GREEN CARNATION - Das Spiel mit Erwartungen

5. Juli 2020

Green Carnation

GREEN CARNATION - Das Spiel mit Erwartungen

Die Karriere von Green Carnation verlief alles andere als stringent. Anno 2020 erleben wir (in Abhängigkeit von der Zählweise) bereits ihre fünfte Inkarnation. Doch die erscheint stabiler denn je. Mit ihrem neuen Album „Leaves Of Yesteryear“ legen die Norweger eine Klammer um ihre Schaffenszeit seit dem Debüt vor 20 Jahren. Außerdem arbeiten sie an der Vollendung eines lange brachliegenden Großprojekts. Gemeinsam mit Sänger Kjetil Nordhus blicken wir in die Vergangenheit und Zukunft der Band.

„Uns fehlte vor allem eine klare Richtung“, erinnert sich Kjetil Nordhus an die Zeit kurz vor Green Carnations Auflösung im Jahr 2006 zurück, als sie gerade das Akustikalbum „The Acoustic Verses“ herausgebracht hatten. „Wir wussten nicht, wie es danach weitergehen sollte. Es klingt ein bisschen bescheuert, aber rückblickend glaube ich, dass wir alle insgeheim meinten, mehr Erfolg zu verdienen, als wir damals erlangt hatten. Wir waren demotiviert.“ Immense Verluste durch ein US-Tour-Desaster lasteten zusätzlich auf den Gemütern. „Zehn, fünfzehn Jahre später können wir sagen: Wir hatten falsche Erwartungen“, resümiert Nordhus: „Du brauchst nicht nur die richtige Motivation, sondern auch die richtige Erwartung. Sonst wirst du ständig enttäuscht.“

Heute arbeitet Nordhus als Fußballkommentator beim Radio und wirkt als Mentor jüngerer Bands; zusätzlich singt er bei den Symphonic-Metallern Tristania. Das Ziel, Green Carnation zum Vollzeitjob zu machen, gebe es nicht mehr, erklärt er. Allein schon deshalb, weil keines der Mitglieder 300 Tage im Jahr über den Planeten touren könne. Aber: „Wir sind extrem ambitioniert, wenn es um unsere Musik geht – darum, ein Album zu veröffentlichen und es live zu präsentieren. Wir wollen keine Kompromisse eingehen. Und wenn das mehr Arbeit bedeutet, wird es das am Ende wert sein. Heute wissen wir sehr viel genauer als damals, was wir wollen. Damals ließen wir uns von unseren Instinkten von Album zu Album treiben, jetzt gehen wir analytischer an die Sache heran.“

Wie klar die Vision der Band für „Leaves Of Yesteryear“ war, zeigt die ungewöhnliche Entscheidung, beim ersten Studioalbum seit 14 Jahren neben drei brandneuen Songs auch auf eine Coverversion sowie die Neuaufnahme eines Tracks vom Debütalbum „Journey To The End Of The Night“ zurückzugreifen – obwohl laut Nordhus noch vier, fünf weitere neue Songs existieren. Er führt aus: „Wir haben ‚My Dark Reflections Of Life And Death‘ und das Black-Sabbath-Cover ‚Solitude‘ ausgewählt, weil sie dem Album etwas hinzufügten, das die anderen Songs ihm nicht geben konnten. Wir wollten eine Brücke schlagen über die 20 Bandjahre seit dem ersten Album. Insofern ergab es Sinn, ein altes Stück so aufzunehmen, wie wir es heute schreiben würden.“

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