BRIAN MAY & QUEEN „Würde er noch leben, würden wir weiter Musik machen.“

5. September 2021

Queen Brian May

BRIAN MAY & QUEEN „Würde er noch leben, würden wir weiter Musik machen.“

Am 24. November jährt sich der Todestag Freddie Mercurys zum 30. Mal, am 5. September wäre der Queen-Sänger 75 Jahre alt geworden. Bereits am 6. August wurde das Album „Back To The Light“ seines Ex-Bandkollegen Brian May wiederveröffentlicht, mit dem dieser 1992 den Verlust des Freundes und das dadurch bedingte Ende der Gruppe verarbeitete. Im Interview sprach er über seine damalige Krise, die bis heute anhaltende Präsenz Mercurys und die moderne Mediengesellschaft.

Der Mann auf dem Bildschirm wirkt müde – was allerdings nichts mit seinem 74. Geburtstag am Vortag zu tun hat, sondern mit dem Hochwasser in der britischen Hauptstadt: Der Keller und erste Stock seines Hauses in Kensington wurden geflutet, und neben Instrumenten, Verstärkern und Erinnerungsstücken fielen auch viele Fotos aus seiner Kindheit und den frühen Queen-Jahren dem Wasser zum Opfer. „Es ist eine Tragödie“, so der Doktor der Astrophysik, der inzwischen auch die passende Haarpracht zu seinem akademischen Grad hat: eine flockige weiße Matte in Stufenform, die an die gepuderten Perücken der britischen Jurisdiktion erinnert. 

eclipsed: Fragst du dich manchmal, wie Freddie heute, mit 75, wäre? Und wie Queen klingen würden, wenn ihr mit ihm hättet weitermachen können?

Brian May: Das habe ich ständig im Kopf, und Freddie ist immer noch bei mir. Es gibt wirklich keinen Tag, an dem ich nicht an ihn denke. Und ich bin mir sicher: Würde er noch leben, würden wir weiter Musik machen und auch sehr erfolgreich sein. Außerdem denke ich, dass Freddie uns nach wie vor überraschen würde. Er würde garantiert immer noch Sachen machen, die völlig aus dem Rahmen fallen und trotzdem toll sind. Insofern ist es fast ironisch, dass wir erst durch seinen Tod in der Lage waren, ein paar Dinge zu tun, die andernfalls unmöglich gewesen wäre, wie das Musical: „We Will Rock You“ ist eine Hommage an Freddie, und wäre er noch hier, wären wir kaum auf die Idee gekommen, das in Angriff zu nehmen. Dasselbe gilt für den Film „Bohemian Rhapsody“. Insofern denke ich, man kann sagen, wir haben unser Bestes getan, um die Sache am Laufen zu halten und dafür zu sorgen, dass er ein immer neues Publikum findet. Es fühlt sich bis zum heutigen Tag so an, als wäre Freddie nach wie vor bei uns. Er ist so präsent, dass es kaum auffällt, dass er schon 30 Jahre tot ist. 

eclipsed: Hast du ihn eigentlich je auf seine Homosexualität angesprochen? 

May: Innerhalb der Band war das nie ein Thema. Ich meine, uns war von Anfang an klar, dass er auf Männer stand. Daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. (lacht) Aber wir waren eine Band, ein Team, eine Familie. Wir haben am selben Strang gezogen, um Queen zu einer erfolgreichen Band zu machen. Dem haben wir alles untergeordnet, und es war völlig egal, wer auf wen oder was stand. Es gab kein Drama in der Band, und wir haben unser Privatleben da so gut wie möglich herausgehalten. Wenn wir zusammen waren, haben wir uns auf die Band konzentriert. Was jeder einzelne außerhalb dieser Konstellation getan hat, war uns egal. Wir haben einander mit Respekt behandelt und waren immer gute Freunde. Eben eine Einheit, verbunden durch die Musik. 

eclipsed: Warum waren seine sexuellen Präferenzen zu Lebzeiten kein mediales Thema – während es ja heute sehr wichtig scheint, einen Künstler zu „labeln“?

May: Das frage ich mich auch oft: warum das heute wichtiger ist als in den 70ern und 80ern und warum man einen Menschen überhaupt über seine Sexualität definieren muss. Ich denke, einerseits liegt das an der Promikultur, die durch die sozialen Medien ja noch verstärkt wird. Es ist diese Gier nach persönlichen, privaten Informationen über vermeintlich berühmte Menschen – wobei sich der Fan darüber definiert, dass er so viel Intimes über das Objekt seiner Begierde weiß wie kein anderer und ihm oder ihr allein dadurch nahesteht, was natürlich vollkommener Quatsch ist. Andererseits machen es sich die Medien sehr einfach, indem sie Menschen labeln – als „hetero“, „schwul“, „lesbisch“, „transgender“, was auch immer. Sie legen Menschen in Schubladen ab und ordnen ihnen Stereotypen zu, um sie leichter vermarkten zu können. Früher war man da respektvoller: Es waren Künstler, und die waren halt exzentrisch. Ich denke, Freddie wurde nie danach gefragt, ob er schwul oder was auch immer sei – bei Elton, Bowie oder Rob Halford war es ähnlich. Es war einfach kein Thema ...

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