IAMTHEMORNING blicken in ihrem neuen Werk „The Bell“ in dunkle Abgründe

3. September 2019

Iamthemorning

IAMTHEMORNING blicken in ihrem neuen Werk „The Bell“ in dunkle Abgründe

Seit 2010 verwirklichen die Chanteuse Marjana Semkina und der Klaviervirtuose Gleb Kolyadin unter dem Namen IAMTHEMORNING ihre Vision von Kammer-Pop. Klassische Einsprengsel und künstlerische Exaltiertheit des russischen Duos erinnern mitunter an eine Tori Amos oder Kate Bush, doch auch moderner Prog und Alternative Rock der Marke Riverside oder Oceansize schimmern durch. Mit „The Bell“ legen die beiden ein fast schmerzhaft intensives Konzeptalbum vor, in dem sie alle ihre Stärken in einem thematisch spannenden Kontext ausspielen.

eclipsed: Der Albumtitel „The Bell“ bezieht sich darauf, dass im viktorianischen Zeitalter infolge der Angst, lebendig begraben zu werden, Särge mit Alarmglocken konstruiert wurden. Worum geht es euch dabei?

Marjana Semkina: Ich bin fasziniert vom Thema menschliche Grausamkeit und wie damit umgegangen wird – natürlich bezogen auf die moderne Gesellschaft. Die Sargglocke aus dem 19. Jahrhundert symbolisiert im Grunde nur, wie man sich in einer ausweglosen Situation Hilfe holt. Auch wenn damals de facto so gut wie niemand tatsächlich gerettet wurde. (Lacht.)

eclipsed: Warum beschäftigst du dich als gebürtige Russin so sehr mit einem kulturellen Phänomen aus der englischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts?

Semkina: Ich habe intensiv die Kunst der viktorianischen Epoche studiert, bin in England umhergereist, habe Bücher zu dieser Zeit gelesen. Das hat das Album stark beeinflusst. Trotz ihrer Morbidität empfinde ich diese Epoche künstlerisch als sehr schön. Das hat sich alles ganz organisch entwickelt, als wir uns ein Konzept für unser neues Album überlegten.

eclipsed: Wofür genau steht das Symbol der Sargglocke?

Semkina: Im Prinzip geht es um das Thema psychische Gesundheit und den offenen Umgang damit. Natürlich behandelt das Album zum großen Teil auch meine eigenen Gefühle. Ich habe das in historische Geschichten gepackt, weil ich es nicht allzu autobiografisch anlegen wollte. Es gibt aber auch heute Menschen, die von fremden Schicksalen und Tragödien zehren. Das Leid anderer Menschen liegt in unserer modernen Gesellschaft ja auf dem virtuellen Präsentierteller – sei es in Social Media oder TV-Shows.

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