ROGER WATERS - Tödliche Vergnügungssucht

2. Januar 2023

Roger Waters Pink Floyd

ROGER WATERS - Tödliche Vergnügungssucht

Wenn eines der Soloalben von Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters das Prädikat „Kaufrausch“ verdient, dann das vor 30 Jahren veröffentlichte „Amused To Death“. Nicht nur gelang ihm damit ein klanglich brillantes Werk voller atmosphärischer Stimmen und Klangeffekte auf Augenhöhe mit der Musik seiner einstigen Band. Es ist vor allem ein ambitioniertes, in seinen Aussagen radikal kritisches Konzeptalbum über die moderne Medienwelt, in der der Mensch sich nicht zuletzt durch seinen Hedonismus zunehmend selbst die Existenzgrundlagen entzieht und Krieg wie ein Sportevent aufgezogen wird – Themen, die bis heute so relevant wie brisant sind. Wir beleuchten Waters’ Medienkritik und Antikriegshaltung, auch im Lichte aktueller Entwicklungen, und ordnen das Album im Floyd-Kosmos ein.

Der medial verführte Mensch

„Amused To Death“ war 1992 ein echter Rundumschlag. Nicht nur wetterte der zornige Waters wieder gegen den Krieg und die Verführbarkeit des Menschen. Diesmal hatte er seine Wut in ein gesellschaftskritisches Konzept verpackt, in dem alle angesprochenen sozialen und politischen Themen Unterschlupf fanden, und übte harsche Kritik an den modernen Massenmedien, Sensationsjournalismus sowie religiösem Fundamentalismus. Ein Schimpanse sitzt vor einem TV-Gerät und wird von einem riesigen Auge angeglotzt: Waters’ Visualisierung der Manipulation des Menschen in der Mediengesellschaft ist nach seiner Aussage „ein Symbol für jeden, der die letzten zehn Jahre mit offenem Mund vor den Netzwerk- und Kabelnachrichten gesessen hat“.

Diese stark vereinfachende, aber gerade dadurch effektive Kritik speziell an den visuellen Massenmedien schloss an die Thesen des amerikanischen Medienwissenschaftlers Neil Postman und dessen Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ (1985) an, das Waters damals sehr beeindruckte. Laut Postman droht uns eher die Entwicklung zu einer Gesellschaft, wie Aldous Huxley sie in seinem Roman „Schöne neue Welt“ (1932) beschrieb, als die zu einem Orwell’schen totalitären Überwachungsstaat. (Auf George Orwell hatte sich Waters einst beim Pink-Floyd-Album „Animals“ bezogen.) In Huxleys Dystopie schläfern sich die Menschen mittels der Droge Soma ein. In der modernen Informationsgesellschaft übernimmt laut Postman das Fernsehen diese Aufgabe. Der Medienwissenschaftler prägte den Begriff „Infotainment“ und beklagte die „Infantilisierung“ der Gesellschaft: „Unser Fernsehapparat sichert uns eine ständige Verbindung zur Welt, er tut dies allerdings mit einem durch nichts zu erschütternden Lächeln im Gesicht. Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.“ Waters setzte diesen Ansatz fruchtbar auf seinem Album um – nicht nur, indem er auf dem Cover einen Affen als TV-Zapper präsentierte, sondern indem er die Medienkritik in gehaltvolle Songs verpackte. 

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