RUSH - 40 Jahre „Moving Pictures“ 


3. März 2021

Rush

RUSH - 40 Jahre „Moving Pictures“ 


Wenn von „Moving Pictures“ die Rede ist, sind schnell Superlative bei der Hand: Das meistverkaufte Album von Rush ist es. Das Album, welches dafür sorgte, dass auch Gelegenheitshörer nicht umhinkamen, sich diesem Phänomen zu widmen – vor der heimischen Stereoanlage ebenso wie in den gefüllten Arenen. Das Album, welches den bekanntesten Song der Band enthält und das einzige Album, welches das kanadische Trio live in seiner Gesamtheit aufführte. Aber was steckt hinter den 40 Minuten, die am 12. Februar 1981 das Licht der Plattenregale erblickten? Wir werfen einen Blick auf die Entstehungsgeschichte dieses Meilensteins, präsentieren exklusive Interviews mit Produzent Terry Brown und Artworker Hugh Syme und haben auch ein zeitgenössisches Interview mit Geddy Lee ausgebuddelt.

Eine der spannendsten Aussagen im Zusammenhang mit dem Album stammt von Neil Peart. Sie ist ebenso kurz wie bedeutungsschwer: „Ich denke, mit ‚Moving Pictures‘ wurden Rush eigentlich geboren“, gibt der im letzten Jahr verstorbene Schlagzeuger und Texter in der Dokumentation „Beyond The Lighted Stage“ (2010) zu Protokoll. Da darf zweimal hingehört werden: Eine Band, die zuvor bereits sieben Alben – darunter das ebenfalls in die Klassikerkategorie fallende „2112“ – veröffentlicht hat, soll nun erst, nach sechs Jahren in der „festen“ Besetzung, geboren werden? Es ist ein Statement, das im Kopf bleibt. Und dem Neil die nicht minder aufschlussreichen Worte vorausschickt: „We became us.“ 

Um zu verstehen, worin die Geburt und somit die Identitätsfindung begründet liegt, lohnt es sich, etwas weiter auszuholen: Normalerweise bedarf eine Geburt zweier Elternteile. Im Falle von Rush ist die Mutter der Hardrock, an deren Brust die Musiker in ihrer Anfangszeit hingen. The Who, Cream, Led Zeppelin – das sind nur einige der Namen, die immer wieder fallen. Bereits nach dem selbstbetitelten Debüt (1974) mischte sich jedoch der Vater ein. Sein Name: Progressive Rock. „Wir wollten Sachen schreiben, die heavy und gleichzeitig komplex sind“, so Geddy Lee, und der Frontmann ergänzt, was auch bei kommenden Verschmelzungen und Integrationen von Stilen und Stilmitteln die Grundhaltung der Band kennzeichnen sollte: „Es gab kein ‚Lass uns diese beiden Stile zusammenbringen. Wenn wir das eine Element nehmen und mit dem anderen kombinieren, schaffen wir dadurch etwas Neues‘. Nein. Wir waren nie so auf uns selbst bezogen, und schon gar nicht so kalkulierend. Es war eine organische Reaktion auf das, was wir spielen wollten.“ Es war also keine Rechnung, die aufging, als 1976 mit „2112“ der Durchbruch erfolgte. Sondern ein überwältigendes Echo auf Rushs unbedingten Willen zur freien Entfaltung. Weitergeführt wurde die „Ehe“ mit „A Farewell To Kings“ (1977) und gekrönt von „Hemispheres“ (1978), das für viele den Gipfel in Sachen „Anti-Kommerz“ darstellte. Im eclipsed-Buch „ROCK (Teil 1)“ wird das Album treffend mit den Worten „Mehr Progressive Rock geht nicht“ charakterisiert. Treffend auch dahingehend, dass diese Ehe ihre Grenzen erreicht hatte.

Frischer Wind

Nach dem Ende der „Hemispheres“-Tour gönnte sich die Band eine längere Auszeit. Um anschließend die nächste Ära in der Geschichte einzuleiten. Bei der Entstehung von „Permanent Waves“ sollten dabei zwei Faktoren eine Rolle spielen, welche später auch „Moving Pictures“ wesentlich beeinflussten: Der erste bestand darin, dass frischer Wind in die Ehe geholt wurde, indem man bereitwillig neuen Strömungen Einlass gewährte: Namen wie Talking Heads, The Police oder Ultravox fallen in Interviews, und die bewusste Entscheidung, kürzere, direktere Songs zu komponieren, korrespondierte mit diesen Bands stärker als mit den „Prog-Dinos“, welche ohnehin zu einem Großteil damit beschäftigt waren, sich selbst neu zu (er)finden. Ein bedeutender Zug, mit dem Rush sich einerseits nach allen Seiten hin offen zeigten, andererseits aber auch eine gewisse Art der Unberechenbarkeit aufrechterhielten. Neil Peart dazu: „Die Veränderungen um uns herum in den späten Siebzigern waren ebenfalls wichtig. Wir waren jung und auch Fans genug, um ein Teil davon zu sein und darauf zu antworten, als der Punk zu New Wave wurde.“

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