PINK FLOYD - 1968–1972

16. April 2020

Pink Floyd

PINK FLOYD - 1968–1972

Nick Mason unternimmt 2020 eine weitere Tour mit seiner Band Saucerful Of Secrets, die ihn durch rund 50 europäische Städte führen wird. Ein Großteil der Setlist wird aus Pink-Floyd-Stücken der Jahre 1968 bis 1972 bestehen. In diesen fünf Jahren der Neuorientierung nach der Trennung von Syd Barrett vollzog die Gruppe die entscheidenden Schritte einer Entwicklung, die ihr ab 1973 den Superstarstatus einbringen und sie zur Artrockband schlechthin machen sollte.

20 Tage im Januar 1968: 8. Januar: David Gilmour probt zum ersten Mal mit Pink Floyd. 10. Januar: Gilmour nimmt in den Abbey Road Studios erstmals an einer Pink-Floyd-Aufnahmesession teil. 12. Januar: Pink Floyds Konzert in Birmingham ist der erste von insgesamt vier Auftritten, die die Band zu fünft – mit Syd Barrett und Gilmour an der Gitarre – absolviert. 20. Januar: Barrett bestreitet in Hastings sein letztes Konzert mit Pink Floyd. 26. Januar: Die übrigen Pink-Floyd-Mitglieder verzichten darauf, Syd Barrett zum Konzert in Southampton abzuholen. 27. Januar: Die britische Presse vermeldet, dass Gilmour nun offizielles Mitglied der Band sei. So schnell und quasi im laufenden Betrieb war der Ausstieg des Sängers, Gitarristen und Hauptsongschreibers vollzogen. Die Syd-Barrett-Ära bei Pink Floyd war beendet, doch der Schatten seines unfreiwilligen Abgangs sollte für immer über der Band liegen. „The flames are all long gone, but the pain lingers on“, textete Roger Waters 1979 in „Goodbye Blue Sky“ – eine Zeile, die man auch auf das Verhältnis Pink Floyds zu ihrem ehemaligen Mastermind beziehen kann.

Die Musiker waren jung – Gilmour war bei seinem Einstieg in die Band erst 21 Jahre alt und damit nach damaligem britischen Recht gerade volljährig –, sie waren hungrig, wollten erfolgreich sein und träumten vom Starruhm. Obwohl sich das Management in der Folge von der Band trennte und auf die Karte Syd Barrett setzte, war der Blick der Musiker vorwärtsgerichtet. Nick Mason dazu: „Nach Syds Ausstieg gab es bei uns keine Zweifel – was erstaunlich war, da er 90 Prozent des Materials geschrieben hatte.“

Gilmour, der in große Fußstapfen treten musste, hatte mit den Problemen eines Neulings zu kämpfen: „Ich musste alle Stellen, die Syd sang, und seinen Gitarrenstil lernen. Mein Stil und sein Stil waren nicht gerade ähnlich, daher war es schwierig für mich.“ Trotzdem waren alle von seinen Qualitäten überzeugt. Der damalige Manager Peter Jenner erinnerte sich: „Als David zum Vorspielen antrat, sagte jemand: ‚Dave, gib’ uns den Hendrix!‘ Und dann fabrizierte er diese außergewöhnlichen, atemberaubenden Klänge. Er konnte wie Hendrix spielen und auch wie Barrett.“ Rick Wright fügte hinzu: „Mit Syd hatten wir einen unglaublichen Songschreiber verloren, mit David aber einen unglaublichen Gitarristen gewonnen.“
Derweil versuchten Waters und Wright, die Lücke zu füllen, die Barrett als Songschreiber hinterlassen hatte. Ein erster Versuch schlug fehl: Die im April 1968 veröffentlichte Single „It Would Be So Nice“ verpasste den Einstieg in die UK-Charts. Waters: „Niemand hörte sich das an, weil es eine so miserable Single war. Syd als Chef zu ersetzen, ging schon in Ordnung. Aber Syd als Songschreiber war einzigartig.“ Auch Wright musste eingestehen: „Roger und ich versuchten uns im Songschreiben. Wir erkannten, dass wir nicht wie Syd schreiben konnten, und mussten die Richtung ändern.“

„A Saucerful Of Secrets“: Eine Band in einer Metamorphose

Das taten Pink Floyd: Am 28. Juni 1968 wurde „A Saucerful Of Secrets“ veröffentlicht. Es zeigt eine Band während einer Metamorphose. Drei Songs entstammen noch den mit Barrett eingespielten 1967er Aufnahmesessions, bei den anderen vier spielt Gilmour Gitarre. Trotz der Umstände war die Gruppe selbstbewusst. Als der von der EMI eingesetzte Produzent Norman Smith, der auch schon „The Piper At The Gates Of Dawn“ produziert hatte und Tontechniker bei den Beatles gewesen war, den 12-minütigen, experimentellen Titeltrack ablehnte, gab die Band Kontra. Wright: „Wir waren ziemlich arrogante Burschen. Wir sagten ihm, wenn er den Titeltrack nicht produzieren und stattdessen lieber Drei-Minuten-Popsongs haben wolle, könne er verschwinden.“

Die Band stürzte sich in Arbeit, spielte unentwegt Konzerte, suchte nach Innovationen. Da kam ihr der Auftrag, die Musik zum Film „More“ des französischen Regisseurs Barbet Schroeder zu schreiben, gerade recht. Der am 13. Juni 1969 veröffentlichte Soundtrack wurde in kürzester Zeit (in kaum einer Woche Ende Januar/Anfang Februar 1969, was Gilmour als „Fließbandarbeit“ bezeichnete) eingespielt und enthält doch mit „Cymbaline“ einen langjährigen Pink-Floyd-Live-Klassiker. Einfache Songs stehen abstrakten Klanggemälden gegenüber.

„More“ offenbarte zwei Dinge. Erstens: Hatte es 1968 noch so ausgesehen, als ob Wright und Waters gemeinsam die Geschicke der Band in die Hand nehmen würden, erwies sich dies nun als Trugschluss. Etwa die Hälfte der Songs auf „More“ stammt aus Waters’ Feder, die andere Hälfte besteht aus Gemeinschaftskompositionen. Waters war es, der zunehmend die Initiative ergriff und die Band vorwärts trieb. Mason formulierte es so: „Roger war immer in der Lage zu arbeiten und wusste, was zu tun war. Als Syd ging, wurde Roger eben zum Songschreiber. Er tat es einfach.“ Zweitens: War Gilmours Rolle auf „A Saucerful Of Secrets“ noch die eines Außenseiters, gewann er nun an Bedeutung. Alle Gesangsparts auf „More“ wurden von ihm übernommen. Mason bestätigte dies: „David brauchte ungefähr sechs Monate, bis er alle Sachen von Syd draufhatte. Spätestens Anfang 1969 war er voll integriert.“  

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