahmslos alle standen hinter dem Konzept und dem, was wir aus und mit ihrem Beitrag gemacht haben.

eclipsed: Was war dabei neu für euch? Habt ihr neue „Erkenntnisse“ gewonnen?

Raupach: Für mich persönlich war das ganze Konzept eine völlig neue Erfahrung. Bei den Songs auf dem Album, die mit anderen Musikern entstanden, haben wir reagieren müssen auf das, was uns zur Verfügung gestellt wurde. Anhören, analysieren, Ideen entwickeln, tüfteln, ausprobieren und ein Konzept entwickeln. Nicht immer einfach, aber stets spannend. 

Djelassi: Für mich war der Umgang mit den verschiedenen Formaten und Tonqualitäten eine riesige Herausforderung. Ebenso wie die Arbeit mit Basistracks, bei denen schon gewisse Strukturen durch die Künstler vorgegeben waren. Manches hat sich ganz natürlich ergeben, aber Dirk musste mich auch ein ums andere Mal in eine bestimmte Richtung dirigieren. Eine insgesamt runde und harmonische Sache daraus entstehen zu lassen, war nicht einfach. Ich nenne es immer „Fluch der Akribik“. Ohne Dirk würde ich wohl endlos weiter tüfteln und optimieren.

Raupach: Das ist sein Hang zum Perfektionismus. Der ist genauso ausgeprägt wie zu obskuren Sounds. 

eclipsed: Wie groß war letztendlich der Einfluss der anderen Musiker auf das Endresultat?

Raupach: Das ist ganz unterschiedlich. Bei „Waidmann“ und „Berlin Marrakesch“ haben uns die Musiker Soundschnipsel zur Verfügung gestellt, mit denen wir arbeiten konnten. Wir haben ein Gerüst um die Files erstellt und schließlich einen Track entstehen lassen. Bei Songs wie „Gökotta“ (Moop) oder „Balkenspirale“ (The Spacelords) hört man klar den Einfluss der jeweiligen Band. Hier wurden uns bereits große Teile von einem Ganzen von den Bands eingespielt. Wir haben die Vorgaben dann ausgearbeitet und zu einem kompletten Song geformt.

Djelassi: Genau. Der Einfluss ist sicherlich hörbar und das soll er auch sein. Dennoch haben wir es geschafft, alles in unseren SONS-Kosmos zu integrieren und etwas komplett Eigenständiges daraus zu machen.

eclipsed: Meiner Meinung nach bietet das neue Album noch mehr Effekte und Gimmicks als sonst. Seht ihr das auch so? Bestand da nicht die Gefahr, dass die Musik selbst darunter leidet?

Raupach: Es ist ein sehr abwechslungsreiches Album geworden, welches mit verschiedenen Genres spielt. Das liegt natürlich auch an den Musikern, die unterschiedliche Ausrichtungen in ihrem Sound haben. Sicher besteht bei so einem Konzept die Gefahr, dass das Ergebnis uneinheitlich wirkt. Das denke ich bei „Musique Bizarre“ aber keineswegs. Ich glaube, wir haben einen guten Flow ins Album gebracht.

Djelassi: Die Effekte und Spielereien bauen wir ja schon seit dem ersten Album ein. Ich finde, das ist ein wichtiger Teil unseres Sounds. So bleibt es auch nach einigen Durchläufen immer noch spannend. Bei uns gibtʼs immer wieder was Neues zu entdecken, denn je nach Stimmungslage verschieben sich auch die Ebenen der persönlichen akustischen Wahrnehmung ...

Das komplette Interview ist Teil unseres Online-Abos, siehe https://www.eclipsed.de/de/abo