Die jungen Indie-Rocker PALE BLUE EYES blicken nostalgisch auf die Achtziger zurück

5. November 2022

Pale Blue Eyes

Die jungen Indie-Rocker PALE BLUE EYES blicken nostalgisch auf die Achtziger zurück

Aus Sheffield und Devon kommt eine junge Indie-Popband mit dem herrlichen Namen Pale Blue Eyes. In ihrer Musik finden sich viele stilistische Merkmale von Bands der Achtziger Jahre. Bands etwa des elektronischen Arms des New Wave, der ja eben zu einem großen Teil einst aus Sheffield, der sogenannten „Steel City“, kam. Das Trio besteht aus dem Paar Matt (Gesang, Gitarre) und Lucy Board (Drums, Synthesizer) sowie dem Bassisten Aubrey Simpson. Viel Autobiographisches haben Matt und Lucy über ihre Herkunft zu erzählen und klären damit zugleich wunderbar über die Hintergründe ihres Debüts „Souvenirs“ auf. Wie sehr ihnen die Musik der Vergangenheit dabei durch schwere persönliche Zeiten geholfen hat, wird deutlich sichtbar.

eclipsed: Wie habt ihr drei denn zusammengefunden?

Lucy Board: Matt und ich haben uns bereits auf dem College kennengelernt und machen seitdem in verschiedenen Formen Musik. Pale Blue Eyes wurden gegründet, als wir Aubrey vor etwa fünf Jahren trafen, als wir alle beim Sea Change Festival arbeiteten. Aubrey machte dort Fotos für das Festival und Matt arbeitete im Drift Record Shop, der das Festival mit veranstaltete. Also waren wir alle in verschiedenen Funktionen dort und kamen ins Gespräch. Matt hatte ein paar Songideen geschrieben und wir gingen an einem Wochenende ins Studio eines Freundes in Devon, um ein paar Demos aufzunehmen. Aubrey war ursprünglich nur mitgekommen, um ein paar Fotos zu machen und im Studio abzuhängen, aber dann hatte der Bassist, den wir gebeten hatten, aus London herzukommen, verschlafen und würde es nie rechtzeitig nach Devon schaffen. Deshalb schlug Aubrey vor, er könnte es mal ausprobieren, da er angefangen hatte, Bass zu spielen. Wir spielten einige Songideen durch, und es hat einfach sofort Klick gemacht. Das war der Anfang von Pale Blue Eyes!

eclipsed: Wie kam es zu dem wunderschönen Bandnamen? Bezieht ihr euch da auf den alten gleichnamigen Velvet Underground Song?

Matt Board: Stimmt! Mein Vater war ein riesiger Velvets-Fan, und der Track wurde immer im Haus gespielt, als ich ein Kind war. Es ist eine nostalgische Reflexion über eine Zeit in meinem Leben, glückliche Zeiten. Für uns klingen die Worte dieses Namens reichhaltig und rufen ein schönes Bild hervor. Als meist übernachdenkliche Menschen wollten wir uns auch nicht noch länger mit dem Bandnamen beschäftigen. Wir hatten bereits so viele Ideen verworfen und dieser kam immer wieder zurück. Es fühlte sich einfach richtig an, und scheint ziemlich gut von der Zunge zu rollen (lacht).

eclipsed: Sheffield als Heimat der britischen elektronischen Musik scheint euch sehr wichtig zu sein. Wie würdet ihr den Einfluss der „Steel City“ beschreiben?

Lucy Board: Ich denke, dass man einfach durch das Aufwachsen an einem Ort von seiner Umgebung und der Kultur dieses Ortes beeinflusst wird. Ich hatte einige erstaunliche Erfahrungen, als ich jünger war, als ich in Veranstaltungsorten wie dem „Boardwalk“ und dem „Grapes“ spielte (beide sind jetzt geschlossen – Anm. d. Verf.) und jede Menge Bands sah, die dort spielten … Ich glaube, sie waren zu dieser Zeit Teil der lokalen Sheffield-Szene. Als ich dann am College in Devon war, fing ich wirklich an, mich über Sheffields Musikgeschichte und die Geburt der alternativen elektronischen Musik dort zu informieren. Es gibt dieses erstaunliche Buch in der College-Bibliothek mit dem Titel „Beats Working For A Living“ von Martin Lilliker, das eine faszinierende Zeit in der Musikgeschichte von Sheffield dokumentiert. Wirklich spannend, etwas über die Ursprünge von Bands wie Cabaret Voltaire, Heaven 17, Clock DVA, The Human League usw. zu erfahren.

eclipsed: „Souvenirs“ klingt als Albumtitel für junge Musiker ziemlich nostalgisch.

Matt Board: Jeder der Tracks ist eine Momentaufnahme, wie eine Erinnerung, fast eine Archivierung der Reise, die wir unternommen haben, egal ob gut, schlecht oder gar hässlich. Der Versuch, aus Situationen, die nicht unbedingt einfach waren, etwas Positives zu machen. Verlust zu verarbeiten, die Freude an einfachen Dingen, gute Zeiten einfach anzunehmen, aber nichts für selbstverständlich zu halten... Ich und Lucy hatten in den letzten fünf Jahren viele ziemlich herausfordernde Erfahrungen, die uns oft die Sprache verschlagen haben. Also waren die Songs eine Möglichkeit, einige der Dinge auszudrücken, mit denen wir uns in diesen Zeiten beschäftigten.

eclipsed: Das Cover zeigt einen Wegweiser: Welche Richtung weist er und warum habt ihr dieses Bild gewählt?

Matt Board: Dieser Wegweiser steht oben an der Straße, wo wir gerade leben. Unser Aufnahmestudio liegt am Fuße des Hügels. Während der Aufnahmen machten wir immer wieder unseren Kopf frei und gingen am Wegweiser vorbei. Wir sind während der Entstehung dieses Albums einfach so oft dort vorbeigegangen, und während des Lockdowns ging Lucy eines Tages einfach mal los, als die Sonne gerade wunderbar unterging, und machte dieses Foto. Es schien ein wirklich geeignetes Bild zu sein.

eclipsed: Wie du schon sagtest, steckt in den Texten so einiges an Autobiografischem, wie das Haus, in dem ihr gewohnt habt, oder ein Studentenwohnheim, das früher eine Kneipe war…

Matt Board: Oh ja, jede Menge autobiografisches Zeugs. „Globe“ handelt tatsächlich von einem Haus, in dem wir früher gewohnt haben, also basieren die Songs größtenteils auf unseren eigenen gelebten Erfahrungen, natürlich mit ein bisschen künstlerischer Freiheit (lacht). Verluste verarbeiten und trotzdem weitermachen, Zyklen im Leben. Veränderungen verstehen und damit umgehen. Trauer, Liebe, der Versuch, in schwierigen Momenten Frieden zu finden und zu akzeptieren. Das Leben hat so seine guten und harten Seiten!

Lucy Board: Die Songs waren für uns auch eine Form des Eskapismus – es gibt immer ein bisschen Nostalgie in ihnen. Manchmal erinnern die Texte an vergangene gute Zeiten, wurden aber tatsächlich in ziemlich harten Zeiten geschrieben. Im Grunde haben uns die Songs hier durch dieses Elend gebracht und waren unser Vehikel für Eskapismus.

eclipsed: Musikalisch hört man viel 80er Musik wie Echo & The Bunnymen, The Cure, Jesus & Mary Chain, New Order, kombiniert mit modernem Shoegaze und Dream Pop. Sind das eure Einflüsse?

Matt Board: Ich liebe all diese Bands. New Order ist riesig. Wir drei haben aber ein ziemlich breites Spektrum an Einflüssen. Von Aubreys Liebe zu Soul, Jazz und Disco bis hin zu Lucys Ursprüngen in der Sheffielder Musikszene mit Synthie-Pop und Elektro. Wir alle lieben es, Musik in jeglicher Form zu konsumieren und sind im Grunde süchtig. Ich arbeite in einem Plattenladen, also bin ich auch ständig von neuer Musik umgeben. Wir lassen uns ständig von Dingen inspirieren, egal ob alte oder neue Musik.

eclipsed: Wie ist die Aufgabenteilung zwischen euch?

Lucy Board: Der Songwriting-Prozess beginnt mit Matt – er hat die Songideen, Melodien und Akkordfolgen und die Texte, aber normalerweise anfangs skizzenhaft, dann gehen wir gemeinsam ins Detail. Ich färbe es mit Drums, Synthesizern und Produktionsideen, und manchmal arbeiten Matt und ich auch zusammen an den Texten. Manchmal beginnt Matt damit, dass er zuerst eine Basslinie schreibt, und manchmal entwickelt Aubrey später den Basspart weiter. Wir haben für das erste Album mit dem in Sheffield ansässigen Produzenten und Mastering-Ingenieur Dean Honer zusammengearbeitet. Er bringt die Tracks mit seinem erstaunlichen Gehör und seinen Fähigkeiten mit üppigen analogen Synthesizern und Produktionstechniken, die wir alle lieben, in eine andere Dimension.

eclipsed: Spielt ihr denn live und kommt auch nach Deutschland?

Lucy Board: Wir sind derzeit in Großbritannien auf unserer bisher längsten Tournee mit Public Service Broadcasting unterwegs und hoffen auf jeden Fall, nächstes Jahr mehr in Europa zu touren. Daumen drücken dafür!

eclipsed: Wie sieht die Zukunft für die Band mit den blassen blauen Augen aus?

Matt Board: Mehr Auftritte, mehr neue Musik und mehr Spaß. Haltet bitte Ausschau nach uns.

* * * Interview: Walter Sehrer