ARCHIVE - Kollektives Tagebuch und prophetisches Statement  

2019 machte die britische Band Archive ein Vierteljahrhundert Bandgeschichte zum Konzept der Compilation „25“. Nun veröffentlicht sie mit „Call To Arms & Angels“ ein Konzeptalbum, das den gesamten Werdegang der Band widerspiegelt. Musik ist heute vor allem ein Wirtschaftsfaktor. Die Tage, in denen Rock per se zur Gegenkultur gehörte, liegen lange zurück. Algorithmusgesteuerte Portale wie Spotify sind eine weitere Stufe auf dem Weg der Entwicklung von Musik zu einem harmlosen Konsumgut. In Zeiten von Pandemie und Krieg mitten in Europa wird uns der Verlust, den wir durch die Beschränkung ihres politischen Anspruchs und Wirkungsgrads erlitten haben, umso schmerzhafter bewusst. Doch jede Entwicklung ruft eine Reaktion auf den Plan.

JOE SATRIANI - Gemälde mit Pinsel und Gitarre

Er hat für Mick Jagger, Alice Cooper und Deep Purple gespielt und mit der All-Star-Hardrockcombo Chickenfoot auch im Bandformat sensationelle Erfolge gefeiert; Gitarrenasse wie Steve Vai, Kirk Hammett (Metallica) und Alex Skolnick (Testament) sind bei ihm in die Lehre gegangen. Nun bringt der auf Long Island geborene, seit 1978 in der Nähe von San Francisco lebende Saitenzauberer Joe Satriani mit „The Elephants Of Mars“ sein bereits 18. Soloalbum heraus.

Beim Zoom-Interview am Tag nach dem Superbowl sitzt der 65-jährige Musiker entspannt und gut gelaunt vor dem Computerbildschirm, im Hintergrund türmen sich Verstärker und Gitarren; der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine liegt noch eine Woche in der Zukunft. Corona und das neue Album „The Elephants Of Mars“ sind naturgemäß die bestimmenden Themen, doch als das Gespräch auf seine Malerei kommt, gerät Joe Satriani komplett ins Schwärmen.

MIDNIGHT OIL „Wie ein Baby im Sandkasten“

Nachdem Midnight Oil zwischen 2002 und 2016 infolge der politischen Karriere ihres Sängers Peter Garrett weitgehend inaktiv geblieben waren, veröffentlichten sie 2020 mit „The Makarrata Project“ ihr erstes Studiowerk seit 18 Jahren. Nun serviert die Band mit dem bei denselben Sessions entstandenen „Resist“ ein wütendes Manifest gegen Klimawandelleugner und Umweltzerstörer. Bitterer Beigeschmack: Es könnte zugleich das letzte Album der Australier sein. Nach der Tour zum 50-jährigen Dienstjubiläum soll jedenfalls Schluss sein mit Liveauftritten.

MICHAEL ROMEO - Fortsetzung mit ganz eigenen Mitteln

„To be continued“ heißt es etwa am Ende eines Films, um die Zuschauer darauf hinzuweisen, dass die Geschichte weitergeht. Denselben Zweck erfüllt in der Musik der Zusatz „Part 1“ am Ende eines Albumtitels. Michael Romeos „War Of The Worlds, Pt. 1“ erschien bereits im Juli 2018. Rund dreieinhalb Jahre später rückt der Symphony-X-Gitarrist nun endlich mit dem zweiten Teil heraus – und der ist weit mehr als nur ein „Sequel“.

TANGERINE DREAM - Im Raum-Zeit-Kontinuum

„Zeit“ heißt ein legendäres Album der Elektronikpioniere aus dem Jahre 1972. Nun schließen Tangerine Dream in ihrer aktuellen Besetzung aus Thorsten Quaeschning, Hoshiko Yamane und Paul Frick mit dem neuen Werk „Raum“ thematisch daran an. Es ist nach dem Tod des Bandgründers Edgar Froese im Jahr 2015 das zweite Studiowerk mit neuem Material seit „Quantum Gate“ (2017). Im Zoom-Interview gaben Quaeschning und Frick Auskunft darüber, wo Tangerine Dream anno 2022 stehen.

SOULSPLITTER - Maximal kreativ

Seit ihrem Debüt „Salutogenesis“ sind SOULSPLITTER ein echter Geheimtipp der deutschen Progmetalszene. Auch bei der Produktion ihres zweiten Albums „Connection“ gingen die jungen Musiker zwischen Mitte und Ende 20 ohne Genrescheuklappen zu Werke und kreierten anspruchsvolle Musik, die gleichermaßen auf Herz und Hirn zielt. Gitarrist Simon Kramer und Schlagzeuger Fenix Gayed, die beide an der Popakademie in Mannheim studiert haben, sprachen mit eclipsed über die Entstehung des Albums, dessen Songs davon handeln, wie man mit unsicheren Zeiten zurechtkommt und dadurch innerlich wächst. 

PATTERN-SEEKING ANIMALS - Nur auf der Durchreise

Der Mensch ist nur ein vorübergehender Gast auf diesem Planeten. Homo sapiens erschien erst vor etwa 300.000 Jahren auf der Erde und wird wie andere Tierarten früher oder später wieder verschwinden. So ist der Titel „Only Passing Through“ des dritten Albums von Pattern-Seeking Animals zu verstehen – ein Name, bei dem es sich seinerseits um eine Umschreibung jenes Wesens handelt, das sich gern als Krönung der Schöpfung betrachtet: ein „Tier, das in allem nach Bedeutung sucht“. 100-prozentig festlegen möchte sich John Boegehold, kreativer Kopf der Gruppe, hier allerdings nicht – er mag es, wenn seine Titel und Texte auf verschiedene Weisen interpretiert werden können. Erlebnisse, Begegnungen oder Episoden, die an einem vorbeirauschen? Das Virus nur „auf der Durchreise“ und bald wieder weg? „Ja“, lacht der 65-Jährige, „warum nicht?“

MANIKIN RECORDS - Gralshüter der Berliner Schule

Die kleine, aber feine Nische der traditionellen elektronischen Musik wird von gerade mal einer Handvoll spezialisierten Labels abgedeckt. Manikin Records, am 1. April 1992 in Berlin gegründet, kann für sich beanspruchen, besonders konsequent und fruchtbar die große Tradition der Berliner Schule (Tangerine Dream, Klaus Schulze u. a.) fortgeschrieben zu haben. Anlässlich seines in diesem Jahr begangenen 30-jährigen Jubiläums werfen wir hier einen Blick auf Ausrichtung und Entwicklung des Labels.