STEVEN WILSON - Pop nonstop

28. Juni 2017

Steven Wilson

Zum Exklusivinterview mit eclipsed kommt Steven Wilson in die Geschäftsräume seines neuen Managements im Londoner Stadtteil Fulham. Nicht nur das Management ist neu, Wilson steht auch neu bei einer Plattenfirma unter Vertrag – beim Majorlabel Caroline. Mehr als zwei Jahre sind vergangen seit der Veröffentlichung seiner letzten Platte „Hand. Cannot. Erase.“. Eine Zeit, in der sich die Welt weitergedreht und Wilson neue Einsichten gewonnen hat. Einsichten, die sich auch auf „To The Bone“ niedergeschlagen haben. Höflich und ausführlich wie eh und je antwortet er. Seine typische Selbstironie blitzt immer wieder auf, etwa als die Managerin darauf hinweist, dass die Gesprächszeit um sei: „Kein Problem, wir sind schon bei der letzten Frage. Aber vielleicht brauche ich noch 20 Minuten, um sie zu beantworten.“

eclipsed: Zwei Songs des neuen Albums behandeln das Thema Terrorismus. Vor zwei Tagen war in Manchester der Anschlag beim Konzert von Ariana Grande. Welche Gedanken kommen dir dabei?

Steven Wilson: Die menschliche Spezies funktioniert nicht mehr. Je weniger die Menschen den Mythos Gott brauchen, umso fundamentalistischer und hasserfüllter wird eine Minderheit. Und diese Minderheit meint, es wäre ihre Mission, die Welt aller anderen zu zerstören. Das ist derselbe Impuls, der Leute im Internet andere diffamieren lässt. In den Sozialen Medien sieht man so viel Hass. Einer der Arbeitstitel für mein neues Album war „Ask Me Nicely“, weil so viele Menschen jeden Anstand verloren haben. Überall Paranoia, Hass, Wut, Furcht, Verwirrung. Die Zivilisation geht den Bach runter.

eclipsed: Wie wusstest du, wie das Album klingen soll?

Wilson: Ich begann mit den Arbeiten am neuen Album Ende 2015, also lange bevor die „Hand. Cannot. Erase“-Tour beendet war. Die zwei vorigen Alben waren tief verwurzelt in der Musik der 70er-Jahre. Jetzt wollte ich mich mehr meinem Songwriting und meiner melodischen Seite widmen. Dieses Album sollte noch viel mehr ein Soloalbum werden. Deswegen spiele ich auch wieder fast alle Gitarren auf dem Album. Ich wollte so viel wie möglich selbst spielen, Gitarre, Bass, Keyboards. Als ich „The Raven“ und „Hand. Cannot. Erase.“ machte, remixte ich die King-Crimson-, Jethro Tull- und Yes-Alben. Jetzt habe ich XTC, Tears For Fears und Simple Minds remixt. Zudem habe ich viel Kate Bush, Talk Talk und Peter Gabriel gehört. All diese Platten sind fantastisch. Das sind elegante, kluge Popalben. Sie haben Songs mit tollen Melodien, tiefsinnige Lyrics, eine tolle Produktion und sind sehr ambitioniert. Ich dachte mir: Solche Platten werden heute kaum noch produziert. Ich möchte gern ein solches Album machen.

eclipsed: Leute, die dich erst durch „The Raven“ kennengelernt haben, werden sicher überrascht sein vom neuen Album.

Wilson: Oh ja. Aber du kannst zwei meiner Alben hören und egal, wie unterschiedlich sie auch sind, sie sind als Steven-Wilson-Alben zu erkennen. Genauso gefällt es mir. Bei Musikern wie Prince, David Bowie oder Neil Young, die ich alle sehr schätze, wusstest du nie, was sie als nächstes tun. Aber du konntest immer Fan von ihnen bleiben. Ein Künstler tut, was er tun muss.

Lest mehr im eclipsed Nr. 192 (07/08-2017).