GÖSTA BERLINGS SAGA - Unter Hochspannung

10. August 2020

Gösta Berlings Saga

GÖSTA BERLINGS SAGA - Unter Hochspannung

„Konkret Musik“ nennt sich das sechste Studioalbum der Instrumentalderwische von Gösta Berlings Saga. Konkret bedeutet das: Die Schweden erschaffen einen noch intensiveren Soundkosmos als zuvor.

Pünktlich zum 20-jährigen Bestehen erweitern Gösta Berlings Saga ihren Kader von vier auf fünf Mitspieler: Auf dem neuen Album der in Stockholm ansässigen Formation ist auch der bereits zuvor bei Liveauftritten der Band in Erscheinung getretene Perkussionist Jesper Skarin zu hören. Was zur Folge hat, dass auf dem sechsten Studiowerk der Brachial-Progger noch mehr Wert auf Rhythmik und Dynamik gelegt wird: Dräuend, irrlichternd, dramatisch, explosiv kommt der Klangkörper daher. Der Introspektion wird selten Raum gegeben, Verschnaufpausen scheinen nicht sonderlich erwünscht zu sein. Doch wenn Ruhe Einzug hält, zeugt sie von einer geradezu magischen Erhabenheit. Bassist Gabriel Tapper fühlt sich und die Musik seiner Truppe „wie in einen Jungbrunnen getaucht“ – und bietet dem Corona-Virus grimmig die Stirn.

eclipsed: Es scheint, dass der Energie- und Rhythmuslevel eine immer entscheidendere Rolle in eurem musikalischen Gesamtkonzept einnimmt. Siehst du das auch so?

Gabriel Tapper: Unbedingt! Je älter wir werden – wir sind zwischen Ende 30 und Anfang 40 –, desto stärker besinnen wir uns auf unsere Punk- und Metal-Backgrounds. Ehe wir Gösta Berlings Saga ins Leben riefen, droschen wir uns durch die Bank in heftigen Undergroundcombos die Seele aus dem Leib. Es scheint, dass wir uns an diese Ära mehr und mehr zurückerinnern. Wir wollen nicht erwachsen werden. (lacht)

eclipsed: Nicht nur die Rhythmik, auch die Elektronik erhält mehr und mehr Raum. Wie kommt das?

Tapper: Tatsächlich haben wir großteils Prog gehört, als wir diese Gruppe ins Leben riefen. Vor allem Klassiker wie die frühen Genesis, Yes, King Crimson. Wir mögen deren Zeug immer noch gerne, aber es beeinflusst uns nicht mehr sonderlich. Seit einiger Zeit genießen wir vollständige künstlerische Freiheit. Wir schließen uns in den eigenen Kokon ein, etwa wenn wir zusammen im Übungsraum stecken, und jammen wild drauflos, ohne Sinn und Verstand, einfach deshalb, weil wir sämtliche kreativen Grenzen ausloten wollen. Wobei wir nach wie vor musikalische Helden haben: Magma etwa, die Cardiacs, Motorpsycho oder Hawkwind. Die stehen aktuell ganz oben auf der Liste unserer Inspirationsquellen, weil sie beziehungsweise ihr Sound originell, unvergleichlich und irrwitzig rasend sind.

eclipsed: Warum nennt sich euer neues Werk „Konkret Musik“?

Tapper: Zunächst muss man wissen, dass die Schreibweise im Schwedischen und im Deutschen identisch ist. Damit heben wir uns bewusst von der Anglophilie ab, nähern uns einem Kraftwerk-Titel wie „Autobahn“ an, der für Sperrigkeit und Außergewöhnlichkeit steht. Außerdem ist der Titel als Hommage an die französische Musique concrète zu verstehen. Die steht für die abstrakte Version von Klassik, für die Gegenposition zur herkömmlichen Kompositionsweise. Alles ist möglich, keine noch so abstruse Idee wird jemals verworfen. Es ist ein Sound unter Hochspannung.

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