DAVID CROSBY - Geheime Kraftreserven

15. November 2017

David Crosby

„Ich habe viel Zeit verschwendet, indem ich völlig zugedröhnt war. Ich habe aufgehört zu schreiben, saß im Gefängnis und war ein Wrack. Aber seit ich weiß, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt, versuche ich die beste Arbeit abzuliefern, die in mir steckt.“ Damit rührt David Crosby nicht nur die Werbetrommel für sein sechstes Soloalbum, er wähnt sich auf einer regelrechten Mission: Als einer der letzten politischen Singer-Songwriter der USA und Bollwerk gegen das „toupettragende Desaster auf zwei Beinen“, wie er Trump bezeichnet.

Dem stellt er auf „Sky Trails“ Hippieideale wie Liebe und Harmonie entgegen, aber findet auch deutliche Worte gegen Rassismus, den Einfluss multinationaler Konzerne und korrupte Volksvertreter. „Wir haben nur vier Politiker mit Gewissen. Der Rest ist Gesindel, das sich an die Wirtschaft verkauft. Das fing vor langer Zeit an, mit den Eisenbahn- und Ölbaronen. Heute gehört ihnen alles und jeder. Die rufen kurz an und sagen: ‚Wir brauchen einen Krieg. Also macht mal‘. Das passiert dann auch. Diese Typen beherrschen das Land.“

Washington als Mekka von Dummheit und Gier, und Ziel einer musikalischen Anklageschrift in zehn Stücken, die Crosby mit einer Liebeserklärung an seine Frau Jan und einer Hommage an die schwer erkrankte Joni Mitchell würzt. Ihr „Amelia“ von 1976 ist das einzige Cover auf „Sky Trails“ und passt wunderbar zum Vibe eines Albums, das gekonnt zwischen Folk und Jazzrock pendelt und nicht ganz zufällig an Steely Dan erinnert. „Dann haben wir alles richtig gemacht“, lacht der Altmeister. „Der Tod von Walter Becker hat mich umgehauen. Momentan verliere ich jeden Monat jemanden, den ich liebe. Und Steely Dan waren immer meine Lieblingsband neben den Beatles. Ihr Songwriting war der Wahnsinn. Wie sie zu klingen, ist eine wunderbare Sache. Nur spiele ich nicht so gut wie Walter.“

Lest mehr im eclipsed Nr. 195 (11-2017).