WUCAN - Retro-Rock mit Romantik und Frauenpower

22. Oktober 2015

Wucan Underground

eclipsed: Erzähl mal kurz den Ursprung der Band.

Francis Tobolsky: Also ich hab die Band mittels einer Anzeige gegründet, als ich vor vier Jahren wegen meines Studiums nach Dresden gezogen bin. In meiner alten Heimatstadt Chemnitz habe ich nicht die Chance gesehen, Gleichgesinnte zu finden. Mein Anspruch war es, klassischen Blues Rock von Free und Rory Gallagher zu machen. Zuerst hat sich dann auf die Anzeige unser Schlagzeuger Axel Pätzold gemeldet und peu à peu kamen dann alle zusammen. Über Tim George an der Gitarre zuletzt dann Patrick Dröge am Bass.

eclipsed: Und wie habt ihr zu diesem speziellen Sound, einem Mix aus klassischem Hard- & Blues-Rock mit Tull‘scher Flöte, Krautrock-Einflüssen und modernem Retro-Rock à la Blues Pills gefunden?

Tobolsky: Ja, dann fing das Songwriting an. Irgendwie ist es ganz von allein gekommen, dass wir diesen, ich sag mal, Old-School-Sound gefahren haben. Ich denke, dass das auch damit zusammenhängt, dass wirklich keiner von uns neue, aktuelle Musik hört. Viele Produktionen sind uns einfach zu sehr auf Hochglanz poliert, vor allem auch im Metal-Bereich, natürlich auch im Pop/Rock. Irgendwie hat uns das nicht gefallen.

eclipsed: Wo hast du gelernt, so toll Flöte zu spielen? Das erinnert einen wirklich an Ian Anderson.

Tobolsky: (lacht) Lustig, dass du das sagst. Da stand nämlich gerade vor ein paar Tagen in einem Metal-Musik-Magazin, das sei die größte Majestätsbeleidigung, was ich da an der Flöte machen würde. Dabei waren Jethro Tull in keiner Sekunde ein Einfluss, aber ich hab halt als Dreizehnjährige mal zwei Jahre klassischen Flötenunterricht genossen. Später hab ich mich mehr auf die Gitarre konzentriert. Aber dann dachte ich mir, dass ich die Flöte doch auch in die Band einbringen könnte.

eclipsed: Woher stammt euer Bandname?

Tobolsky: Wir waren wirklich ganz verzweifelt auf der Suche nach einem Bandnamen. Und der Tim hat mir dann mal ganz unspektakulär einen Musik-Link geschickt. Das war das Musikvideo des Songs „Wucan“ der Psychedelic-Rocker Black Mountain, was übrigens im Chinesischen neben dem Namen für eine chinesische Stadt auch noch „Mittagessen“ bedeutet (lacht). Wir haben das dann als Band gemeinsam entschieden.

eclipsed: Wie seid ihr an euer erstes Album herangegangen?

Tobolsky: Also bei unserer ersten Veröffentlichung, einer EP, waren wir nicht so richtig zufrieden mit dem Sound. Wir wollten dieses Mal dann von vornherein klarstellen, dass das nicht so modern, sondern eben … ja, „muffiger“ klingen sollte. An unseren Musikstil auch angepasst. Zudem haben wir live aufgenommen und uns etwas mehr Zeit für Experimente gelassen, zum Beispiel mit dem Moog-Synthesizer und dem Theremin, das ich spiele.

eclipsed: Wie kam es denn dann zu dem Longtrack „Wandersmann“, der mit deutscher Sprache aus dem Rahmen fällt? Das erinnert mich an romantische Poesie wie einst beim „Leiermann“ aus Franz Schuberts „Winterreise“.

Tobolsky: Du, ja genau. Früher wollte ich mal Literaturwissenschaft studieren. Ich war immer so ein Kulturepochen-Freak, und meine absolute Lieblingszeit war die Romantik und da speziell die sogenannte schwarze Romantik. Vielleicht hat das ja auch Einfluss gehabt.

eclipsed: „Sow The Wind“ hört sich sehr nach frühen Seventies an. Hättest du denn Lust gehabt, damals zu leben?

Tobolsky: (lacht) Das ist schon ’ne schwierige Sache. Irgendwie ist man ja doch an all den Komfort des 21. Jahrhunderts gewöhnt. Zumindest hätte ich dann aber diesen Zeitgeist von damals aus erster Hand erlebt. So kann ich mir das nur von Menschen wie meinen Großeltern, die damals schon gelebt haben, oder Leuten, die in Studentenbewegungen aktiv waren, erzählen lassen.

eclipsed: Junge Leute hören heutzutage häufig eher die Charts, Hip Hop und Elektro. Wie kommst du denn überhaupt zu deinem offensichtlich so reichhaltigen Musikwissen über ältere Musik? Wo kommt diese Liebe her?

Tobolsky: Also die Frage habe ich mir auch schon oft gestellt. Ich hab mich schon von Kindesbeinen an für Musik interessiert. Ich war ganz oft bei meinen Großeltern, und die haben hier in Sachsen einen Oldie-Sender im Radio am Laufen gehabt, von den Sechzigern bis zu den Achtzigern. Ich hab da dann wohl einen bestimmten Klang und Songstrukturen präferiert. Als ich dann mit vierzehn, fünfzehn endlich selbst einen eigenen Internet-Zugang hatte (lacht), konnte ich herumsurfen und war dauernd auf der Suche nach Musik. Man bekommt dann ja immer bei YouTube Links zu anderen Bands und Songs, die einem dann gefallen, und kann sich so immer weiterhangeln.

eclipsed: Schön, dass das Internet auch für solch positive Dinge sorgt. Was sind deine bzw. eure musikalischen Vorbilder?

Tobolsky: Neben dem Blues Rock sind das eben schon viele alte Krautrock-Bands wie Novalis, Hoelderlin und Birth Control, aber auch ostdeutsche Bands wie Renft und Karat.

eclipsed: Wie siehst du denn die aktuelle Retro-Rock-Szene mit Bands wie Siena Root, in deren Vorprogramm ihr ja in den kommenden Monaten spielen werdet, oder gerade auch den Blues Pills, mit denen ihr wahrscheinlich nun verglichen werdet, einfach, weil da genau so eine energetische Frontfrau auf der Bühne steht.

Tobolsky: Hm, schwierige Frage … Ich glaube fast, dass da mittlerweile einige auch in der Presse schon davon genervt sind. Aber für mich klingt ohnehin jede Retro-Rockband anders. Im Metal klingen zum Beispiel viele der Bands viel ähnlicher. Nein, das ist voller musikalischer Vielfalt, das kann mehr in Richtung Blues Rock oder Heavy Metal gehen oder gleich krass psychedelisch sein. Ja, oder auch Garagenrock der späten Sechziger, das sind so viele verschiedene Spielweisen, dass man gar nicht sagen kann, also dieser Retro Rock, das nervt mich ja. Das klingt doch alles so frisch und anders. Ich finde nur, dass bestimmte Bands halt krass promotet werden und das den Leuten dann auf den Nerv gehen kann. Das kann ich mir schon vorstellen, gerade, was so von den großen Labels kommt.

Mehr Informationen:
www.wucan-music.de
www.facebook.com/wucanmusic

Interview: Walter Sehrer