TANGERINE DREAM - Phaedra Phierzig Pharewell

24. April 2014

Tangerine Dream

Wien, einer der ersten Frühlingstage nach einem milden Winter. In einem altehrwürdigen Café auf dem Ring sitzt der Mann, der vor vierzig Jahren mit „Phaedra“ die Musikgeschichte auf den Kopf gestellt hat. Die Jahre haben ihre Spuren im Gesicht von Edgar Froese hinterlassen, seine unbändige Lust am Fabulieren, Experimentieren und Provozieren hat jedoch keinen Schaden genommen. Musik war und ist für ihn niemals Selbstzweck. Froese will den Dingen auf den Grund gehen und alles in einen großen Weltzusammenhang stellen. Links und rechts von seinem Tisch palavern Diplomaten und Wirtschaftsmagnaten über die Zukunft Europas, Froese indes lässt den Blick unsentimental in Vergangenheit und Zukunft schweifen, um gut gelaunt über ein großes Abenteuer zu plaudern.

eclipsed: „Phaedra“ ist ein Album, das in jeder Lebenssituation, Umgebung oder Ära neu Form und Gestalt annimmt. Wie entsteht eine solche Platte?

Edgar Froese: Definitiv nicht, indem man am Reißbrett sitzt und plant. Wir taten damals das, was wir auch heute noch tun. Wir bereiten sie handwerklich sehr gut vor. Wir bringen uns in eine möglichst sinnvolle Ausgangsposition, wenn wir wissen, was wir wollen. Dann aber lassen wir all das wieder los.

eclipsed: Was bedeutete das im Fall von „Phaedra“ genau?

Froese: Wir improvisierten und mussten aus den relativ beschränkten Möglichkeiten unserer Geräte so viel wie möglich machen. Wir gingen auf die Bühne, und von 1974 an, als wir erstmals einen Sequenzer von der Firma Moog einsetzten, bis 1978, als wir das letztmals taten, gab es immer das gleiche Prinzip. An der Bühnentreppe hieß es immer E, A oder C. Das war die einzige Absprache. In einer dieser drei Tonarten spielte sich der Quintenzirkel ab, auf dem alles basierte. Den konnten wir auch nicht verlassen, denn manuell konnte man die Intervallketten zwischen drei Leuten nicht einfach interaktiv umswitchen. Alles, was passierte, musste einen Bezug dazu haben, oder man wählte bewusst die Dissonanzen. So entwickelten wir im Rahmen unserer technischen Vorgaben einen ganz eigenen Musikstil.

eclipsed: Stichwort Improvisation. Mit Melodien und Rhythmen zu improvisieren war das eine, aber mit der Zusammenstellung von Geräten zu improvisieren und nur selten zu wissen, ob die Technik überhaupt den Anforderungen standhält, ist eine ganz andere Sache. Gerade „Phaedra“ ist dafür ein gutes Beispiel. Wie habt ihr euch als Individuen überhaupt mit der Technik synchronisiert?

Froese: Um in eine bestimmte Richtung zu gehen, brauchten wir ein Motiv. Ohne Motiv kommt nichts zustande. Einer will Geld verdienen, ein anderer will der beste Gitarrist werden, ein Dritter will so berühmt werden, dass er seinen Eltern ein Haus bauen kann. All das ist okay. Es gibt tausend Motive. Unser Motiv war: Es ist uns scheißegal. Als deutsche Exoten hatten wir auf dem internationalen Markt nichts zu bestellen. Unsere Narrenfreiheit war unendlich. Wir konnten alles machen, und wir haben alles gemacht. Wir hatten die Verabredung, wenn die Synchronisation von drei Leuten in Richtung Abenteuer nicht mehr gegeben ist, hören wir auf. So war es dann 1977 auch.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 160 (Mai 2014).