SHERPA - Kim und die Bombe

20. September 2018

Sherpa Underground

SHERPA - Kim und die Bombe

Die rauen Landschaften der Abruzzen mit ihren Nationalparks und Naturschutzgebieten sind die Heimat der italienischen Psychedelic-Band Sherpa, die nach dem munteren, ja fast fröhlichen Debüt „Tanzlinde“ (2016) nun den düsteren Nachfolger „Tigris & Euphrates“ folgen lässt. Sänger und Gitarrist Matteo Dossena erklärt die Ursachen für den Stimmungswechsel und das Konzept hinter dem neuen Werk.

eclipsed: Das neue Album „Tigris & Euphrates” ist deutlich düsterer als noch der Vorgänger „Tanzlinde“. Was hat euch dazu bewogen?

Matteo Dossena: „Tigris & Euphrates“ ist aus einer ganz anderen Sichtweise als „Tanzlinde“ entstanden. Unser Debüt war beeinflusst von den Bergen und der See hier in den Abruzzen und von der Liebe und einer persönlichen Weiterentwicklung. Also alles positive Themen. Ganz anders bei „Tigris & Euphrates“, das aus der Furcht vor einem Atomkrieg, einer allgemeinen Beunruhigung und dem Gefühl betrogen und belogen zu werden, entstanden ist. Kein Wunder also, dass der Sound viel düsterer ist und das Album viel langsamer. Es gibt mehr Verzerrungen und mehr Instrumentalparts. Aber es gibt auch Licht und Hoffnung.

eclipsed: Die erste Hälfte des Albums ist tatsächlich heller und freundlicher. Mitten im Song „Abscent To The Mother Language“ kommt dann der Wechsel zur dunklen Seite. Wie wichtig sind euch diese beiden verschiedenen Aspekte?

Dossena: Solche Dinge entstehen ganz von allein. Wenn wir anfangen zu spielen, dann versuchen wir uns in erster Linie in einen Zustand des Friedens und der inneren Ruhe zu versetzen. Wir denken dabei nicht an irgendwelche Themen oder bestimmte Sounds. Wir wollen einfach nur unsere Freiheiten erhalten. 

eclipsed: Welche weiteren Veränderungen gegenüber dem Debüt hat es gegeben?

Dossena: Es hat sich einiges verändert. Am wichtigsten ist natürlich, dass die Bandbesetzung eine andere ist. Wir sind jetzt nur noch ein Trio. Bei unserem Debüt „Tanzlinde“ waren wir noch zu fünft. Wir kannten uns alle schon aus der Schulzeit. Aber davon mal abgesehen glaube ich, dass „Tigris & Euphrates“ eine Weiterentwicklung unserer Vorgehensweise darstellt. Wir suchen jetzt nicht mehr in erster Linie nach den Songs, sondern wir suchen nach dem richtigen Sound. Wir wollen den Sound so klar wie möglich hinbekommen.  

eclipsed: Und wie entsteht dann eure Musik?

Dossena: Ich (Gesang und Gitarre) komponiere die Musik und die Gesangsteile. Aber auch Franz (Bass, Electronics und Gesang) und Pilù (Schlagzeug) nehmen aktiv teil am Komponieren und Arrangieren. So haben wir eine Menge Spaß miteinander.  

eclipsed: „Tigris & Euphrates” ist ein Konzeptalbum, geworden das sich um die Ursprünge der menschlichen Sprachen und deren Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit dreht. Erläutere das bitte.

Dossena: Wir betrachten die Sprachentwicklung von der Altsteinzeit und Jungsteinzeit mit den ersten paläolithischen und neolithischen Gesellschaften über die erste Gesetzgebung im sogenannten fruchtbaren Halbmond [Anm: Die Region, die sich halbmondförmig vom persischen Golf entlang von Euphrat und Tigris über Syrien bis nach Israel erstreckt], wo die Menschen gelernt haben zu lügen und zu betrügen, bis in die heutige Zeit, in der wir es mit verrückten Menschen zu tun haben, die einen Atomkrieg auslösen können. All das zeigt, wie einsam wir sind und wie wichtig es, dass wir uns vereinigen und wieder eine Gemeinschaft bilden müssen.     

eclipsed: Ist der Song „Kim (((O)))“ auch eine Referenz an die US-Band Sunn O))), die ja für ihren extrem dunklen Sound berüchtigt ist?

Dossena: Nein, dies ist ein Antikriegssong, der sich auch gegen jede Form der Diktatur und des Rassenhasses wendet. „Kim“ ist natürlich eine Anspielung auf den nordkoreanischen Diktator und das „(((O)))“ soll eine Explosion symbolisieren. Es gibt keine Verbindung zu Sunn O))), obwohl dies eine Band ist, die wir sehr lieben. 

eclipsed: Es finden sich verschiedenen Einflüsse in eurer Musik. Als was seht ihr euch selbst?

Dossena: Oh, eine schwierige Frage. Während der Arbeit an „Tigris & Euphrates“ habe ich sehr viel Earth, OM, Kikagaku Moyo, Robert Wyatt, Dead Can Dance und ähnliches gehört. Aber ich denke nicht, dass wir versucht haben, diese Musiker zu imitieren. Jeder von uns hat seine eigenen Einflüsse in das Album einfließen lassen. Wenn ich unserem Stil nun einen Namen geben müsste, dann würde ich sagen: Soft-Psych-Doom.

eclipsed: Melodien und Atmosphäre – beides gibt es bei euch zuhauf. Was steht an erster Stelle?

Dossena: Ich bin mit Popmusik aufgewachsen. Ich mag auch Songwriter wie Badly Drawn Boy, Elliot Smith oder Alexander Tucket sehr gern. All diese haben die Fähigkeit, Melodien in wunderbaren Stimmungen zu verpacken. Das habe auch ich mir auf die Fahnen geschrieben. „Tigris & Euphrates“ ist auf Klänge und Atmosphären fokussiert und gleichzeitig ist da auch Popmusik drin. Diese beiden Aspekte passen gut zusammen und passen auch gut zu mir persönlich.     

eclipsed: 2013 habt ihr als Edith A.u.f.n. bereits ein Album veröffentlicht. Dann habt ihr den Namen der Band in Sherpa geändert. Brauchtet ihr damals einen Neubeginn?

Dossena: Ja, es war einfach Zeit für eine Veränderung. Als wir noch Edith A.u.f.n. waren, haben wir bemerkt, dass wir uns nicht mehr nur auf Italien konzentrieren, sondern ganz Europa im Blick haben sollten. Daher die Umbenennung und der Wechsel ins Englische. Hinzu kann die wunderbare Gelegenheit, vom Sulatron-Label von Dave Schmidt unter Vertrag genommen zu werden. Wir sind Dave und seiner Partnerin Lulu sehr dankbar, für alles, was sie für uns getan haben. 

*** Interview: Bernd Sievers