XXL-Interview: JOHN MAYALL - Der Bluesdienstleister

27. Februar 2019

John Mayall XXL-Interview

JOHN MAYALL - Der Bluesdienstleister

Blues! Etwas anderes hat den Briten mit Wohnsitz Los Angeles nie interessiert. Seit 56 Jahren hegt und pflegt er diese musikalische Spielart nach allen Regeln der Kunst, gilt wahlweise als Koryphäe, Institution oder Gralshüter, war Sprungbrett für viele berühmte Kollegen – und denkt zum Glück gar nicht daran, auf seine alten Tage noch etwas anderes zu machen. Marcel Anders hat den Altmeister zur Veröffentlichung seines mittlerweile 36. Albums gesprochen.

eclipsed: John Mayall, „Nobody Told Me“ ist im 606 Studio von Dave Grohl entstanden.

John Mayall: Das stimmt.

eclipsed: Da er oft dort abhängt und gerne mit anderen Künstlern jammt: Hast du ihn persönlich getroffen?

Mayall: Nein, er war nicht da. Und er war auch nicht der Grund, warum ich dort aufgenommen habe. Um ehrlich zu sein, war das gar nicht meine Wahl, sondern die Eric Cornes, des Produzenten. Er hielt 606 für einen guten Ort, und ich habe ihm vertraut. Ich selbst beschäftige mich nicht mit solchen Sachen – weil sie nicht wichtig sind. Solange ich das nötige Equipment vorfinde, also ein Klavier und ein paar gute Verstärker, und direkt loslegen kann, ist alles okay. Wir haben auch dieses Album in gerade Mal drei Tagen aufgenommen. Mehr Zeit habe ich dafür noch nie gebraucht.

eclipsed: Das klingt nach einem sehr altmodischen, aber auch ökonomischen Ansatz …

Mayall: Definitiv. Ich meine, wir wissen schließlich, was wir tun. Wir probieren nicht lange rum, sondern alles steht, bevor wir ins Studio gehen – wir müssen es da nur noch festhalten. Und das machen wir alle paar Jahre. Eben immer dann, wenn wir das Gefühl haben, dass die Leute vielleicht ein neues Album wollen.

eclipsed: An den neuen Songs sind ein paar illustre Gäste beteiligt. Hast du deine Parts per E-Mail geschickt oder sie im Studio begleitet?

Mayall: Der Einzige, der uns während der Aufnahmen besucht hat, war Joe Bonamassa – weil er in Los Angeles wohnt und Zeit hatte, vorbeizuschauen. Bei den anderen, die kreuz und quer übers Land verteilt sind, war es eher so, dass wir ihnen die Aufnahmen geschickt und sie ihren Teil dazu beigesteuert haben.

eclipsed: Wie hast du die Gäste ausgewählt – kennst du Alex Lifeson, Todd Rundgren und Steven Van Zandt schon länger?

Mayall: Nein, keinen von ihnen. Aber nachdem es sich herumgesprochen hatte, dass ich nach Gast-Gitarristen für ein neues Album suche, haben sie sich bei mir gemeldet – und nicht umgekehrt. Ich musste mich also nicht groß darum kümmern, ein paar Freiwillige zu finden. Was ein schönes Kompliment ist – und das Ergebnis spricht für sich.

eclipsed: Nach welchem Schlüssel hast du die Stücke verteilt, wer welches übernimmt?

Mayall: Da gab es keinen Plan. Sie haben sich einfach für die Stücke entschieden, die ihnen am besten gefielen. Das ist alles. Ich meine, sie basieren auf dem Blues. Und jeder von den Jungs kennt mich und meine Arbeit. Sie wussten also, wie sie darauf reagieren mussten – und das haben sie. Nämlich auf positive Weise. Es steckt keine Wissenschaft dahinter. Und auch kein Kalkül.

eclipsed: Wobei du aber schon darauf geachtet hast, dass Joe Bonamassa nicht bei einem Stück spielt, das er selbst zu verantworten hat.

Mayall: Das war etwas, das ich bewusst vermieden habe. Denn das wäre ja auch dumm. Im Sinne von: Es hätte nichts Neues. Ich habe sehr wohl darauf geachtet, dass Joe nicht bei etwas spielt, das er bereits selbst veröffentlicht hat.

eclipsed: Und warum hast du dich für Coversongs von Gary Moore, Jeff Healey oder Magic Sam entschieden?

Mayall: Ganz einfach: Wenn ich ein Album zusammenstelle, nehme ich ein paar eigene Stücke – also die besten, die ich gerade habe - und stelle sie neben die von anderen Künstlern, die ich mag und zu denen ich eine Verbindung spüre.

eclipsed: Darf man fragen, wie du auf „The Moon Is Full“ von Gwendolyn Collins gekommen bist? Im Netz gibt es keinerlei Informationen über sie …

Mayall: Ich habe keine Ahnung. Für mich war nie wichtig, wer einen Song geschrieben hat, sondern nur, wie er klingt.

eclipsed: Wie denn, du recherchierst nicht?

Mayall: Recherchieren? Warum sollte ich?

eclipsed: Um zu wissen, wer diese Künstler waren und wofür sie standen.

Mayall: Das interessiert mich nicht. Wenn ich einen Song mag, ist es mir egal, wer ihn aufgenommen hat. Er muss nur zu meinem eigenen Stil passen, und ich muss das Gefühl haben, dass ich daraus etwas machen kann. Das ist alles.

eclipsed: Wobei du dich nicht auf eine Spielart des Blues beschränkst, sondern dich facettenreich und vielseitig gibst. Warum?

Mayall: Das war schon immer mein Ziel. Einfach, weil ich denke, dass kein Song wie der andere klingen sollte. Das halte ich für ziemlich langweilig, und deshalb will ich sicherstellen, dass da alle möglichen Stile und Tempi am Start sind. Um ein Album möglichst interessant zu gestalten. Darum ging es mir schon immer.

eclipsed: Die neuen Stücke drehen sich vor allem um Frauen und Züge – wie kommt‘s?

Mayall: Keine Ahnung. Das ist Zufall – ich habe sie jedenfalls nicht danach ausgewählt. Mir geht es eher um den Beat und die Energie eines Stückes. Und die Texte erzählen eine Geschichte, die ich dann, so gut es eben geht, präsentiere - auf meine eigene Art und Weise. Nämlich durch die Musik. Es ist also nichts Kompliziertes und erst recht nichts Intellektuelles.

eclipsed: Trotzdem konntest du dir „It´s So Tough“ offenbar nicht verkneifen. Darin findest du deutliche Worte zum Zeitgeist: „We´re running out of ideas/crazy guy´s in charge/makes you wonder how the problems got so large.“

Mayall: Na ja, schau dich doch um: Das ist es, was in der Welt passiert. Und es ist ein gutes Thema – gut genug, um daraus einen Song zu machen.

eclipsed: Gleichzeitig präsentierst du auch eine Lösung für die aktuelle globale Misere: nämlich die Probleme im Kleinen statt im Großen anzugehen, und erst mal in der direkten Nachbarschaft anzufangen, ehe man gleich versucht, die Welt zu retten.

Mayall: Natürlich versuche ich, Denkanstöße zu liefern. Und der Blues ist ein gutes Vehikel dafür, denn er erzählt Geschichten – und gibt dir die Möglichkeit, deine Meinung zu bestimmten Dingen zum Ausdruck zu bringen. Das ist die beste Art, wie ich das erklären kann.

eclipsed: Was hält dich als gebürtiger Brite überhaupt in den USA?

Mayall: In meinem Alter – ich bin über 80 – werde ich wohl keine großen Veränderungen mehr vornehmen. Ich habe mich entschieden, wo ich bleibe. Und ich lebe ja schon länger in Amerika, als ich es je in Europa getan habe, über die Hälfte meines Lebens. Außerdem tangiert mich das politische Geschehen nicht so sehr – ich lebe mein Leben, egal, was in der Welt passiert. Ganz abgesehen davon haben die ganzen Negativmeldungen, mit denen wir täglich konfrontiert werden, auch einen positiven Nebeneffekt: Sie liefern genug Material für immer neue Songs. Ansonsten fühle ich mich in Kalifornien aber sehr wohl. Es ist mein Zuhause.

eclipsed: Du bist Ende der 60er Jahre nach Los Angeles gezogen, warum?

Mayall: Weil das Klima hier wunderbar ist. Das ist der Hauptgrund. Und als sich die Möglichkeit ergab, habe ich zugeschlagen.

eclipsed: Zuerst hast du im legendären Laurel Canyon gewohnt …

Mayall: Das war reiner Zufall, es hat sich einfach so ergeben. Als wir das erste Mal im Whisky A Go Go in Los Angeles spielten, habe ich den Besitzer des Clubs kennengelernt, Elmer Valentine. Wir haben uns prima verstanden und sind gute Freunde geworden. Er wohnte im Laurel Canyon und meinte irgendwann, dass da ein Haus frei sei – gleich neben seinem. Dort bin ich dann eingezogen.

eclipsed: Wie steht es um die Mystik dieses Orts, von der man so viel liest? Existiert die wirklich?

Mayall: Ich fand es da nie besonders mystisch …

eclipsed: Dann ist dein Haus abgebrannt – ist das der Grund, warum du die Gegend verlassen hast?

Mayall: Ich bin dort noch eine ganze Weile geblieben. Aber nachdem alle Häuser neu gebaut waren und zum großen Teil andere Leute einzogen, war es nicht mehr dasselbe wie vor dem Feuer. Von daher schien es Zeit, umzuziehen. Mittlerweile ist das 15 oder 20 Jahren her, und ich weiß auch nicht, wer da noch wohnt. Das verfolge ich nicht.

eclipsed: Letztes Jahr bist du 85 geworden – wie hast du deinen Geburtstag gefeiert?

Mayall: Ich bin noch keine 85!

eclipsed: Das ist aber überall nachzulesen!

Mayall: (lange Pause) Also mental bin ich es noch nicht. Und das Alter bedeutet mir auch nichts - solange ich gesund bin und tun kann, was ich möchte. Ich genieße einfach das Leben und bemühe mich, jeden Tag bis zum Letzten auszuschöpfen. Für mich ist so ein Geburtstag keine Sache, die man groß feiern muss. Ich denke, wenn man zehn wird, sollte man das tun. Und vielleicht noch zum 21. Geburtstag. Aber ich bin weit über den Punkt hinaus.

eclipsed: Gilt das auch für die Rente? Hast du den Punkt, an dem du in den Ruhestand hättest gehen können, längst überschritten?

Mayall: Das könnte man so sagen. Wobei ich aber auch nie groß darüber nachgedacht habe. Das werde ich erst tun, wenn ich nicht mehr in der Lage bin, eine wirklich energetische Performance abzuliefern. Bislang ist das nicht der Fall – zum Glück. Und: Ich bin nun mal Musiker. Das heißt, ich werde spielen, solange ich die Kraft dazu habe.

eclipsed: Wie die alten Bluesjungs, die man in der berühmten Kiste nach Hause geschickt hat?

Mayall: Das ist nicht wirklich meine Philosophie. Also ich fand es nie spannend, diese alten Blueser zu erleben, die immer noch auf die Bühne gehen, obwohl sie längst nicht mehr die nötige Energie besitzen. Ich will nicht, dass mir das passiert.

eclipsed: Wäre das dann der Punkt, an dem du aufhörst: Wenn du mit deiner Performance nicht mehr zufrieden bist?

Mayall: Solange ich gesund bin, werde ich das hinkriegen. Besser kann ich die Frage nicht beantworten. Solange ich es schaffe, die Leute mit meiner Performance zu begeistern, mache ich weiter.

eclipsed: Du bist in Macclesfield, in der Nähe von Manchester, aufgewachsen. Wie hast du den Blues für dich entdeckt?

Mayall: Ganz einfach: Mein Vater, der selbst Gitarrist war, hatte eine riesige Sammlung an Jazzplatten. Von daher wuchs ich in einem Haus auf, in dem ständig Musik lief. Und mit zehn oder elf fand ich meine eigene Richtung: Ich entdeckte die Boogie-Woogie-Pianisten, und danach hat sich alles von selbst entwickelt. Ganz egal, ob Jazz oder Blues – für mich ist das alles Teil einer Sache. Nämlich gute Musik.

eclipsed: Hast du deine Helden noch live erlebt?

Mayall: Nicht nur das, ich habe auch mit vielen von ihnen gearbeitet. Der Einzige, den ich nie auf der Bühne erlebt und mit dem ich nie etwas gemacht habe, war wahrscheinlich Howlin´ Wolf. Mit allen anderen hatte ich dagegen Kontakt – und das Vergnügen, auch mal mit ihnen aufzutreten. Worauf ich wahnsinnig stolz bin.

eclipsed: Wie haben sie sich dir gegenüber verhalten? Haben sie den jungen weißen Burschen überhaupt ernst genommen?

Mayall: Na ja, ich war damals kein Kind mehr. Ich habe ja erst mit 30 angefangen, insofern haben sie mich auch ernst genommen. Sie haben gesehen, dass ich das, was ich da tat, ernst meinte. Dass ich das Gleiche fühle wie sie und quasi ihre Sprache spreche.

eclipsed: Warum warst du überhaupt so ein Spätzünder? Warum bist du erst zur Armee gegangen und hast dann Grafikdesign studiert, ehe du dich der Musik verschrieben hast?

Mayall: Was die Armee betrifft, hatte ich schlichtweg keine andere Wahl. Das war etwas, zu dem man einfach verpflichtet wurde, ob man wollte oder nicht. Damals war ich 18, und dann bin erst mal zur Uni, weil ich etwas lernen und einen Abschluss machen wollte. Etwas, auf das ich immer wieder zurückgreifen konnte. Denn seien wir ehrlich: Für Blues-Musik gab es damals noch gar kein Publikum, von dem man hätte leben können. Im Grunde habe ich jahrelang für mich selbst gespielt – als Hobby und zum reinen Vergnügen. Bis Alexis Korner und Cyril Davies den sprichwörtlichen Stein ins Rollen brachten. Das war in den frühen 60ern.

eclipsed: Wie wichtig war Alexis Korner für dich? War er wirklich dein Mentor, wie gemeinhin behauptet wird?

Mayall: Im Grunde habe ich die Verbindung zu ihm einfach genutzt, um in London Fuß zu fassen. Denn er hat dort gewohnt, kannte alle Clubbesitzer und war sehr hilfreich darin, mich den richtigen Leuten vorzustellen. So konnte ich meine Band nach London holen und selbst anfangen, Konzerte zu geben.

eclipsed: Erinnerst du dich noch an deine erste Begegnung mit Eric Clapton?

Mayall: Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Es ist einfach zu lange her. Aber es muss während seiner Zeit bei den Yardbirds gewesen sein. Denn als er die verlassen hatte und verfügbar war, verpflichtete ich ihn. Er war ein Gitarrist nach meinem Geschmack.

eclipsed: Auf ihn folgten Peter Green und Mick Taylor. Was hast du in ihnen gesehen – was hat sie zu Gitarristen nach deinem Geschmack gemacht?

Mayall: Ich suche immer nach Musikern, zu denen ich eine Beziehung aufbauen kann. Mit deren Spiel ich etwas anfangen kann. Und die ihren eigenen Stil haben, der sie von anderen unterscheidet. Dabei ist es egal, welches Instrument sie spielen – sie müssen nur ihre eigene Note besitzen.

eclipsed: Alle drei – Clapton, Green, Taylor – hatten Probleme mit ihrer Popularität. Was so weit ging, dass Green und Taylor regelrecht daran zerbrochen sind. Wie kommt es, dass du solche Probleme offenbar nie hattest? Dass du nie süchtig nach Alkohol und Drogen wurdest?

Mayall: Zunächst einmal: Ich bin nie so berühmt gewesen. Von daher bewege ich mich auch nicht in diesen Kreisen oder sehe mich mit solchen Problemen konfrontiert. Ich bin einfach nur Musiker und dankbar, dass das, was ich mache, offenbar genug Leute begeistert, um davon leben zu können und immer noch aktiv zu sein. Die Fans haben alles, an dem ich mich je versucht habe, akzeptiert und größtenteils auch genossen. Dafür bin ich sehr dankbar.

eclipsed: Die Bluesbreakers galten als Institution. Warum hast du die Band 2008 aufgelöst?

Mayall: Das war nicht das erste Mal, dass ich mich von dem Namen getrennt habe. Aus dem einfachen Grund, weil ich es vorziehe, unter meinem eigenen aufzutreten. Und der ist mittlerweile auch etabliert genug, um das machen zu können. Zum Glück. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich mehr als die Hälfte meiner Karriere unter meinem eigenen Namen agiert. Es ist nur so, dass die Leute halt gerne nostalgisch sind und sich immer an die britische Blues-Explosion erinnern, aus der so viele bekannte Musiker hervorgegangen sind. Man muss sich nur die Gitarristen aus meiner Band vor Augen führen, wie eben Eric Clapton, Peter Green oder Mick Taylor: Sie alle haben mit mir in England angefangen.

eclipsed: Demnach hast du regelrecht als Sprungbrett fungiert?

Mayall: Ich schätze, als Bandleader bin ich immer meinem eigenen Musikgeschmack gefolgt und habe Leute engagiert, von denen ich dachte, dass sie gut zu mir passen. Da scheine ich ein gutes Näschen gehabt zu haben – also rein intuitiv, ohne groß darüber nachzudenken. Wenn ich jemandes Spiel mochte und er verfügbar war, habe ich ihm einen Job angeboten – wie man das als Leiter einer Band halt so tut.

eclipsed: Und diesen Ansatz verfolgst du immer noch?

Mayall: Schon. Aber in den letzten Jahren war das nicht mehr erforderlich. Greg Rzab am Bass und Jay Davenport an den Drums sind jetzt schon zehn Jahre bei mir. Die einzige Neuerung bei der kommenden Europa-Tournee ist, dass ich jetzt Carolyn Wonderland dabei habe.

eclipsed: Die erste Gitarristin, mit der du je gespielt hast. Wie kommt´s?

Mayall: Das kann schon sein – zumindest über längere Zeit. Nur: Es ist nicht so, als ob ich mich da verweigert oder ein Problem mit Frauen an der Gitarre hätte. Im Gegenteil. Es hat sich einfach nur nie ergeben. Was Carolyn betrifft, so bin ich sehr froh, dass ich sie getroffen habe und sie Lust hatte, mit mir zu spielen. Denn sie besitzt ihren eigenen Stil, und ich mag die Art, wie sie dabei vorgeht. Die Tatsache, dass sie eine Frau ist, macht keinerlei Unterschied für mich. Wenn ich mag, was jemand macht, ist es egal, wo er oder sie herkommt, wer sie beeinflusst hat oder was auch immer. Ich bewerte einen Menschen nur nach seinem Spiel. Das ist alles, was zählt. Und da ist sie ganz hervorragend.

eclipsed: Zwischen Carolyn und dir: Wonach entscheidest du, wer was spielt bzw. wer welche Gitarrenparts übernimmt?

Mayall: Ich weiß nicht wirklich, wie ich das erklären soll – weil es rein intuitiv ist. Wenn wir auf die Bühne gehen, macht es keinen Unterschied, wer was spielt oder welches Instrument er bedient. Es zielt alles darauf ab, in einer Art und Weise zu kommunizieren, dass dabei großartige Musik entsteht. Das ist alles. Insofern improvisieren wir und führen das Ganze in eine Richtung, die sich gut anfühlt. In erster Linie muss es das Publikum unterhalten, und damit hatte ich auch nie ein Problem.

eclipsed: Was erwartet uns auf deiner März-Tour? Wie spontan wirst du bei der Präsentation des Repertoires sein?

Mayall: Es herrscht nicht wirklich viel Spontaneität bei dem, was wir auf Tour tun. Momentan haben wir etwa 20 oder 30 Stücke, die wir spielen und die ich jeden Abend neu anordne, damit es nie das Gleiche ist. Das ist mir wichtig. Genau wie eine gute Mischung aus Songs von all meinen Alben. Und natürlich bringe ich andere Versionen von den Sachen, die jeder kennt. Das gehört einfach dazu. Und es kommt beim Publikum auch immer gut an. Gerade in Deutschland, wo die Besucher übrigens viel enthusiastischer sind als anderswo. Sie haben keine Angst davor, mal ein bisschen lauter zu werden und ihre Anwesenheit zu untermauern. Die Fans in anderen Ländern sind reservierter und verhaltener, was ihre Reaktion betrifft. Aber wir mögen es, dass die Deutschen zu den Konzerten kommen, um Spaß zu haben. Unsere Aufgabe besteht darin, ihnen genau den zu ermöglichen.

eclipsed: Da du bereits mit Gott und der Welt gespielt hast: Gibt es noch so etwas wie eine Wunschliste, also Musiker, mit denen du gerne arbeiten würdest, sofern sich die Gelegenheit ergibt?

Mayall: Da fällt mir keiner ein. Das bedeutet, dass ich wunschlos glücklich bin. Und am meisten freut mich, dass es eigentlich immer so war, dass andere auf mich zugekommen sind, weil sie mit mir spielen wollten. Ich denke, das ist die beste Voraussetzung.

eclipsed: Und wenn die Stones anrufen und dich zu einem weiteren Bluesalbum à la „Blue And Lonesome“ einladen?

Mayall: Ich kenne die Jungs sehr gut, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit mir arbeiten wollen. Ich spiele schließlich in einer ganz anderen Liga als sie.

eclipsed: Was hältst du von ihren Blues-Ausflügen?

Mayall: Die sind okay. Sie sind zwar eine Rockband, aber sie haben Blueswurzeln. Für mich war es einfach ein weiteres Stones-Album, nur eben mit Bluesstücken, was ich natürlich nett fand.

eclipsed: Joe Bonamassa gilt gemeinhin als die Zukunft des Blues – jemand, der die Fackel weiterträgt und ein junges Publikum für dieses Genre begeistert. Würdest du das unterschreiben?

Mayall: Nicht wirklich. Ich finde, die Zukunft des Blues liegt in den Händen einer neuen Generation, die von dem inspiriert wird, was andere in der Vergangenheit geleistet haben. Von daher wird der Blues immer präsent sein, uns immer begleiten, und es wird auch immer tolle Musiker geben, die sich ihm verschreiben. Die verfolgen, was da draußen passiert, welche Entwicklungen und Trends es gibt, und sie entsprechend einfließen lassen. Deshalb wird der Blues nie auf dem Abstellgleis landen. Er wird ständig aktualisiert und neu belebt.

eclipsed: Also solange sich genug Teenager bei deinen Konzerten tummeln, gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen?

Mayall: Ganz genau, so sehe ich das. Es zeigt, dass dieser Sound immer neue Generationen anspricht, und das ist ein beruhigender Gedanke.

eclipsed: Du bist jetzt 56 Jahre im Geschäft. Würdest du an deiner Karriere nachträglich etwas ändern, und wenn ja, was wäre das?

Mayall: Ich würde gar nichts ändern, kein bisschen. Ich habe immer daran geglaubt, dass man seinem Instinkt folgen muss – egal, in welche Richtung er einen führt. Und das Leben steckt voller Überraschungen. Das habe ich immer zu schätzen gewusst.

* * * Interview: Marcel Anders

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