TINARIWEN, TAMIKREST, TOURÉ & CO. - Archaischer Wüstenblues: Musik aus Mali

TINARIWEN, TAMIKREST, TOURÉ & CO. - Archaischer Wüstenblues: Musik aus Mali

Tinariwen und Tamikrest, zwei Tuaregbands aus Mali, touren um die Welt. Gekleidet in ihre traditionellen Gewänder, mit Turban oder Chèche auf dem bzw. um den Kopf und Gitarren in der Hand spielen sie eine staubtrockene Musik, die für ein westliches Publikum einen exotischen Reiz verströmt. Doch sie sind nur die Spitze der Sanddüne.

„Als ob man einem Tropfen lauscht, der in einen tiefen Brunnen fällt“, umschrieb Robert Plant seine Empfindung, als er erstmals die Musik von Tinariwen hörte. 2003 stand er gemeinsam mit der Band aus Mali auf der Bühne des „Festival au Désert“. Der Livemitschnitt des Wüstenevents zog weltweit in die World-Music-Charts ein. Es war die Initialzündung und ein Grundstein für die Vitalität der heutigen Musikszene in Mali und der Aufmerksamkeit, die sie weltweit erregt. Tinariwen sind heute gewiss nicht die einzige renommierte Band aus Mali und sie waren auch ganz sicher nicht die erste.

Hypnotische Rhythmen, fremdartig gestimmte E-Gitarren, exotische Instrumente, betörende Melodien, afrikanische Call-&-Response-Gesänge – irgendwie altertümlich, archaisch. Als „Desert Blues“ oder „Wüstenblues“ wird diese Musik aus der Sahelzone oft bezeichnet. Begriffe, die mit einer Mischung aus Überheblichkeit und Unwissenheit in der abendländischen Kultur erfunden wurden. Ähnlich wie vor knapp 50 Jahren der Begriff „Krautrock“ für psychedelische Musik aus Deutschland hat auch das Etikett „Wüstenblues“ zwei Seiten: Einerseits ist der Begriff zu allgemein gehalten, umfasst er doch verschiedene Stilrichtungen, andererseits charakterisiert er eine tatsächlich vorhandene Andersartigkeit und Urtümlichkeit.

Beeindruckt, aber nicht beeinflusst

Ali Farka Touré gilt als „König des Wüstenblues“: Der „Rolling Stone“ kürte den 1939 geborenen Malier zu einem der 100 besten Gitarristen weltweit. Er ist der erste malische Musiker, der international für Aufsehen sorgte. Seine rhythmisch gezupften Soli auf der Gitarre und der Ngoni sowie sein nasaler Gesang wurden zu seinen Markenzeichen. Das 1994 gemeinsam mit dem US-Gitarristen Ry Cooder eingespielte Album „Talking Timbuktu“ gewann einen Grammy. Als „westafrikanische Variante des Deltablues von Lightnin‘ Hopkins und John Lee Hooker“ bezeichnete einst die BBC seine Musik. Ein Irrtum, den Touré als solchen entlarvte. Auf einer Pressekonferenz zwei Jahre vor seinem Tod 2006 diktierte er den weißen Journalisten auf ihre Frage nach der Herkunft des Blues die Antwort: „Ihr kennt die Zweige, wir in Mali haben die Wurzeln und den Stamm. Ich weiß selber, was ich spiele, niemand braucht mir das zu erzählen.“ Ja, als er 1968 zum ersten Mal John Lee Hooker gehört habe, sei er beeindruckt gewesen. Aber nicht beeinflusst.

Eine andere Legende des Wüstenblues ist Boubacar Traoré. Anders als Touré zeigte sich Traoré (geboren 1942) vom US-Blues beeinflusst. Mit dem Sturz der malischen Regierung 1968 beendete Traoré seine Karriere, nachdem er zu Malis populärstem Musiker aufgestiegen war. 20 Jahre lang zog er sich zurück, arbeitete in der Landwirtschaft und als Schneider. Die Öffentlichkeit nahm an, er sei gestorben. Seit 1990 veröffentlicht er regelmäßig Alben und bleibt seinem spartanischen Stil treu, geprägt von seiner Stimme und der akustischen Gitarre.

Als größter Koraspieler der Welt gilt Toumani Diabaté (Jahrgang 1965). Das Gemeinschaftsalbum „In The Heart Of The Moon“ (2005) mit Ali Farka Touré erhielt ebenfalls einen Grammy. Diabaté zeigt sich seit jeher gegenüber westlichen Einflüssen aufgeschlossen, bezeichnet die Scorpions als seine Teenageridole und kollaborierte mit so unterschiedlichen Künstlern wie Taj Mahal und Björk.

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