Nach dem Tod von Walter Becker sind Steely Dan bekanntermaßen zum Solo-Projekt von Donald Fagen mutiert, und ein neues Album ist von ihm wohl nicht mehr zu erwarten. Dennoch gibt es für Fans von edlem Jazzpop/Jazzrock mit cleveren Texten eine hochklassige Alternative. Denn die vier Mitglieder der kanadischen Band Monkey House (benannt nach einem Roman von Kurt Vonnegut) haben die Musik von Becker und Fagen genau studiert.
So genau, dass man beim Anhören ihres aktuellen Albums „Remember The Audio“ (dem sechsten in ihrer mittlerweile 30-jährigen Karriere) zuweilen meint, dass Steely Dan noch einmal in alter Glorie auferstanden sind. Anlässlich der Veröffentlichung sprachen wir mit Bandleader Don Breithaupt, dessen Vorfahren aus der Nähe von Frankfurt stammten und in den 1840er Jahren nach Nordamerika emigrierten. Dabei gab der Sänger und Keyboarder allerlei Interessantes über die Entstehung des neuen Albums zu Protokoll, äußerte sich aber auch über die textlichen Finessen und darüber, dass viele Profimusiker die Musik mit der Zeit nur noch als Job betrachten –im Gegensatz zu Breithaupt selbst, der immer noch mit voller Begeisterung dabei ist.
eclipsed: Ich hatte eigentlich erwartet, dich in Los Angeles zu erreichen, aber du lebst offenbar seit kurzem wieder in Kanada.
Breithaupt: Ja, ich bin im Juli nach Toronto gezogen. Vorher lebte ich zehn Jahre in L.A., wo ich viel Fernsehmusik machte und mit Leuten wie Jay Graydon [legendärer Session-Gitarrist der Siebzigerjahre; Anm.] Songs schrieb. Die Kernmitglieder von Monkey House waren allerdings immer hier in Toronto, und auch meine Kinder und meine Mutter leben hier, weswegen meine Frau und ich zurückgekehrt sind – es ist schön, wieder zuhause zu sein! Ich liebte L.A., aber zehn Jahre waren genug.
eclipsed: Wie entstand euer neues Album „Remember The Audio“?
Breithaupt: Ein Teil der Platte entstand noch zu Covid-Zeiten. Wir selbst nahmen hier in Toronto auf, während die Gastmusiker ihre Sachen anderswo einspielten: Drew Zingg in San Francisco, Michael Leonhart in New York und Randy Brecker im Umkreis von New York. Lucy Woodward, die die Background Vocals beisteuerte, war dagegen in Amsterdam und schickte mir von dort ihre Gesangsspuren zu. Ich legte allerdings Wert darauf, dass die Kernband und die Bläser im Studio live zusammenspielten – daher wartete ich, bis dies möglich war, denn ich wollte das Album nicht stückchenweise aufnehmen.
eclipsed: Wenn alle zusammenspielen, ist auch die Interaktion viel besser …
Breithaupt: Ja, das ist ein Riesenunterschied. Ich muss auch sagen, dass meine Musiker so gut sind, dass der endgültige Take oft nach zwei oder drei Durchläufen im Kasten ist. Wenn sich alle anschauen und gemeinsam auschecken, wie der Song geht, ist das ein Moment der Entdeckung, den man nicht verschenken möchte. Ich will in den Augen meiner Mitmusiker das Weiße sehen! (lacht)
eclipsed: Jazzmusiker würden dir da sicherlich Recht geben. Sie sind es gewohnt, Stücke in ein oder zwei Takes einzuspielen – und danach geht es qualitativ eher bergab.
Breithaupt: Ja, ab da wird es anders, aber nicht besser. Die Hörer merken das vielleicht nicht, aber auf unseren Aufnahmen gibt es Stellen, wo unser Drummer Mark Kelso etwas spielt, auf das ich dann rhythmisch reagiere. Das kann man nicht faken oder ersetzen.
eclipsed: Wir beide waren eine Zeitlang am Berklee College of Music in Boston. Ich habe dort 2006 an einem „Summer Program“ im Bereich Jazzklavier teilgenommen, du selbst hast dort Jazzkomposition und Arrangement studiert. Wann genau war das?
Breithaupt: Ich fing im Herbst ’83 an. Ich liebte Boston, die Schule und die Lehrer. Damals waren viele inspirierende Leute dort, z.B. Branford Marsalis, Diana Krall, Makoto Ozone, Christopher Hollyday und Donny McCaslin. Das Coole am Berklee College war, dass die Studenten aus der ganzen Welt kamen: aus Australien, Japan, Südafrika und Südamerika.
eclipsed: Wie ging es bei dir nach dem Studium weiter?
Breithaupt: Nun, deutsche Leser wissen vermutlich nicht viel über die Szene in Toronto, aber wir haben hier eine der Top-Musikszenen in Nordamerika. Hier beginnen viele Tourneen, und alle Plattenlabels haben hier ihre kanadischen Hauptbüros. Nur eine Woche, nachdem ich das Berklee College verlassen hatte, hatte ich hier eine Vielzahl von Gigs und musste sogar Anfragen ablehnen, weil so viel los war. Bald darauf kam ich mit dem Marigold Studio in Toronto in Kontakt, wo ich ungefähr zehn Jahre lang arbeitete, und das beinahe in Vollzeit. Ich arrangierte, spielte Keyboards, arbeitete als Toningenieur, Co-Autor, Co-Produzent und Backgroundsänger. Dabei sammelte ich viele Erfahrungen und lernte von Studiobesitzer Rich Dodson die Grundlagen – Rich hatte in den 70ern den Top-5-Hit „Sweet City Woman“ (für die Stampeders; Anm.) geschrieben. Während meiner Zeit im Marigold Studio schrieb ich viele Songs, die ein bisschen zu jazzig für die Leute waren, die uns anheuerten, um ihre Platten zu machen. Als ich ungefähr 20 Songs hatte, dachte ich: „Vielleicht ist das ein separates Projekt, das noch einen Namen braucht und für das ich die Songs aufnehmen muss.“ So entstand das erste Monkey-House-Album („Welcome To The Club“, 1992; Anm.). Wir ergatterten einen Deal bei Aquarius Records, einem großen Label in Toronto, das auch April Wine, Corey Hart und Sass Jordan unter Vertrag hatte. Keith Brown, der damalige Präsident, war ein großer Fan von meinen Sachen, was keine Überraschung war, denn er war ebenfalls ein riesiger Steely-Dan-Fan. (lacht) Wir hatten dann auch einige Hits in Kanada, und unser Name sprach sich herum. Wir bekamen gute Kritiken und Airplay in den USA, und das Album verkaufte sich auch ganz ordentlich.
eclipsed: Eigentlich war das Debüt-Album ja mehr oder weniger ein Solo-Projekt von dir, wobei auch einige Gastmusiker dabei waren.
Breithaupt: Ja, ich hatte damals noch keine Kernband. Außerdem war es in den frühen 90ern üblich, dass man die Drumparts programmierte und Synthesizer-Bass dazu spielte. Wir hatten zwar echte Bläser und eine echte Gitarre, aber den Rest bastelte ich selbst zusammen. Erst seit dem „Headquarters“-Album von 2012 haben wir das nötige Budget für die großen Studios, die man braucht, um solche Alben wie die unseren aufzunehmen. Man kann unsere Songs nicht einfach zuhause einspielen, denn man braucht erstklassige Mikrofone, große Räume und einen echten Flügel – all die Dinge, die es nur in großen Studios gibt. Seit dieser Zeit sind wir bei Alma Records, die eine große Reichweite haben und es uns ermöglicht haben, die letzten vier Alben so aufzunehmen, wie wir uns das vorstellten. Ich hätte die Kosten für die Aufnahmen auch nicht aus eigener Tasche bezahlen können. (lächelt)
eclipsed: Zwischen 2011 und 2016 wurden Monkey House zu einer echten Band. Schlagzeuger Mark Kelso und Bassist Pat Kilbride spielten auf „Headquarters“, während Gitarrist Justin Abedin vor den Aufnahmen zu „Left“ (2016) einstieg, richtig?
Breithaupt: Ja, das ist richtig. Die Aufnahmen zu „Headquarters“ waren so erfreulich gewesen, dass ich offiziell sagte: „Okay, wir vier sind die Band. Und all diejenigen, die noch dazukommen, sind die Gastmusiker.“
eclipsed: Habt ihr eigentlich viele Konzerte gespielt, um eine gemeinsame Chemie zu finden? Oder würdest du sagen, dass Monkey House primär ein Studioprojekt sind?
Breithaupt: Monkey House sind definitiv eher ein Studioprojekt, auch wenn wir gelegentlich live spielen, so wie diesen Sommer in Kanada. Andererseits reicht meine gemeinsame Geschichte mit den drei anderen lange zurück. Ich kenne Mark Kelso schon, seit ich 20 und er 18 war (seit 1982; Anm.) – wir standen zusammen auf vielen Bühnen und waren oft gemeinsam im Studio. Pat und Justin kenne ich ebenfalls schon lange, auch mit ihnen war ich bei vielen Projekten im Jazz- und Popbereich involviert. Wir kamen als Quartett prima miteinander klar, weil wir uns so gut kannten, einen ähnlichen Musikgeschmack hatten und dieselben Insiderwitze teilten ...
Das komplette Interview ist Teil unseres Online-Abos, siehe https://www.eclipsed.de/de/abo