Bevor Bob Seger mit „Live Bullet“ die Welt eroberte, suchte er jahrelang nach der richtigen Band und kämpfte mit den Widrigkeiten der Musikindustrie. Im folgenden leuchten wir Segers Zeit bis 1975 aus und geben einen Überblick über sein gesamtes Schaffen in unserem Einkaufszettel.
Anfang 1975 steht Bob Segers Karriere auf der Kippe. Das Plattenlabel Reprise/Warner hat soeben „Beautiful Loser“ abgelehnt, das Nachfolgealbum des famosen, im Jahr zuvor veröffentlichten „Seven“, und den Vertrag mit dem Musiker beendet. Seger und sein Manager und Co-Produzent Edward „Punch“ Andrews sind pleite, und keiner von beiden weiß, wie es weitergehen wird. Andrews muss irgendwie 1000 Dollar auftreiben, um „Beautiful Loser“ wenigstens neu abmischen und Freunden bei Capitol, Segers Label bis 1971, vorspielen zu können. Nach zehn gemeinsamen, meist nicht übermäßig erfolgreichen, oft aufreibenden Jahren im Musikbusiness scheint das Ende der Fahnenstange erreicht.
Dabei war Segers Karriere durchaus hoffnungsvoll und vor allem früh gestartet: Mit 16 nimmt er mit seiner Band The Decibels „The Lonely One“ auf, einen Song, der im Radio seiner Heimatstadt Ann Arbor laufen wird und das Interesse von Del Shannon weckt. Die Aufnahme entsteht nämlich im Haus von Max Crook, der zuvor zusammen mit Shannon den Welthit „Runaway“ geschrieben hat.
Shannon finanziert spätere Studioaufnahmen Segers und bringt ihn 1964 mit Doug Brown zusammen, der in der Folge Segers Singles produziert. Im selben Jahr trifft Seger seinen zukünftigen Manager Punch Andrews, gründet seine Band Bob Seger And The Last Heard – mit Schlagzeuger Pep Perrine und Bassist Dan Honaker – und hat mit der Single „East Side Story“, die sich allein in Detroit über 50.000 Mal verkauft, einen ersten echten Hit. Ein Jahr und einige Singles später toppt das wilde, groovende „Heavy Music“ diese Zahl noch und verhilft Seger beinahe zum nationalen Durchbruch. Doch Cameo-Parkway, sein New Yorker Label, geht pleite und kann die Nachfrage nicht abdecken. Immerhin weckt der Song aber die Aufmerksamkeit großer Plattenlabels: Capitol signalisiert Interesse, ebenso Motown. Seger wäre der erste weiße Künstler in dessen Repertoire, und das Angebot ist besser dotiert. Doch sein Manager Andrews befürchtet, er könnte zwischen den Temptations, den Supremes und Stevie Wonder untergehen, und gibt Capitol den Zuschlag.
»Ramblin’ Gamblin’ Man«
1968 wird Segers Band auf Wunsch des neuen Labels in (The) Bob Seger System umbenannt, im Januar erscheint ihre Single „2+2=?“. Es ist ein Antikriegssong, der das militärische Engagement der USA in Vietnam anprangert und in Detroit durch die Decke geht, andernorts aber kaum Beachtung findet, weil Capitol angesichts der Botschaft auf stärkere Promotion verzichtet, um die (noch) allgemein patriotische Stimmung im Land nicht zu untergraben. Ein Jahr später folgt Segers erstes Album „Ramblin’ Gamblin’ Man“, eine breite Mischung aus Blues, explosivem Rock’n’Roll Michiganer Prägung und bewusstseinserweiternden Ausflügen in die Hippiewelt, die Platz 62 der US-Billboard-Charts erklimmt. Der Titeltrack steigt bereits Monate zuvor auf Platz 17 der Singlecharts und verschafft Seger endlich landesweit Gehör – ein Achtungserfolg, der die Erwartungen an ihn bei Capitol in den Folgejahren signifikant erhöhen wird...