LED ZEPPELIN - Im Sternenschiff Richtung Rockolymp

12. April 2023

Led Zeppelin

LED ZEPPELIN - Im Sternenschiff Richtung Rockolymp

„Diese Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegten, die kreativen Säfte, die in der Luft lagen, das Ganze war einfach eine pure Mixtur aus Adrenalin, chemischen Substanzen, Euphorie, und es gab keine Bremsen. Wir konnten nicht mehr stoppen, was da stattfand. Wir wussten ja selbst nicht, was es genau war.“ So äußerte sich Robert Plant 2007 über jene magische Zeit Anfang der 70er, als Led Zeppelin vor allem die USA regelrecht überrollten. 1973 war das Jahr, in dem sie zum größten Rockphänomen des Planeten wurden - dank einer US-Tour, die sich ins Gigantomanische auswuchs, und eines erstaunlich mutigen, experimentellen Albums namens „Houses Of The Holy“. eclipsed folgt den Spuren dieses oft unterschätzten Klassikers der Rockgeschichte und begibt sich in jenes Jahr, in dem Led Zeppelin unsterblich wurden. Neben einem ausführlichen Blick auf die Hintergründe des Albums lassen wir Jimmy Page im historischen Interview von 1973 zu Wort kommen und sprachen mit Bonham Junior sowie exklusiv mit Produzent Eddie Kramer.

Schon früh hatte Led Zeppelins ebenso furchteinflößender wie gewiefter Manager Peter Grant die USA als jenen Ort auserkoren, den sie unbedingt erobern mussten. Es war Amerika, das viel beschworene „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, das Jimmy Page erst in die Lage versetzte, „der snobistischen britischen Musikszene zu entkommen, die ihn nur als einen Hinterzimmermusiker ansah, der Vorstellungen kultivierte, die weit über seinen Möglichkeiten lagen“, wie der Journalist Stevie Chick schreibt. So wird „Immigrant Song“, der Opener des 1970 erschienenen dritten Zeppelin-Albums, in dem es um die Landung der Wikinger in der von Europa noch nicht „entdeckten“ Neuen Welt geht, als metaphorische Umschreibung der Eroberung Nordamerikas durch die wilde Rockhorde angesehen, die dann in „No Quarter“, einem Schlüsselstück auf „Houses Of The Holy“, ihre Fortsetzung fand: „The hammer of the gods will drive our ships to new lands.“ Und der den Wikingern zur Ehre gereichende, legendär gewordene hedonistische Exzess, dem die Band frönte, sowie der unheilige Ruf, den er zur Folge hatte, gingen Hand in Hand mit den nicht weniger ekstatischen Liveshows, die einer sich von sozialen Normen eingeengt fühlenden amerikanischen Jugend eine neue Richtung wiesen. 

Led Zeppelin sei bis zum Jahr 1973 ein regelrechter Kult für Eingeweihte in den USA gewesen, deren Zahl in die Hunderttausende gegangen sei, schreibt Bandbiograf Stephen Davis. Das aber war dem mit allen Wassern gewaschenen Grant und der von ihm betreuten Gruppe noch zu wenig: Man wollte in den Mainstream durchbrechen. Angesichts bereits voller Hallen, explodierender Plattenverkäufe und einer regelrechten Hysterie um die Band mutet diese Aussage zunächst seltsam an. Doch mit der Tour, die sie von Mai bis Juli 1973 durch die Vereinigten Staaten führte, und dem neuen Album „Houses Of The Holy“ sollten Led Zeppelin nicht nur zur größten Band des Planeten, sondern zur größten Rocksensation aller Zeiten werden – trotz des Umstands, dass die amerikanische Presse ihnen zunächst extrem feindselig gegenüberstand. Dies hatte verschiedene Gründe: Da war die Spur von Sex und Gewalt, die das Quartett vor allem in den späten 60er-Jahren auf seinen US-Touren hinterlassen hatte. Aber auch der ruppige Umgang, den insbesondere Grants Mann fürs Grobe, Tourmanager Richard Cole, mit den Medien pflegte, trug dazu bei, dass die Band – so unglaublich das heute erscheinen mag – als substanzloses Teeniephänomen abgestempelt wurde. So galten Led Zeppelin als „wilde Barbaren“, die teils minderjährige Frauen missbrauchten, musikalisch lediglich alte Bluessongs recycelten und nicht mal den Anstand besaßen, ihre Inspirationsquellen anzugeben. „Die Presse meinte immer noch, dass wir junge Frauen verspeisen und ihre Knochen aus dem Fenster werfen würden“, seufzte Plant zwei Jahre später in einem Interview mit Cameron Crowe, das spät dazu beitrug, den „Rolling Stone“ langsam auf ihre Seite zu ziehen.

Die Fans sahen die Sache naturgemäß anders: All diese Elemente halfen bei der Konstruktion des Bildes eines grenzenlosen Hedonismus, der von der unzweifelhaften Macht der Musik angetrieben wurde. „Die amerikanische Presse nennt uns Barbaren? Mag sein, aber wir sind milde Barbaren“, erklärte seinerzeit ein zufrieden grinsender Grant, der 1973 endlich auch das Potenzial sah, das negative Image zur Konstruktion eines modernen Mythos zu nutzen, der den Erfolg der Band in schwindelerregende Höhen steigen lassen würde.

Neben den Liveauftritten hatte auch ihr offiziell namenloses viertes Albums von 1971 zur Begründung des teils dunklen Mythos Led Zeppelin beigetragen, nicht zuletzt angefeuert durch Jimmy Pages Interesse am Okkultismus. Grant wiederum hatte 1972 mit den örtlichen Konzertpromotern eine seinerzeit mehr als ungewöhnliche Aufteilung von 90:10 für die Band ausgehandelt. Seine Begründung: 10 Prozent von Led Zeppelin seien immer noch mehr als genug Geld. Dieser Deal sollte übrigens auch die Musikszene nachhaltig verändern, weil er die bis dahin grenzenlose Macht lokaler Promoter extrem beschnitt. Von den gigantischen Einnahmen mietete der Manager einen edel eingerichteten Privatjet für die Band, den man „Starship“ taufte. Damit konnten Led Zeppelin 1973 auf ihrer neunten US-Tour ihre Gigs jeweils gemütlich von einer Metropole als Basisstation aus anfliegen – auch dies ein Novum in der Rockgeschichte: Das Starship landete in der Nähe der Halle, Limousinen brachten die Musiker dorthin und warteten bereits mit laufendem Motor, während die Fans noch nach einer Zugabe brüllten. Die exzessiven Partys, zu denen gerne auch minderjährige Groupies eingeladen wurden, veranstaltete man einfach in den exklusiven Innenräumen der Maschine. Die Zuschauermengen waren die größten, die jemals eine Band auf Tour angelockt hatte, und die über drei Stunden dauernden Shows zeigten Led Zeppelin auch musikalisch auf der Höhe ihrer Kunst, wie nicht nur der aufgrund seiner seltsamen eingestreuten Spielfilmszenen sehenswerte Film „The Song Remains The Same“ sowie das erst 2003 veröffentlichte Livealbum „How The West Was Won“ belegen, die jene Phase (im letzteren Fall die 72er US-Tour) eindrucksvoll dokumentieren.

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