JEAN-MICHEL JARRE - „Oxygène“ zum Dritten

23. November 2016

Jean-Michel Jarre

Schwebende Synthesizerklänge, ein Moog säuselt und quietscht, und langsam schält sich eine Melodie heraus. Nach rund acht Minuten setzt ein Bass ein und unterbricht die Atmosphäre leichten Weggetretenseins. Währenddessen feuert der Synthi im Hintergrund nervös Klänge ab wie Raketen. Und über allem schwebt eine besänftigende, sich ständig wiederholende Melodie. Ein ätherisch-melodisches Intermezzo leitet schließlich über zu dem, was heute zu den populärsten Elektronikstücken aller Zeiten gehört: „Oxygène 4“. Diese simple Melodie in Kombination mit blubbernden Synthis konnte man sogar in einer Disco spielen – das war neu. Das erste moderne Elektronikalbum war geboren, von Jarre 1976 im Alleingang auf acht Spuren eingespielt mit Instrumenten wie Arp Synthesizer, Mellotron, Farfisaorgel und AKS Synthesizer. Diese Musik hat keine Botschaft, aber sie lädt zum Tagräumen ein.

Auch wenn die wahren Pioniere des Genres Tangerine Dream, Klaus Schulze, Popul Vuh und Vangelis heißen, veränderte „Oxygène 1-6“ die populäre Musik nachhaltig und verkaufte sich bis heute über 15 Millionen Mal.
1996 setzte Jean-Michel Jarre mit „Oxygène 7-13“ dort an, wo er 20 Jahre zuvor aufgehört hatte und widmete das Resultat seinem Lehrmeister Pierre Schaeffer. Mit klassischem Equipment kreierte er in seinem Studio in Croissy-sur-Seinne unter Mithilfe des Keyboarders Francis Rimbert und des Programmierers Christian Sales meditative Variationen seines eigenen Themas. Die sphärischen Klänge kombinierte er streckenweise mit zeitgemäßen Grooves. Zwar ist das Album insgesamt einfallsloser, lebloser und distanzierter als „Oxygène 1-6“, dafür sicherte es Jarre (über die Megakonzerte) wenigstens einen weiteren Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde.

Die sieben Kompositionen auf „Oxygène 3“ sind die Folge einer spontanen Eingebung, die der Tastenaltmeister vor zwei Jahren hatte. Damals schraubte er in Paris an seinem spektakulären „Electronica“-Projekt herum. Irgendetwas an einer Idee, die ihm gerade zugeflogen war, erinnerte ihn an seinen 40 Jahre alten Klassiker, und so beschloss er, sich genau sechs Wochen Zeit zu nehmen, um dessen dritten Teil einzuspielen. Dabei stellte er sich die Frage, wie „Oxygène“ wohl klingen würde, wenn man den Sound von damals mit den Mitteln von heute fortschreiben würde. Die sieben neuen Kompositionen atmen etwas von Natur, aber auch von Architektur. Das sphärische Album wurde in Paris eingespielt, einer der schönsten Städte Europas, mit mehr als 400 Parks und Gärten, aber auch mit einer dunklen, geheimnisvollen Seite. Jarre hat erneut mit bekannten Motiven gearbeitet und prächtige Klanggemälde neben minimalistischen Klangkulissen gemalt, die wieder Leben in die Bude bringen. Überhaupt sind ihm dieses Mal etliche spannungsbildende Elemente eingefallen. Dass er mit „Oxygène 3“ die elektronische Musiksparte um neue Formen und Klänge erweitert hätte, lässt sich indes nicht behaupten.

Lest mehr im eclipsed Nr. 186 (12-2016/01-2017).