BJÖRK - Die Suchende

10. November 2022

Björk

BJÖRK - Die Suchende

Sie hatte sich etwas rar gemacht: Fünf Jahre sind seit Björks letztem Album „Utopia“ vergangen. Jetzt meldet sich Islands Superstar mit „Fossora“ zurück. Hinter dem kryptisch anmutenden Titel verbirgt sich einmal mehr die Intention, etwas ganz anderes, wenn nicht Neues zu machen. Die Künstlerin selbst spricht von „organischem Techno“. Was sie damit meint? eclipsed hat nachgefragt.

Wer je das Vergnügen hatte, sich mit der 1,63-Meter-Frau aus Reykjavik zu unterhalten, weiß: Ihr überhaupt erst einmal gegenüberzusitzen, ist alles andere als einfach. Das zuständige Management praktiziert die hohe Kunst des Blockierens, sagt erst Termine zu und dann kurzfristig wieder ab, erklärt ihre Musik zum Staatsgeheimnis und schert sich wenig um Deadlines. Zum Glück ist die 56-Jährige, wenn man sie tatsächlich trifft, umso auskunftsfreudiger: Sie redet wie ein Wasserfall, lacht viel und gewährt tiefe Einblicke in ihre Welt. 

eclipsed: Verrätst du uns, was es mit dem Titel „Fossora“ – der abgeleitet vom lateinischen Wort „fossa“, „Graben“, für „die Grabende“ steht – auf sich hat? Wonach gräbst oder suchst du?

Björk: Demselben, wonach sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten gesucht haben: Wir waren alle in Quarantäne und haben uns in unseren Löchern verkrochen. Dabei haben wir Wurzeln geschlagen, die tief ins Erdreich vorgedrungen sind. Sprich: Wir sind zu menschlichen Pilzen geworden.

eclipsed: Deshalb auch das Artwork – du als Pilzwesen in einer unterirdischen Märchenwelt?

Björk: Ja, wir haben eine Kulisse entwickelt, die den Eindruck erweckt, dass ich tief unter der Erde bin. Daher auch das dunkle Grün und Rot, weil das Erdfarben sind. Dazu die digitalen Wurzeln, die für die Musik stehen, die ich in dieser Zeit entdeckt habe. Ich muss sagen, dass ich die Pandemie eigentlich als sehr fruchtbar und inspirierend empfunden habe – als Zeit voller Hoffnung auf gravierende Veränderungen, gesellschaftlich und sozial, auf ein engeres Zusammenrücken. Dabei fungiert das Cover als visuelle Kurzform des Albums: Wenn man alles fotografieren könnte, was man da hört, würde man genau diese Bilder erhalten. Ich versuche, den Klang in eine Bildsprache umzusetzen.

eclipsed: Apropos Klang: Das dominierende Instrument auf „Fossora“ ist eine Bassklarinette, die du etwa so einsetzt, wie es Public Enemy tun würden … 

Björk: Ganz genau. (lacht) Es war ein großer Spaß, damit herumzuspielen. Wobei ich ähnlich vorgegangen bin wie im Fall der Bläser auf „Volta“ [2007] oder der Flöten auf „Utopia“ [2017]: Ich habe versucht, viele verschiedene Dinge zu machen, um einen ruhigen, einen betont fröhlichen und einen extrem traurigen Song zu erschaffen. „Atopos“ war der schnellste und rhythmischste Track. Dann habe ich noch das melancholische „Victimhood“ hinzugefügt und ein paar Up-Tempo-Nummern wie „Fungal City“. Ich war also ziemlich begeistert von diesem neuen Spielzeug und habe geschaut, wie weit ich damit gehen kann. Es war eine spannende, experimentelle Phase, und nach und nach habe ich erkannt, welche Farben sich damit erzeugen lassen.

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