LUNATIC SOUL - Walking On A Flashlight Beam

Kategorie: CD-Reviews | Genre: Ambient, Prog, Artrock | Heft: Jahrgang 2014, eclipsed Nr. 165 / 11-2014 | VÖ-Jahr: 2014 | Wertung: 9/10, Album des Monats | Label: Kscope | Autor: AS


Riverside-Mastermind Mariusz Duda ist ein ähnlich großer Klangvisionär wie Steven Wilson. Während sich sein englischer Kollege die Spielwiese Storm Corrosion erschaffen hat, um mit Opeth-Gitarrist Mikael Åkerfeldt verträumte, bilderreiche Klangkunst zu ersinnen, entflieht der Pole dem härteren Prog seiner Hauptband regelmäßig auf den Schwingen seines wesentlich filigraneren Projekts Lunatic Soul. Dieses geht mit „Walking On A Flashlight Beam“ nun auch schon in die vierte Runde. Hatte Duda seine Möglichkeiten im Lunatic-Soul-Rahmen bislang nur angedeutet (am ehesten noch im selbstbetitelten düsteren Debüt, zu dem er hier einen Bogen schlägt), schöpft er sie nun voll aus. In neun Stücken breitet er eine Klangwelt aus, die ihresgleichen sucht. Der Opener „Shutting Out The Sun“ gibt die neue Richtung vor: Ambient-Kopfkino mit Maschinensounds, mit Klängen, deren Vorlage undefinierbar ist, und mit psychedelischen Elementen. Nach vier Minuten schälen sich aus den wabernden Tonschlieren, die an Nebel und Zwielicht denken lassen, schließlich Songstrukturen heraus. Die düstere Stimmung hellt sich mit dem nachfolgenden „Cold“ ein wenig auf. Bestechend ist hier die Kombination aus Vocoder-Klängen (Kraftwerk lassen grüßen), Sequenzer (ein herrlich perlendes Motiv) und Depeche-Mode-Touch, die sich zu einer mitreißenden Trance-Nummer auswächst. Im weltmusikalisch angehauchten „Gutter“ setzt Duda dann erstmals einen Link zu Riverside – mit seinem unverwechselbaren Gesang, vor allem aber mit dem brillanten Tribal- Mittelteil, in dem uns der clevere Bassist wieder mal eine clevere Tieftonfigur serviert, auf der er dann mitreißend soliert. An dieser Stelle sei auch Schlagzeuger Wawrzyniec Dramowicz erwähnt, der wie schon bei den Vorgängeralben für jeden Song die passende rhythmische Begleitung gefunden hat. „The Fear Within“ lässt mit seinen zahlreichen Glockentönen und Klängen anderen metallischen Schlagwerks, asiatischen Motiven und archaischer Rhythmik an fernöstliche Inkarnationen von CAN und Faust denken. Dagegen fühlt man sich von „Treehouse“ mit seinen gängigen Strukturen wie aus einem faszinierenden Traum gerissen. Vielleicht soll das so sein. Denn die letzten drei Stücke, die noch einmal auf fünfundzwanzig Minuten kommen, nähern sich mit komplexeren Rhythmen und rockigerer Attitüde mehr und mehr Riverside an – auch wenn es hier immer noch jede Menge aberwitziger Sounds und Harmonien zu bestaunen gibt. Spätestens mit dieser Einspielung hat sich Mariusz Duda für eine Kooperation mit Steven Wilson empfohlen. Für eine Kooperation auf Augenhöhe.

Top-Track: Cold

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