BILL BRUFORD - Zwischen Jazz und Rock, Rationalität und Leidenschaft

BILL BRUFORD - Zwischen Jazz und Rock, Rationalität und Leidenschaft

Wollte man einen Kronzeugen für die Geschichte des britischen Progrock von den späten 1960ern bis in die 2000er-Jahre benennen, wäre dafür wohl niemand besser geeignet als Bill Bruford. Die Liste der Bands, in denen er mitwirkte, liest sich wie ein Who’s who der kreativen Speerspitze des Genres. Mit der 6-CD-Kollektion „Making A Song And Dance“ (BMG/Warner) blickt der Ausnahmemusiker nun auf seine gesamte Laufbahn zurück.

Bill Brufords Wirken bei Yes, King Crimson, U. K., Genesis, Gong und nicht zuletzt in seinen eigenen Bands Bruford und Earthworks summiert sich zu einer erstaunlichen Lebensleistung. Von Anfang an verstand sich der mittlerweile 73-Jährige, der mit nicht ganz 60 Jahren seine Karriere als aktiver Musiker beendete, dabei als Gestalter, was in der retrospektiven Zusammenstellung gut zu erkennen ist – denn ebendies ist das Element, das alle Tracks miteinander verbindet. 

Frühe Einflüsse: Ein junger Jazzdrummer auf der Suche nach sich selbst

Als Bruford seine musikalische Laufbahn begann, hatte er keine Ahnung, welchen Input er einmal leisten würde. Als Jugendlicher bewunderte er Art Blakey: „Ich sah ihn in einer TV-Sendung und konnte spüren, wie er, hinter der Band sitzend, die Energie seiner Solisten filterte. Er hielt die gesamte Kraft der Gruppe in seinen Händen. Ich hatte den Eindruck, die wichtigste Person innerhalb einer Band sei der Drummer. Als junger Musiker ist man von allem Möglichen beeinflusst, nimmt sich hier ein wenig und dort etwas, und daraus entsteht dann eine Art Eintopf. Erst später beginnt man, seine eigene Sprache zu entdecken. Plötzlich merkte ich: Das ist Bill Bruford. In Abhängigkeit vom Kontext, in dem man spielt, verändert man sich unentwegt. Bestimmte Grundsätze und Parameter etablieren sich aber. Von Max Roach lernte ich Klarheit, Ökonomie, Leichtigkeit und ein bestimmtes Maß an Eleganz. Ich mag es nicht, allzu hart auf etwas zu schlagen. Diese Dinge begleiteten mich meine ganze Laufbahn lang.“ 

Vom Jazz zum Rock: Einstieg bei Yes

Mit Max Roach hat Bruford noch zwei weitere Dinge gemein: Wann, was und mit wem Roach auch spielte, er war stets zugleich Geschichtenerzähler und eine Art Bildhauer, und auch Bruford erzählt auf dem Schlagzeug Geschichten und formt Skulpturen. 1968 landete der junge Jazzdrummer aufgrund einer von ihm aufgegebenen Annonce im „Melody Maker“ bei der Rockband Mabel Greer’s Toyshop, die sich kurz darauf in Yes umbenennen sollte: „Mir war bewusst, dass ich die Musik beeinflussen wollte, ich hatte aber von Rock überhaupt keine Ahnung, die britische Beatszene war mir völlig fremd. Ich wollte auch in einer Rockband ein Jazzdrummer bleiben. Viele Leute irritierte das, weil ich permanent alles veränderte. Aber ich konnte meine Einflüsse, wie Roach und Blakey, nicht verleugnen.“ 

Von unbedingten Zuordnungen hat der Multistilist Bruford nie viel gehalten, aber Yes waren definitiv eine der führenden Progressive-Bands. Er selbst ist allerdings zu bescheiden, um seinen Einfluss auf die Entwicklung der Gruppe allzu hoch einzuschätzen: „Mein Anteil lag bei 20 Prozent. Es gab ständig Streit in der Band. Albumtitel wie ‚Fragile‘ oder ‚Close To The Edge‘ kamen zustande, weil wir wirklich am Rande der Auflösung standen. Aber Jon Anderson ermutigte mich, auch Musik zu schreiben. Er sagte, es gebe zwei Arten von Musikern: solche, die die Musik spielen, und jene, die sie komponieren. Für ihn stand der Komponist über dem Interpreten. Daher wollte ich Komponist werden. Ich finde es viel einfacher, selbst zu schreiben, was ich will, als herauszufinden, was ich für andere spielen soll.“

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