AVANTASIA - Schwarzromantische Klassenfahrt

27. Februar 2019

Avantasia

AVANTASIA - Schwarzromantische Klassenfahrt

Ursprünglich wollte Tobias Sammet die Zeit nach „Ghostlights“ für ein Soloalbum nutzen. Das führte letztendlich zwar zum nächsten Avantasia-Projekt, Autobiografisches verarbeitete der gebürtige Hesse dennoch auf dem neuen Album „Moonglow“ – verpackt in ein verträumt-düsteres Setting, das der Fantasie von US-Regisseur Tim Burton entsprungen sein könnte.

Neben allerlei bekannten Stimmen erweitern für Avantasias neues Album „Moonglow“ die neuen Akteure Candice Night, Mille Petrozza und Hansi Kürsch den Kosmos des Progmetaloper-Projekts. Trotz der großen Namen rangiert bei Mastermind Tobias Sammet Qualität noch immer klar vor Quantität. Das betont er im Gespräch gleich mehrfach.

eclipsed: Fass bitte die Storyline von „Moonglow“ kurz zusammen. Gab es Inspirationen von außen oder ist alles auf deinem eigenen Mist gewachsen?

Tobias Sammet: Ich habe die Welt natürlich selbst erfunden, aber beeinflusst wurde sie von Bildern aus der Schwarzen Romantik. Ich lese vor allem gerne die viktorianischen Nachfolger der klassischen Schwarzen Romantik – Leute wie Arthur Machen, die Ende des 19. Jahrhunderts okkult angehauchte Horrorgeschichten geschrieben haben. Ich mag diese fantastische, düstere Welt. Ich wollte ein märchenhaftes Umfeld schaffen, wo ich meine Gedanken platzieren und mich selbst ausdrücken konnte. Persönliches in der Musik ist mir wichtig, denn sie funktioniert auch als Therapie. Die Texte basieren auf den Emotionen, Erlebnissen und Gedanken eines Wesens, das in einer Welt geschaffen wird, wo es keinen Platz für sich findet und dem Erwartungsdruck seines Umfelds – der Realität der Schönen und Starken – nicht standhält. Es flüchtet sich in die Dunkelheit und öffnet mit seiner Imagination das Tor zu seiner eigenen Welt. Ich wollte aber keinen Roman schreiben und vertonen, denn dafür braucht man Details und Spannungsbögen, was oft zu Lasten der Poesie und des künstlerischen Anspruchs geht.

eclipsed: Blickt man auf das Avantasia-Line-up, taucht als Konstante neben dir Sascha Paeth auf. Wie hat sich seine Rolle über die Jahre entwickelt?

Sammet: Die hat sich nicht groß verändert. Sascha ist der beste Musiker, den ich je getroffen habe. Viele wissen, dass er gut ist, aber die wenigsten, wie gut tatsächlich. Eric Singer sagte mal: „Wenn er wüsste, wie gut er ist, würde er abheben“. Aber Sascha ist total bodenständig. Er ist ein Freund und jemand, der mich musikalisch blind versteht und weiß, wie ich ticke und wie er Dinge, die mir im Kopf rumgeistern, auf seiner Gitarre perfekt ausdrücken kann. Ich komme ja selbst vom Tasteninstrument, Gitarre ist für diese Art Musik aber natürlich sehr wichtig. Es ist unglaublich wertvoll, so jemanden im Produktionsteam zu haben. Klar ist es mein Album, und Sascha versucht mich glücklich zu machen, bringt sich aber auch selbst ein. Inzwischen bin ich erfahren genug, ihm dabei zu vertrauen, selbst wenn ich es im ersten Impuls anders gemacht hätte. Ich bin so glücklich, Sascha kennengelernt zu haben!

eclipsed: Sascha komponiert für verschiedene Künstler. Könntest du dir vorstellen, für andere zu schreiben?

Sammet: Ich wurde schon ein paar Mal gefragt und nehme das als großes Kompliment. Aber ich möchte kein Auftragskomponist werden. Kreativität ist vielleicht kein endloser Pool. Man sollte verantwortungsvoll mit den Ressourcen umgehen. Außerdem, wenn mich etwas begeistert, will ich es in meinem Eigensinn in letzter Konsequenz nach meinen Vorstellungen gestalten. Bei meiner eigenen Produktion habe ich die volle Kontrolle. Deshalb hege ich in dieser Hinsicht momentan keine Ambitionen. Ausnahmen gäbe es natürlich. Würde [Kiss-Sänger/Gitarrist] Paul Stanley für eine neue Soloplatte mit mir schreiben wollen, stünde ich Gewehr bei Fuß! Aber ich würde es sehr vorsichtig machen. Es gibt tragische Beispiele grandioser Songwriter, die für Plattenfirmen eine Auftragsarbeit nach der anderen abliefern –und dabei ausbrennen. Alles klingt gleich, das Potenzial wird inflationär verschleudert, und Hauptsache am Ende singt [Ex-Journey-Mitglied] Deen Castronovo. (lacht) Jetzt ist mir dieser Name rausgerutscht. Es gibt diese Projekte, bei denen immer die gleichen – tollen! – Leute singen und schreiben, aber weil alles austauschbar ist, hört irgendwann keiner mehr zu. Das finde ich schade.

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