1970 - Aufbruch im Trümmerjahr

Es war die Stunde Null nach den turbulenten 60s: Das Jahr 1970 gab den furiosen Startschuss in die Dekade des Rock. Als das letzte Kalenderblatt des Woodstock-Jahres 1969 abgerissen war, lagen die Träume der Generation Love & Peace bereits wie kaputtes Spielzeug am Boden. Denn so viel war klar: Mit allumfassender Liebe und bewusstseinserweiternden Drogen allein würde sich eine neue Gesellschaft nicht errichten lassen. Dennoch wirkten die Impulse der jugendlichen Rebellion weiter und veränderten allmählich die Kultur der westlichen Welt. Natürlich spiegelte sich all das auch in der noch jungen Rockmusik, die voller Abenteuerlust in die unterschiedlichsten Richtungen drängte. 1970 wurde zum Jahr des Aufbruchs und der neuen Gesichter.

BOB DYLAN - Legende mit vielen Facetten

Bob Dylan ist zurück. Acht Jahre nach „Tempest“, seinem letzten Album mit eigenen Songs, präsentiert der Nobelpreisträger scheinbar aus dem Nichts heraus ein neues Werk, mit dem kaum noch jemand gerechnet hatte. „Rough And Rowdy Ways“ ist, nach drei ermüdenden American-Songbook-Alben, auch eine qualitative Überraschung: ein vielschichtiges, rundum gelungenes Alterswerk eines ewig Junggebliebenen.

BLUES PILLS - „Wir denken, dass wir nun selbst genau wissen, was wir wollen“

Da hat sich eine Band neu gefunden: „Holy Moly!“ ist der dritte Longplayer der Blues Pills, und dieses Mal hatten sie den Ehrgeiz und das Know-how, fast alles selbst zu machen und zu produzieren. In zwei Telefonaten mit Frontfrau Elin Larsson Anfang des Jahres sowie vor wenigen Wochen ging es nicht nur um das am 21. August erscheinende neue Album, sondern auch um den Ausstieg des Gitarristen Dorian Sorriaux und seinen bandinternen Nachfolger.

GÖSTA BERLINGS SAGA - Unter Hochspannung

Pünktlich zum 20-jährigen Bestehen erweitern Gösta Berlings Saga ihren Kader von vier auf fünf Mitspieler: Auf dem neuen Album der in Stockholm ansässigen Formation ist auch der bereits zuvor bei Liveauftritten der Band in Erscheinung getretene Perkussionist Jesper Skarin zu hören. Was zur Folge hat, dass auf dem sechsten Studiowerk der Brachial-Progger noch mehr Wert auf Rhythmik und Dynamik gelegt wird: Dräuend, irrlichternd, dramatisch, explosiv kommt der Klangkörper daher. Der Introspektion wird selten Raum gegeben, Verschnaufpausen scheinen nicht sonderlich erwünscht zu sein. Doch wenn Ruhe Einzug hält, zeugt sie von einer geradezu magischen Erhabenheit. Bassist Gabriel Tapper fühlt sich und die Musik seiner Truppe „wie in einen Jungbrunnen getaucht“ – und bietet dem Corona-Virus grimmig die Stirn.

STEVE HOWE - Alte Hippie-Ideale mit neuer Aktualität

Auch Yes hat die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht: Ihre „Relayer“-Tour musste auf das Frühjahr 2021 verschoben werden. Wenigstens verkürzt nun Gitarrist Steve Howe mit seinem neuen Soloalbum „Love Is“ die Wartezeit. Im Interview sprach er über Liebe zur Erde als Lebensprinzip, Alexander von Humboldt und sein Vergnügen daran, neben der Gitarre auch mal die Stimme zum Einsatz zu bringen.

Lässt man die „Homebrew“-Serie außer Acht, die eher Democharakter hat, war „Time“ 2011 Steve Howes bisher letztes Solowerk. 2017 spielte er mit seinem im selben Jahr verstorbenen Sohn Virgil „Nexus“ ein. Beide Alben bestanden aus Instrumentalstücken. Auf „Love Is“ tritt er nun nach längerer Sangespause auch wieder stimmlich in Erscheinung, wobei er zusätzlich Yes-Frontmann Jon Davison zum harmonischen Gesangsstelldichein eingeladen hat.

URIAH HEEP - Für immer 49

Uriah Heep, seit 1969 (ursprünglich unter dem Namen Spice) aktiv, gehören neben Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin und UFO zur Gründergeneration des britischen Hardrock. Wäre es nach dem US-amerikanischen „Rolling Stone“ gegangen, hätte es die Band allerdings nicht einmal bis ans Ende des historischen Rockjahres 1970 geschafft – so vernichtend war die Kritik des einflussreichen Magazins zum Debütalbum „Very ’Eavy, Very ’Umble“. Ein halbes Jahrhundert später kann man Bandmitgründer Mick Box und Keyboarder Ken Hensley, der Anfang 1970 dazustieß, durch die Konfrontation mit der damaligen Rezension immer noch ein breites Grinsen entlocken. 

PAUL WELLER - Väterchen Zeit

Er hat Punk-Rock, Neo-Soul, Britpop und EDM er- und überlebt. Jetzt, mit 62, will es der ehemalige Chef von The Jam und The Style Council noch einmal wissen: „On Sunset“ ist das vielseitigste und vielleicht auch mutigste Album seiner Karriere – eine Hommage an eine Zeit, als an den Wochenenden noch kräftig getanzt wurde, David Bowie das Chamäleon gab und Bond-Filme von britischen Künstlern vertont wurden.