DER AUSSENSEITER - Zum Tod von Scott Walker

3. Juni 2019

Scott Walker

DER AUSSENSEITER - Zum Tod von Scott Walker

Scott Walker ist tot. Geht das überhaupt? Ist er nicht eine jener legendären Figuren, wie man sie nur aus der Bibel oder mittelalterlichen Versepen kennt, die nach jedem Tod immer wieder aufstehen? Ein musikalischer Phönix der Neuzeit? Der österreichisch-israelische Schriftsteller Max Brod schrieb, der Tod sei ein vorübergehender Schwächezustand. Auf Scott Walker scheint das in mehr als nur einer Hinsicht zuzutreffen.

Am 9. Januar 1943 als Noel Scott Engel in Hamilton, Ohio, geboren, verbrachte der wandlungsstarke Künstler sein erstes Leben als angehender Teeniestar. Scotty Engel feierte ab 1957 zaghafte Erfolge. Damals war er gerade mal 14. Doch es war ihm nicht genug, als Kopie von Frankie Avalon über die Fernsehbildschirme zu geistern. Kurze Zeit später siedelte er nach Los Angeles über, erlernte ohne fremde Hilfe das Spiel auf der Bassgitarre und heuerte in der Band des gesuchten Studioproduzenten Jack Nitzsche an. Da hätte er sicher sein Auskommen gehabt, doch wollte er auf eigenen Beinen stehen. Mit seinem Schulfreund John Stewart bildete er 1963/64 das Duo The Dalton Brothers, zudem spielte er bei der Instrumentaltruppe The Routers. 1964 gründete Engel mit John Maus (John Walker) die Walker Brothers; später im Jahr holten sie Gary Leeds (Gary Walker) hinzu.

Die Walker Brothers fanden die perfekte Mischung aus Vorgaben der Beatles und US-Vorbildern wie den Everly Brothers oder Burt Bacharach, dessen Songs sie gerne und oft in neue Gewänder hüllten. In Großbritannien schien ihre Melange allerdings besser anzukommen als in den USA, weshalb sie 1965 – auf Zureden von Brian Jones – nach London übersetzten. Dort kannte die Euphorie über die Neuankömmlinge keine Grenzen. Die Walker Brothers schienen das perfekte Popvehikel für die Mittsechziger: hochgradig familienkompatibel und universell einsetzbar. Mit der von Frankie Valli im Jahr zuvor veröffentlichten Nummer „The Sun Ain’t Gonna Shine (Anymore)“ landeten sie 1966 einen weltweiten Hit. Ab sofort jagte ein Megaseller den nächsten. Im Vereinigten Königreich übertraf ihre Popularität sogar die der Fab Four. Scott Walkers Bariton hob sich schon damals auffällig von den Stimmen anderer Popstars ab.

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