GENESIS - Die Evolution einer Kultband

16. März 2020

Genesis

GENESIS - Die Evolution einer Kultband

Kurz nacheinander feiern in diesen Tagen Steve Hackett (12.2.), Peter Gabriel (13.2.) und Tony Banks (27.3.) ihren 70. Geburtstag, im Oktober folgt Mike Rutherford (2.10.). Gemeinsam mit Phil Collins, gerade 69 geworden, bilden sie die klassische 70er-Jahre-Besetzung von Genesis. Während Hackett und Collins erst später zur Gruppe stießen, lernten sich die anderen drei auf einer Elite-Internatsschule kennen, wo ihnen die Musik einen Freiraum inmitten konservativer Strukturen bot. eclipsed zeichnet die frühen Jahre der Band nach, von den ersten musikalischen Gehversuchen bis zur Veröffentlichung von „Trespass“, ihrem ersten Prog-Album. An diese spannende Zeit erinnern sich Peter Gabriel im „historischen Interview" von 1971 sowie der frühere Roadmanager Richard Macphail. Zudem sprachen wir mit Steve Hackett über seinen runden Geburtstag und sein Wirken bei Genesis.

Es gibt kaum einen Ort, den man sich weniger gut als Brutstätte einer großen Rockband vorstellen kann: Die Charterhouse School, eine Privatschule in Godalming in der Grafschaft Surrey, ist eine traditionsreiche, von konservativen Werten geprägte, elitäre Lehranstalt mit Internat, an der bis in die 1970er-Jahre nur Jungen zugelassen waren. Wer sie besucht, stammt in der Regel aus einem betuchten Elternhaus. Das riesige Schulgebäude und seine Lehrer verströmen 1963/1964, als Gabriel, Banks, Rutherford und Anthony Phillips hier aufeinandertreffen, eine repressive Grundstimmung. Radios sind in vielen Häusern verboten, wichtiger als Musik ist Sport und die Vorbereitung auf die A-Levels. Gabriel und Banks sind ebenso wie Phillips im Haus Girdlestoneites untergebracht. Mike Rutherford aus dem Haus Lockites, den sein Hauslehrer schnell auf dem Kieker hat, weil er als „Revoluzzer“ gilt, freundet sich früh mit Phillips an – der Einzige an der Schule mit einer E-Gitarre und einem Verstärker. Mit ihrer Band, der sie den Namen Anon geben, spielen sie Songs der Rolling Stones nach. Den Part des Sängers übernimmt Richard Macphail, der später Roadmanager von Genesis werden soll (siehe Interview auf Seite xx). Zur gleichen Zeit machen auch Banks und Gabriel gemeinsam Musik. Den anfänglichen „Wettstreit“ der Freunde, wer ans Klavier darf, entscheidet Banks für sich – eine gute Fügung, denn rasch erkennen beide, dass Tony der talentiertere Pianist ist und Peter die bessere Stimme hat.

Anders als die raueren Anon versuchen sich Banks und Gabriel an eigenen Songs und experimentieren viel. Auf keinen Fall wollen sie so klingen wie das Gros der Bands jener Zeit. Gabriels Einflüsse heißen Otis Redding und Nina Simone, Banks liebt die Beach Boys. Im strengen Schulalltag sind die beiden Bands keine Rivalen, sondern Leidensgenossen. Als Phillips und Rutherford mit Anon ein Demoband aufnehmen wollen, fragen sie Banks, ob er für sie Orgel spielt. Dieser sagt zu und bittet seinerseits darum, Gabriel mitbringen zu dürfen, um bei der Gelegenheit auch ihr Stück „She Is Beautiful“ einzuspielen. Bei den Aufnahmen übernimmt dann Gabriel spontan sämtliche Gesangsparts. Rutherford wird später sagen: „Zum Glück sah Ant ein, dass Peter von beiden der bessere Sänger war. Wäre das nicht passiert, hätten wir vielleicht den entscheidenden Moment verpasst.“ Jenen Moment, der zur Gründung von Genesis führen sollte! Doch noch ist es nicht so weit. Zunächst existieren noch die Band Anon, zu der auch noch der Bassist Rivers Job und der Drummer Rob Tyrrell gehören, und die Formation von Banks, Gabriel und dem Schlagzeuger Chris Stewart, die sich für ein Schulkonzert kurzerhand The Garden Wall nennt. Als Jonathan King, Produzent bei Decca Records, zu einem Schultreffen an der Charterhouse School kommt, lassen sie ihm ihr Demoband zukommen. „Jonathan war der einzige Mensch aus dem Musikbusiness, den wir kannten“, erinnert sich Phillips in der Band-Biografie „Chapter & Verse“. Nach Wochen des Wartens lädt King die Jungs schließlich nach London ein. „Ich war absolut hingerissen von Peters Stimme“, äußert er Jahre später. Besonders „She Is Beautiful“ gefällt ihm, was Banks und Gabriel natürlich schmeichelt.

King nimmt die neu formierte Band – Gabriel, Banks, Phillips, Rutherford und Stewart – unter seine Fittiche, gibt ihnen etwas Geld für weitere Demos und vermittelt ihnen den ersten Plattendeal. „Eine Platte aufzunehmen, erschien uns als spektakuläre, aufregende Sache“, erinnert sich Gabriel in einer von Daryl Easlea verfassten Biografie. King ist es dann auch, der der Band den Namen Genesis verpasst, nachdem sein erster Vorschlag „Gabriel’s Angels“ bei ihr keinen Anklang findet. „Wir dachten, dass wir uns besser darauf einlassen sollten, immerhin war er es, der für das Studio bezahlte“, erzählt Gabriel. Doch die neuen Demoaufnahmen lösen nicht gerade euphorische Reaktionen bei King aus. Dennoch verliert er nicht die Geduld und rät den Musikern, auf kurze Stücke zu setzen. So singen Banks und Gabriel aus voller Kehle „The Silent Sun“, wobei Gabriel ganz ungeniert Robin Gibb imitiert. Dem Produzenten gefällt’s, und Genesis dürfen ihre ersten zwei Songs in den Regent Sound Studios aufnehmen. „The Silent Sun“ wird die erste Single (B-Seite: „That’s Me“), einige Monate später folgt mit „A Winter’s Tale“ (B-Seite: „One-Eyed Hound“) die zweite. Erfolgreich sind beide nicht.

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