„Wir sind Smokemaster aus Köllefornia! So begrüßte Björnsen Bear das Publikum 2022 beim WDR-Rockpalast Crossroads Festival. Recht hat der Sänger, denn das Quintett kommt aus Köln und seine Musik könnte aus dem sonnigen Staat an der Pazifikküste der USA stammen – denn Smokemaster spielen einen lupenreinen 60ies/70ies Rocksound: mal rau, mal sanft, mal elegant rockig, mal psychedelisch. Alles drin, was drin sein muss: Riffs und Licks, treibende Rhythmen, Soli auf Gitarre, Orgel und Synthie. An jenem Abend im April 2022 spielten Smokemaster nicht nur Stücke ihres Debüts von 2020, sondern auch schon vier Tracks des gerade erst im April 2023 veröffentlichten neuen Albums „Cosmic Connector“.
Bassist TobMaster und Drummer Lukas Bönschen gründeten Smokemaster 2018. Schnelle erweiterte sich das Line-Up in den folgenden Jahren zur heutigen Fünf-Mann-Stärke. Neben Bönschen und TobMaster gehören Björnsen Bear (Gesang, Rhythmusgitarre), Jay Holz (Gitarre) und Tobias Tack (Keyboards) zur Band. Heute sind sie teilweise Arbeitskollegen beim Music Store, einem der größten Musikfachhandel in Europa. Bis auf Keyboarder Tack stand die Band komplett zum Zoom-Interview bereit und sprach aus dem Nähkästchen übers neue Album und die Band.
eclipsed: „Cosmic Connector“ ist ein geiles Album, oder?
Lukas Bönschen: Auf jeden Fall.
Jay Holz: Wir sind sehr angetan von den ersten Reaktionen auf das Album. Diese Songs begleiten und schon sehr lange. Es ist ein besonderer Moment, das fertige Produkt zu hören und zu sehen, was aus den Songs geworden ist.
Bönschen: Es steckt unglaublich viel Arbeit darin. Wir haben jetzt schon im Vorverkauf 200 vorbestellte Exemplare. Vom ersten Album hatten wir zunächst nur 500 Kopien überhaupt pressen lassen.
eclipsed: Reitet ihr gern? [Anm: Das innere des Aufklappcover zeigt eine Comic-artige Zeichnung der fünf Bandmitglieder, wie sie auf außerirdischen Pferden durch die Steppe galoppieren.]
Holz: Niemand von uns hat jemals auf einem Pferd gesessen.
TobMaster: Unser Grafikdesigner Manuel Lambertz wollte wohl versinnbildlichen, dass wir alle zusammen auf diese musikalische Reise gehen.
Holz: Wir sind eben eine eingeschworene Truppe und nicht nur ein Projekt im Proberaum. Wenn wir schon ein 60er/70er-Jahre-Ding machen, dann wollen wir das entsprechende Feeling auch aufleben lassen. Wir sitzen oft zusammen und hören Platten, gehen zusammen auf Konzerte. Wir sind eine große Gemeinschaft.
eclipsed: War es das berüchtigte schwierige zweite Album?
TobMaster: Nein, eigentlich nicht. Viele der Songs hatten wir schon geschrieben, als wir noch am ersten Album gearbeitet haben. „Cosmic Connector“, „Rolling“, „Animal“ und „America Dreamt“ waren zumindest als Demo schon fertig. Wir hatten auch viele andere Demos. Wir arbeiten jetzt auch schon am dritten Album.
Bönschen: Wir haben in unserem Proberaum quasi ein eigenes Studio eingerichtet. Während der Probe können wir alles mitschneiden. Ich mache mir keine Sorgen, dass wir zu wenig Material haben. Ich mache mir Sorgen, dass wir nicht hinterherkommen, alles aufzunehmen.
eclipsed: Das Album geht stilistisch in dieselbe Richtung wie das erste. Das erste war schon prima. Meiner Meinung nach macht das neue aber qualitativ noch einen Sprung nach vorne. Seht ihr auch eine Weiterentwicklung? Was hat sich verbessert?
Holz: Alles. Die Idee beim zweiten Album war zu zeigen, dass wir beides können: Songs mit einer fixen Struktur ausarbeiten und zugleich auch Jammen. Das hat den Songwriting-Aspekt beeinflusst.
Bönschen: Vom Soundaspekt hatten wir sicherlich beim ersten Album einige Fehler gemacht. Das hörte der Endverbraucher vielleicht nicht, weil Eroc beim Mastern einiges rausgeholt hat. Für die zweite Platte haben wir jetzt ordentlich aufgerüstet. Das ist ein Riesensprung. Wir haben mehr räumliche Tiefe und mehr klangliche Breite.
TobMaster: Ein Unterschied ist, dass jetzt beim zweiten Album unser Sänger Björn von Anfang an dabei war. Er konnte uns also gleich zurückholen, wenn wir dem Gesang zu wenig Platz gelassen und zu viel Druck gemacht haben. Beim ersten Album kam er erst am Ende dazu und da war zu wenig Platz für den Gesang.
eclipsed: 2022 habt ihr beim WDR Rockpalast Crossroads-Festival gespielt. Wie warʼs?
TobMaster: Das war klasse. Richtig professionell. Ich hatte drei Wünsche, wo ich mal gern live spielen möchte: Beim Rockpalast, beim Krach-am-Bach-Festival und beim Burg-Herzberg-Festival. Die ersten beiden konnte ich mir letztes Jahr erfüllen.
eclipsed: Ihr habt beim Rockpalast auch schon die neuen Stücke „Cosmic Connector“, „Rolling“, „War Piece“ und „Forest“ gespielt.
Bönschen: Die Dinge müssen live gespielt werden. Die Strukturen sitzen fest. Live sehen wir, was funktioniert und was nicht. Alles klingt dann besser. Die Songs müssen reifen wie Wein.
Björnsen Bear: Wir sind jetzt ja schon in der Vorbereitung für das dritte Album. Auf der kommenden Tour werden wir vielleicht schon ein, zwei neue Stücke vom dritten Album im Livekontext ausprobieren.
eclipsed: In „Rolling“ gibtʼs plötzlich eine andalusische/spanische Gitarre. Woher kommt die denn?
Bönschen: Das war meine Idee. Ein guter Freund von uns, Ramin Moozeh, spielt spanische Gitarre und ich dachte, es wäre eine gute Idee, mal ein anderes Element hineinzuwerfen. Außerdem ist das auch so ein Gemeinschaftsding: Ein enger Freund von uns taucht im Booklet auf. Das ist toll.
eclipsed: Gleich im Opener gibt es Pink-Floyd-Zitate: das öffnende Gitarrenlick von „Run Like Hell“, im Gitarren-Solo etwas von „One Of These Days“. Habt ihr das bewusst eingestreut? Soll es eine Hommage sein?
Holz: Der Track kommt von mir. In der Phase wollte ich Sachen ausprobieren, die wie „Echoes“ oder „One Of These Days“ klingen. Den Rest haben wir dann im Studio dazuaddiert. Auf jeden Fall ist es eine Reminiszenz an Pink Floyd.
eclipsed: Einige Leute meinen, dass es in späteren Songs Andeutungen von Eloy und Grobschnitt gibt. Stimmt das?
Holz: Nein, zumindest nicht bewusst. Natürlich haben wir Eloy und Grobschnitt gehört, aber sie nicht als Inspiration verwendet.
TobMaster: Wir können ja mal Eroc fragen, ob er beim Mastern heimlich Sachen von Grobschnitt eingebaut hat.
eclipsed: Euer Album hat harte und zarte Momente. Wie mögt ihr es musikalisch lieber: hart oder zart?
Bear: Da gibt es bei uns verschiedene Lager. Ich bin der Softie und mag es elegant.
Bönschen: Ich mag es, wenn es richtig klatscht.
TobMaster: Ich magʼs er wischiwaschi. Es ist langweilig, wenn es immer das gleiche ist. Vielseitigkeit ist gut, sie darf aber nicht konstruiert wirken.
Holz: Das macht unseren Sound aus. Wir haben aber keine Meinungsverschiedenheiten. Wir kabbeln uns nicht. Vom Grundcharakter sind wir ähnlich. Es ist eher so, dass fünf Leute Hand in Hand gehen. Es ist eine Gemeinschaftsarbeit.
Bear: Man muss die Songs auch loslassen.
eclipsed: Was hat euch zu dem Antikriegssong „War Piece“ veranlasst? War es nur der Ukraine-Krieg?
Bear: Der Song ist unabhängig vom Ukraine-Krieg entstanden. 2018 hatte ich in meinem Freundeskreis Kontakt zu Soldaten. Die haben mir Geschichten erzählt von ihren Einsätzen. Das war eine ganz andere Welt als meine. Daran hatte ich lange zu knabbern. Sie leben ein ganz anderes Leben. Können täglich ihre Freunde bei Einsätzen verlieren. Einer hatte den Dienst quittiert. Er stellte sich Fragen, die mich zu den Zeilen „Are you proud of your country? Are you proud of your flag?“. Krieg ist generell eine Abscheulichkeit. Ich glaube an das Gute im Menschen. Deswegen auch der Refrain „What about love?“. Als dann 2022 Kriege in Afrika und vor unserer Haustür in der Ukraine begannen, habe ich den anderen diesen Song gezeigt und gesagt, dass jetzt die richtige Zeit dafür wäre. Dieser Song ist für alle Menschen, nicht nur für die Ukraine.
eclipsed: Zu diesem Song habt ihr auch ein Video gedreht.
Bear: Das stammt von dem iranischen Videoproduzenten Saba Moghadami. Den haben wir über einen befreundeten Schlagzeuger kennengelernt. Wir haben ihn für die Produktion freie Hand gelassen. Während der Produktion begannen im Iran die Proteste. Er hat uns dann Nachrichten von Freunden und Bekannten aus dem Iran gezeigt. Die waren alle sehr bedrückend. Die Leute wussten nicht, was mit ihnen geschehen würde oder ob sie weitere Nachrichten senden könnten, weil das Internet abgeschaltet werden würde. Am Ende des Videos löst sich ein Schuss. Wir dachten erst an eine weiße Flagge, aber Saba sagte uns, eine weiße Flagge wäre so ein westliches Ding, doch manche Dinge seien aber nur mit einem Schuss zu lösen.
eclipsed: Was entgegnet ihr, wenn jemand mit dem Vorwurf kommt, ihr würdet nur alte Musik machen?
Bear: Man kann das Rad nicht neu erfinden. Und irgendwer muss den alten Sound doch ins Hier und Jetzt transportieren. Ein geiler Rocksong klingt eben super.
TobMaster: Das ist das, was wir fühlen. Nur weil der Stil alt ist, muss es nicht alt klingen.
eclipsed: Lukas, du hast beim letzten Interview gesagt, dass mal ein Treffen mit Eroc geplant war, aber dann kam Corona dazwischen. Eroc hat nun auch euer neues Album gemastert. Hast du ihn jetzt getroffen?
Bönschen: Ja, er hat mich und Tack Tack [Anm: Keyboarder Tobias Tack] zu sich eingeladen. Eroc hatte da gerade die Originalbänder von Gentle Giants „Octopus“. Er sollte die digitalisieren. Unser Keyboarder Tack Tack ist großer Gentle-Giant-Fan und Eroc legte die Gentle-Giant-Originalbänder in Tack Tacks Arme. Er hielt die Bänder stolz wie ein kleines Baby. Es ist schon erstaunlich, welch tolle Aufnahmequalität diese Originalbänder damals schon hatten. Aber die haben damals auch extrem teures Equipment verwenden können.
eclipsed: Jay, du hast beim letzten Mal von deiner Leidenschaft für Motorräder erzählt. Was verbindet Motorrad fahren und Musik machen für dich? Was haben diese beiden Hobbys gemeinsam?
Holz: Musik machen ist ein kreativer Ausdruck, ein eigenes Lebensgefühl. Dasselbe gilt für das Motorrad fahren: Es ist auch ein Lebensgefühl, eines das etwas abseits der Norm steht. Ich habe keine Lust auf ein normales 9-to-5-Leben. Und wenn man selbst an dem Motorrad schraubt, dann hat es auch was Kreatives. Ich komme nur leider aus Zeitmangel nicht mehr dazu. Meine Maschine ist 37, 38 Jahre alt. Da dauert alles etwas länger.
eclipsed: Euch gibt es jetzt schon fünf Jahre. Ist das gefühlt eine lange oder kurze Zeit?
TobMaster: Eher eine kurze Zeit. Zwei Jahre lagen ja auch wegen Corona brach. Als 2020 unser erstes Album rauskam, hätten wir gleich live spielen wollen. Aber das ging nicht. Auch jetzt ist vieles noch ungewiss, auch was das Volkswirtschaftliche angeht.
Bönschen: Es ist in der Zeit unfassbar viel passiert. Wir sind erst am Anfang und ich stelle mir noch viel mehr Jahre mit Smokemaster vor.
Bear: Jeder von uns ist gut ausgelastet. Wir wachsen als Band weiter zusammen.
* * * Interview: Bernd Sievers