BRUCE HORNSBY - Gratwanderung zwischen Filmmusik, Pop und moderner Klassik

30. April 2019

Bruce Hornsby

BRUCE HORNSBY unternimmt eine Gratwanderung zwischen Filmmusik, Pop und moderner Klassik

Seit seinen Millionensellern „The Way It Is“ (1986) und „Scenes From The Southside“ (1988) hat sich der Sänger und Pianist Bruce Hornsby zu einem musikalischen Chamäleon entwickelt. Neben einem anderthalbjährigen Gastspiel bei Grateful Dead brachte der Mann aus Williamsburg in Virginia seit den Neunzigern Americana-, Jazz- und Bluegrassplatten heraus. Sein jüngstes Werk „Absolute Zero“ basiert großteils auf sogenannten „cues“, kurzen, funktionalen Musikstücken für Filme seines Kumpels Spike Lee, zu dessen Streifen „Clockers“ er 1995 zusammen mit Chaka Khan das Duett „Love Me Still“ beisteuerte. „Mein Einstieg in die Filmwelt“, wie Hornsby sagt. „Seit der Doku ,Kobe Doin’ Work‘ habe ich für sechs Filme von Spike die Musik geschrieben, zuletzt für seine Netflix-Serie ,She’s Gotta Have It‘.“ Im Gespräch mit eclipsed spannt der 64-Jährige einen Bogen von seinen literarischen Interessen bis hin zur modernen Klassik, die auch sein neues Album „Absolute Zero“ beeinflusst hat.

eclipsed: Hat dir Spike Lee bei den ursprünglichen „cues“ Tipps gegeben, wie sie klingen sollten?

Bruce Hornsby: Nein, nein. Er mag, was ich mache. Er mag es nur nicht, wenn es zu abwegig und dissonant wird. Dann sagt er: „Don’t give me that weird shit!“ (lacht) Die letzten zehn Jahre habe ich etwa 230 Musikstücke für Spike geschrieben, die zwischen einer und fünf Minuten dauerten. Oft habe ich gleich anschließend einen Song daraus gemacht. Drei oder vier Stücke auf dem Album sind allerdings nicht aus „cues“ entstanden. Die Musik habe ich mit Texten verbunden, die oft auf Büchern basieren. Ich bin ein unersättlicher Leser und lese alles, von Thomas Mann über David Foster Wallace und Don DeLillo bis zu Toni Morrison. Abgesehen davon greife ich auch wissenschaftliche Themen auf, wie man an Titeln wie „Fractals“ und „Echolocation“ erkennen kann.

eclipsed: Auf dem Album sind einige bekannte Gastmusiker wie Jack DeJohnette und Justin Vernon zu hören. Vernon bzw. Bon Iver ist ja ein großer Fürsprecher deiner Musik und mitverantwortlich dafür, dass bestimmte Fachmagazine sie endlich zu schätzen wissen…

Hornsby: Da ist viel Wahres dran. Wie heißt es doch so schön: „Öffnen sich die Türen, öffnen sich die Ohren“. Wenn du mal im Radio warst, wirst du gerne typisiert – dabei ging es mir nie darum, ein Popstar zu sein. Was ich jetzt mache, hat auch nicht mehr viel mit dem Sound zu tun, den das Massenpublikum von mir kennt. Und das ist gut so! Viele meiner Musikerfreunde klingen nach 30 oder 40 Jahren immer noch wie in dem Moment, als sie angefangen haben.

eclipsed: Auf deinem letzten Livealbum „Solo Concerts“ hast du deine Vorliebe für moderne Komponisten wie Elliott Carter, György Ligeti und Arnold Schönberg demonstriert.

Hornsby: Die meisten Leute hassen ja diese Musik. Und ich kann sie verstehen. (lacht) Alex Ross hat in seinem Buch „The Rest Is Noise“ die moderne Klassik als „dieses obskure Pandämonium am Rande der Kultur“ bezeichnet. Aber genau daran bin ich interessiert, was man zum Beispiel im bitonalen Song „The Blinding Light Of Dreams“ oder in der atonalen Bridge von „Take You There (Misty)“ hört. Ich versuche, nicht nur die weißen, sondern auch die schwarzen Tasten zu verwenden. Denn ich möchte ein chromatisches Leben führen, das ich dann meinem armen, arglosen Publikum aufdränge. (schmunzelt)

Lest mehr im aktuellen Heft ...