CATHERINE RIBEIRO + ALPES - Rock progressif extrémiste

27. Februar 2019

Catherine Ribeiro + Alpes

CATHERINE RIBEIRO + ALPES - Rock progressif extrémiste

Ex-Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon verehrt sie ebenso wie Julian Cope oder der exzentrische französische Mathematiker Cédric Villani. Fakt ist, dass die Musik von Catherine Ribeiro + Alpes niemanden kaltlässt. Wer die Gruppe und ihre sich expressiv gebärdende Frontfrau in den 70ern gehört hat, war von ihrer radikalen Interpretation progressiver Rockmusik entweder abgestoßen oder dieser verfallen. Dazwischen gab es nichts. Ein kleines US-Label hat jetzt drei frühe LPs der Formation neu herausgebracht. Auch wir versuchen gerne, den ewigen Geheimtipp dem Vergessen zu entreißen.

Im Dezember 1999 ist Catherine Ribeiro zu Gast in der Talkshow „Des mots de minuit“ des Senders France 2. Die damals 58-jährige Sängerin stellt dort ihr gerade erschienenes Buch „L’enfance“ vor. Darin schildert sie ihre Kindheit, berichtet von der Lieblosigkeit ihrer Mutter, davon, dass ihre Eltern sie schlugen und einsperrten, und vom Tod des kleinen Bruders. Außer dem Moderator Philippe Lefait ist auch noch die kanadisch-französische Schriftstellerin Nancy Huston anwesend, doch reden tut allein Ribeiro: Mit angestrengtem Blick, hängenden Mundwinkeln und schwerer, tiefer Stimme trägt sie die Last eines harten Lebens zur Schau. Die drei sitzen in einem engen, schmucklosen Studio ohne Publikum. In diese sterile Atmosphäre hinein gibt Catherine Ribeiro ein Chanson zum Besten: „Amsterdam“, Jacques Brels berühmte derbe Hafenszenerie. Begleitet von einem Pianisten zeigt sie, was ihre besondere Gabe ist: sich augenblicklich fallenlassen zu können, um noch die tiefsten Emotionen, die ein Lied ausdrückt, aus sich selbst zu schöpfen und dem Zuhörer entgegenzuschleudern. Huston und Lefait wirken neben der entfesselten Ribeiro wie leblos.

Dabei ist ihre Performance im Studio nur eine Andeutung dessen, wie sie in der Zusammenarbeit mit dem Multiinstrumentalisten Patrice Moullet ihr Innerstes nach außen gekehrt hatte. Ihr erstes gemeinsames Album war dreißig Jahre zuvor erschienen, unter dem Namen „Catherine Ribeiro + 2 Bis“. Bis dahin hatte das Pariser Label Barclay vergeblich versucht, die Tochter portugiesischer Einwanderer, die seit Mitte der 60er-Jahre als Sängerin auftrat und eigene Texte schrieb, als Chansonnière beziehungsweise Yéyé-Interpretin zu etablieren. Schon in scheinbar unbeschwerten Stücken wie „Le chasseur“ (1966) kam dabei eine gewisse Melancholie zum Ausdruck, wie sie zur selben Zeit die Lieder der Labelkollegin Dalida oder der deutschen Sängerin Alexandra auszeichnete. Auch Anklänge an Brel, Édith Piaf und Léo Ferré lassen sich aus ihren frühen Singles heraushören.

Als junge Frau spielte Ribeiro in Filmen von Jean-Luc Godard und Mario Costa mit. 1962, mit 20 Jahren, traf sie während der Dreharbeiten zu Godards „Die Karabinieri“ auf den 16-jährigen Patrice Moullet, der damals den Künstlernamen Albert Juross verwendete. Zwischen den beiden entwickelte sich eine Freundschaft, die rasch zu einer Liebesbeziehung wurde. Die gemeinsame Karriere ließ da noch auf sich warten – und beinahe wäre es gar nicht dazu gekommen.

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