Schlafwandler? Nein danke. - VIBRAVOID wollen mit ihrem neuen Album wachrütteln

26. Oktober 2016

Vibravoid Underground

eclipsed: Was meint ihr mit dem programmatischen Titel „Wake Up Before You Die“?

Doktor: Wie der Titel schon sagt: dass man aufwachen muss, bevor man stirbt. Es gibt ein Leben vor dem Tod. Das scheinen viele Leute noch nicht zu wissen, da sie sich in einer Art Schlafzustand befinden: sozial, politisch und spirituell. Wie schlimm soll denn unsere Existenz noch werden? Brauchen wir noch mehr Terror? Noch mehr Ausbeutung? Noch mehr Umweltzerstörung? Wir denken, dieser ganze Schwachsinn reicht doch langsam!

eclipsed: Haben euch eure zahlreichen Live-, Retrospektive- und Remasteraktivitäten aufgehalten?

Doktor: Na ja, irgendwie schon. Vor allem aber die heutigen langen Presszeiten beim Vinyl. Bei knapp sechs Monaten dauert dann irgendwie doch alles länger. Aber Vinyl ist uns nach wie vor extrem wichtig, so dass wir diese Zeiten einfach in Kauf nehmen.

eclipsed: Wie entstehen neue Stücke? Wie inspiriert ihr euch?

Doktor: Neue Songs entstehen in dem Moment, in dem sie entstehen – die Umstände sind dabei zweitrangig. Es ist die Idee, die sich am Ende durchsetzt, also die Inspiration. Da alles inspirierend ist, entstehen auch ständig neue Songs. Einige davon bleiben dann übrig, andere sind nur momentane Ideen.

eclipsed: Bei einigen Titeln wie „Shadows Of Reflections“ kann man die frühen, noch krautrockigen Kraftwerk heraushören. „Rheinflow“ enthält auch eine Anspielung an den Düsseldorfer Elektroniksound. Wie stark ist der heimatliche Bezug bei euch?

Doktor: Schwer zu sagen, ich höre diese Einflüsse gar nicht, wahrscheinlich weil ich Düsseldorfer bin. Ich bin in der Zeit aufgewachsen, in der Kraftwerk sehr aktiv waren, jedoch setze ich diese Einflüsse anders um, da ich zu einer anderen Generation gehöre. Düsseldorf ist heute eine sehr langweilige Stadt mit mangelhaftem kulturellen Angebot. Das war immer der Antrieb, die Stadt zu verlassen und mit der Band auf Tour zu gehen.

eclipsed: Ihr habt ein paar Songs gecovert, von den Monkees, Traffic und den Seeds. Wie habt ihr diese Stücke ausgewählt?

Doktor: Das sind einfach unglaublich gute Songs, wie sie heute keiner mehr machen kann, „Just Let Go“ ist natürlich eine Huldigung an Sky Saxon.

eclipsed: Es gibt neben 60s Pop, frühem Psychedelic Rock, Sitar und Fuzztone-Gitarren einige neue Einflüsse auf dem Album. Der Titeltrack ist unerwartet düster, fast schon ein Gothic-Stück. Wie kam es dazu?

Doktor: Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Das ist doch eigentlich minimalistischer Psychedelic Rock im MC5-/Stooges-Slomo-Style und in der Aussage reine Protestmusik – wenn ich mir da alleine die Bandechoeffekte auf der Stimme anhöre, mehr 60s Psych und LSD geht doch gar nicht. Es ist sehr lustig, wie in den letzten Jahren die letzte Metal-, Stoner-, Indie- und Gothic-Grütze von den Industrieexperten als Psychedelic verkauft wurde, und wenn nun mal was wirklich komplett psychedelic ist, dann ist das jetzt auf einmal Grufti-Sound. Ich kann da echt nicht mehr folgen.

eclipsed: Eure Stil- und Instrumentenpalette aus 60s Pop, frühem Psychedelic Rock, Sitar, Fuzztone-Gitarren ist aber nach wie vor intakt. Seid ihr dabei immer auf der Suche nach neuen Sounds?

Doktor: Ich glaube, wir nehmen die Sachen einfach auf, und dann beginnt für mich immer die Phase, wo ich wahnsinnig werde, weil es am Ende doch nicht so klingt, wie ich es mir vorstelle und ich alles versuche, dass das dann doch irgendwann so klingt, wie es soll. Richtig zufrieden bin ich dann aber doch irgendwie nie, weswegen dann wieder was Neues gemacht werden muss, damit es die Chance hat besser zu sein.

eclipsed: Ihr seid in erster Linie eine Liveband. Sicherlich werdet ihr einige der neuen Songs auf der Bühne ausbauen?

Doktor: Die neue Platte besteht eigentlich nur aus eher kurzen Songs, weil wir was Neues machen wollten und eben nicht nur dieses Rumgedudel anbieten wollen – es ging uns ja gerade darum, für die Shows wieder ein paar Arschtrittsongs zu haben, die richtig knallen.

eclipsed: Apropos Live: Was war euer außergewöhnlichster Gig in diesem Jahr?

Doktor: Sicherlich der beim Zuckerfest in Offenbach. Da geriet irgendwie alles etwas außer Kontrolle, und wir hatten am Ende so einen achtjährigen Jungen am Schlagzeug sitzen, der ein bisschen spielen konnte. Mit dem spielten wir dann „Mother Sky“, das war wirklich mal lustig, und das Publikum hat uns dafür echt geliebt.

eclipsed: Welche Projekte sind bei Vibravoid in der Pipeline?

Doktor: Ich denke, wir werden bald „Gravity Zero“ auf CD in erweiterter Form wiederveröffentlichen, dann ist unser kompletter Katalog auf CD über Stoned Karma erhältlich.
eclipsed: Beobachtet ihr auch die internationale Psychedelic-Rock-Szene?

Doktor: Man merkt langsam, dass die Leute verstehen, dass Stoner- oder Indierock doch kein Psychedelic ist und sich da alles ein wenig in Auflösung befindet – es war ja auch echt ein bisschen zu viel des Guten, wenn ich da an so grandiose Schöpfungen wie „Stoner-Psych-Rock-Blues-Doom“ denke – was sollte einem denn damit gesagt werden? Bei den ganz jungen Bands fällt auf, dass es gerade so einen Trend in Richtung 60s Garage/Psychedelic Pop gibt, alles wieder etwas mehr songorientiert und eben kein Metal, Hard- oder 80s-Indierock. Vielleicht haben wir ja doch Spuren hinterlassen.

* * * Interview: Walter Sehrer