ROBERT FRIPP - Auf ungeplanten Wegen zum vorbestimmten Ziel

16. Juni 2022

Robert Fripp King Crimson

ROBERT FRIPP - Auf ungeplanten Wegen zum vorbestimmten Ziel

Interviews mit Robert Fripp sind eine sehr seltene Angelegenheit. Somit war es eine große Ehre für eclipsed, vom King-Crimson-Mastermind eine exklusive Videoaudienz in seinem Arbeitszimmer gewährt zu bekommen. Anlass war sein Ende Mai veröffentlichtes 32-Disc-Boxset „Exposures“ über jene Zeit, die er das „Interregnum“ nennt: die Jahre zwischen 1974 und 1981, als Fripp nach der einstweiligen Auflösung von King Crimson als Solokünstler, durch verschiedene Kooperationen sowie mit dem Projekt The League Of Gentlemen von sich reden machte. Daneben erscheint Ende des Jahres ein anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von King Crimson entstandener Dokumentarfilm, der bereits im März auf dem SXSW Film Festival in Austin zu sehen war. Somit gab es genügend Gründe, mit Fripp über seine oft unterbewerteten, aber sehr ereignisreichen Solojahre zu sprechen.

Robert Fripp sitzt in feinem Anzug und Krawatte in einem karminroten Zimmer, was einem automatisch das Gefühl vermittelt, am Hofe des „Crimson King“ gelandet zu sein. Der legendäre Musiker wirkt gelassen, sympathisch, seine ernsten Aussagen sind immer wieder mit hintersinnigem Humor gespickt. So entspinnt sich ein kurzweiliges, einstündiges Gespräch, bei dem Fripp sehr viel aus dem Nähkästchen plaudert.

eclipsed: Wir wollen heute über deine Solojahre 1974 bis 81 sprechen, als King Crimson nicht existierte. Du selbst hast dich in dieser Phase eine „kleine, intelligente, unabhängige, mobile Einheit“ genannt …

Robert Fripp: Nennen wir es doch lieber eine „kleine, mobile, unabhängige Einheit, die sich um Intelligenz bemüht“. Aber ich wollte King Crimson nie beenden; es war für meinen Lebensweg allerdings wichtig, King Crimson zu verlassen. Die Band war ein bedeutsames Unternehmen, was nicht immer von allen Bandmitgliedern ausreichend gewürdigt wurde. Für mich stand fest, dass ich aufhören würde, ich spürte jedoch gegenüber den anderen Musikern und der Crew eine Verantwortung. Mein Vorschlag war daher, dass Ian McDonald zur Band zurückkehren und Steve Hackett als Gitarrist einsteigen sollte. Das habe ich David Enthoven vom EG-Records-Management vorgeschlagen; er erteilte dem aber eine Absage. Erst danach habe ich John Wetton und Bill Bruford angerufen und ihnen das Ende der Band verkündet, was sie ziemlich enttäuscht hat. Ich war dann knapp drei Jahre weg von der Mainstreamindustrie, und als ich zurückkam als kleine, mobile, unabhängige Einheit, die sich um Intelligenz bemühte, musste ich feststellen, dass Unabhängigkeit im Musikbusiness ein sehr relatives Konzept ist – vor allem mit einem Management, wie ich es hatte.

eclipsed: Nach einer längeren Pause bist du 1977 aus der beschaulichen Kleinstadt Wimborne Minster in Dorset im Süden Englands nach New York gezogen.

Fripp: Ich war damals völlig offen, was meine Zukunft anging, und als ich in Wimborne lebte, merkte ich, dass das Leben in London dreimal so schnell ablief und in New York wiederum dreimal so schnell wie in London. Ein Jahr New York City entsprach also neun Jahren in Wimborne, das klang interessant, also zog ich im Februar 1977 dorthin. Dennoch wollte ich weiterhin kein professioneller Musiker mehr sein. Ende 1976 hatte ich zwar auf Peter Gabriels erstem Soloalbum mitgespielt, aber Peter war ein guter Freund von mir, daher sah ich das nicht als Comeback an. Da King Crimson keine Ausgaben für Touren mehr verursachte, aber Tantiemen für die Platten reinkamen, hatte ich auch genügend Geld, um eine Weile in New York überleben zu können. Im Juli rief mich Brian Eno aus Berlin an und sagte: „Ich bin hier im Studio mit David, komm doch rüber und spiel Gitarre!“ Also flog ich mit der Lufthansa nach Berlin, zum ersten Mal in meinem Leben First Class! (lacht) Dann begannen im Februar 1978 die Frippertronics-Konzerte in der New Yorker Kitchen, einer Kunstgalerie. Danach kam eine Einladung von Chris Stein, mit Blondie im CBGB zu spielen, die ich gerne annahm. Dann kamen The Roches, später Daryl Hall und Peter Gabriel, die mit mir zusammenarbeiten wollten; bei Letzterem spielte ich ja als „Dusty Rhodes“ in der Tourband. Und plötzlich stand da Robert, die kleine, mobile, unabhängige Einheit, die sich immer noch um Intelligenz bemühte, und war in zahlreiche musikalische Projekte involviert. Und dann dachte ich mir: Du bist zurück! Das ist es, weswegen du hier bist! Glaub mir, ich habe über das, was ich jetzt sage, erst einmal mit der Presse gesprochen: Ich fühlte plötzlich eine musikalische Richtung, die sich mir bot, wenn ich nur dazu bereit war, ihr zu folgen. Und ich folgte ihr, und wahrscheinlich war das natürliche Ziel die King-Crimson-Neugründung 1981.

eclipsed: Du hast 1977 mit Daryl Hall dessen Solodebüt „Sacred Songs“ aufgenommen, ein wunderbares, mysteriös anmutendes Album, mit dem seine Plattenfirma aber gar nicht glücklich war, sodass es fast drei Jahre unter Verschluss gehalten wurde. Du hattest es als ersten Teil der „MOR-Trilogie“ [„MOR“ steht für „middle of the road“, Anm.] geplant, zu der außerdem das zweite Peter-Gabriel-Album, das du produziert hast, sowie dein eigenes Werk „Exposure“ zählen. In den Liner Notes zu letzterem hast du dich 1979 beschwert, dass diese Trilogie nun zerstört sei, weil Halls Album nicht erscheinen könne…

Fripp: Genau. Es war aber nicht das erste Mal, dass ich von der Musikindustrie verarscht wurde, aber davon wird dir wohl jeder Musiker berichten können. Daryl und ich hatten nicht die Absicht, ein experimentelles Album aufzunehmen, wir haben einfach losgelegt. Es war atemberaubend, mit ihm zu arbeiten, weil er als Sänger sehr spontan, sehr eigenständig ist. Sein Manager und seine Plattenfirma fanden aber nicht viel Gefallen an der Platte, und ihre Veröffentlichung wurde drei Jahre lang verhindert. Aber Daryl bot sie die Möglichkeit, eine Seite von sich zu zeigen, die die Öffentlichkeit noch nicht kannte.

Lest mehr im aktuellen Heft ...