KING CRIMSON - Robert Fripp hält Hof in London

19. Juni 2019

King Crimson

KING CRIMSON - Robert Fripp hält Hof in London

Robert Fripp spricht. Das hat er lange nicht mehr getan – zumindest nicht mit der Presse. Doch anlässlich des 50-jährigen Jubiläums seines Lebenswerks King Crimson hat der kauzige Meistergitarrist Medienvertreter aus mehreren Ländern nach London geladen. Zu einer Mischung aus Podiumsdiskussion, Pressekonferenz und Personalityshow, die ganz nach seinen Regeln ablief. eclipsed war mit dabei.

In London ist es an diesem Samstag, den 6. April 2019, kälter als auf dem Festland. Das hat ausnahmsweise nichts mit dem Brexit zu tun, sondern liegt an einem atlantischen Tiefausläufer. Eine gewisse depressive Lethargie ist auf den Straßen der Metropole jedoch allenthalben zu spüren. Ganz anders in einem kleinen Kulturhaus im Stadtteil West End. Robert Fripp hat die heimische und die internationale Presse eingeladen, um sie auf kommende Aktivitäten zum 50-jährigen Jubiläum seiner Band King Crimson einzuschwören. Etwa 25 Pressevertreter aus ganz Europa sind dem Ruf gefolgt. Der Termin kam überraschend, denn bei den kürzlich anberaumten Promotionstagen zur anstehenden Jubiläumstour hatte es das Hirn von King Crimson noch bevorzugt, seine Mitmusiker vorzuschicken.

Es ist nicht etwa so, dass Mr. Fripp wie noch vor einigen Jahren eine Reihe von Einzelinterviews führen will. Er zieht heute den großen Auftritt vor. In plüschigem Ambiente – auf der Bühne stehen zwei wuchtige Ledersessel, daneben ein Rednerpult und ein Mikrofon – dürfen wir also seiner Verkündigung harren. Robert Fripp liebt Pünktlichkeit, Schlag zehn ist es soweit: Eine Seitentür öffnet sich, und der Maestro betritt im blauen Dreiteiler mit weißem Hemd und Krawatte sowie einem blauen Hut, den er kurz darauf abnimmt, die Bühne. Ein paar Floskeln zur Begrüßung, dann kommt er zur Sache. „Ich kenne Ihre persönlichen Ziele für heute nicht, aber ich werde Ihnen meine Ziele erklären.“

Unschuldige Ohren für King Crimson

Die Spannung unter den Anwesenden ist mit Händen zu greifen. Und Fripp genießt es. Es ist ganz allein seine Show. Es geht zwar um King Crimson, aber eigentlich dreht es sich nur um ihn, der sich über anderthalb Jahrzehnte von jeder Art öffentlicher Befragung zurückgehalten hat. Heute soll es zunächst eine kurze Einführung von ihm geben, und dann will er Fragen beantworten. „Ich möchte King Crimson unschuldigen Ohren nahebringen. Damit meine ich ein Publikum, das King Crimson niemals zuvor live gesehen hat. Es geht mir nicht darum, ob sie King Crimson mögen oder nicht. Mich interessiert einzig und allein, ob sie King Crimson sehen, wie sie sind. Frei von dem Schleier vorgeprägter Meinungen über die letzten 49 bis 50 Jahre.“

Der Mann, der sich da vor der versammelten Journaille aufbaut, macht keinen Hehl daraus, dass er eitel ist. Im Gegenteil, er scheint sich in seinem Narzissmus zu suhlen. Doch er weiß auch, dass er klug ist. Es gibt einen Grund, warum er zu diesem Pressetermin gerufen hat und warum er das vierte Jahr in Folge mit der Großformation von King Crimson auf Tour geht. Fripp überlässt nichts dem Zufall. Er kennt seine Gefolgschaft, ein überwiegend männliches Publikum jenseits der 50. Nicht, dass Fripp mit diesen Fans ein Problem hätte, doch er will die Jugend für sich zurückerobern. Seine Hörer sollen King Crimson nicht für das feiern, was sie über all die Jahre waren, sondern alleine für das, was sie heute sind.

Was auf diese Ankündigung folgt, ist ein einzigartiges Schauspiel. Fripp lässt sich in einen 70-minütigen Redeschwall fallen, in dem er die Philosophie seiner Band erläutert, vom Hundertsten ins Tausendste kommt und von dort ins Hunderttausendste. Er genießt jedes seiner Worte, erklärt seine Ausführungen anhand einer fiktiven Tafel, die er an der leeren Wand immer wieder in vier oder mehr Segmente untergliedert, bringt seine Zuhörer mit geistreichem Humor regelmäßig zum Lachen, verrät kleine Anekdoten und richtet gelegentlich auch Fragen an einzelne Anwesende. Einem britischen Journalisten, der als Kenner der Bandgeschichte bekannt ist, überlässt er die Auslassungen über historische Details. Der anwesende KC-Sänger Jakko Jakszyk wird nicht selten um Bestätigung des Gesagten gebeten.

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