Der sanfte Schamane - Zum Tod der „menschlichen Rhythmusmaschine“ JAKI LIEBEZEIT

15. Februar 2017

Jaki Liebezeit Can

Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Als am Montag, dem 23. Januar, die Nachricht vom Tode Jaki Liebezeits am Vortag durch die Medien ging, vernahmen viele Deutsche diesen Namen zum ersten Mal. Immerhin, jetzt haben sie ihn überhaupt gehört. Denn der Schlagzeuger und Trommelphilosoph Jaki Liebezeit war nicht weniger als einer der einflussreichsten deutschen Musiker des 20. Jahrhunderts.

Als er Mitte der Sechzigerjahre seine Laufbahn begann, war von seinen späteren Glanztaten noch nicht viel zu ahnen, obgleich er schon damals als Ausnahmetalent galt. Neben Alexander von Schlippenbach, Manfred Schoof, Peter Kowald und Peter Brötzmann gehörte er zu den jungen Wilden, die dem amerikanischen Jazz selbstbewusst einen komplett traditionsbefreiten Jazz europäischer Prägung entgegenschleuderten. Liebezeits Drumkaskaden waren gewaltig, er klang zuweilen wie ein ganzes Trommelorchester. Doch kann man sich freier als frei spielen? Geschweige denn fühlen? Der junge Kölner Schlagzeuger spürte rasch, dass er auf der Welle der ultimativen Befreiung nicht sein Leben lang würde weiterreiten können. Neue Horizonte waren greifbar nah.

Mit Holger Czukay, Irmin Schmidt und Michael Karoli gründete er die Band CAN. Für ihn selbst war das die Antithese zum Jazz. Doch seine Abkehr vom Jazz war ungefähr genauso überzeugend wie die von Frank Zappa. Wovon er sich verabschiedet hatte, war viel mehr die Attitüde des Jazz als dessen expressive Möglichkeiten. Liebezeit blieb ein glänzender Improvisator, der nur eben das Destruktive wie das Elitäre der damaligen Jazzszene abgelegt hatte.

Für CAN war er weit mehr als ein Schlagzeuger. Czukay und andere Weggefährten bezeichneten ihn als menschliche Rhythmusmaschine, und das lange vor dem Drumcomputer. Stoisch hielt er die rhythmische Gerade eines Songs durch, mochte dieser auch noch so lang und die Exkurse seiner Gespielen noch so ausufernd und wild sein. Liebezeit setzte nicht auf gängige Blues- oder Rock’n’Roll-Grooves, er spielte Zyklen, die sich endlos wiederholten. Mit Czukay, der zumindest strukturell eine ähnliche Philosophie auf dem Bass verfolgte, verschmolz er zu einer symbiotischen Einheit. Sein Alleinstellungsmerkmal in der Band war aber die Rolle des Auges im Hurrikan. Mochten die anderen ausschweifen, Jaki Liebezeit hielt die Stellung, präzise und zuverlässig.

Lest mehr im eclipsed Nr. 188 (03-2017).